In dem Moment fühlte sich der Captain, als sei er jäh aus einem Traum aufgeschreckt. Er registrierte, dass Oam-Pham-Phu ihn aufmerksam musterte. Nur langsam fand er in die Realität zurück.
»Was ist mit unseren Kameraden geschehen?«, hörte er Quinger fragen.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Oam-Pham-Phu. »Ich bin mir jedoch sicher, dass sie von den Kriegern verhört werden ‒ und solange das der Fall ist, wird ihnen nichts geschehen. Immerhin wäre es töricht, den Eroberungsfeldzug zu beginnen, ohne über die heutigen Gegebenheiten in der Galaxis Bescheid zu wissen. Seit das Imperium unterging, vor etwa zehntausend Jahren Ihrer Zeitrechnung, sind wir von allen Informationen abgeschnitten. Keiner von uns weiß, wie es außerhalb unserer Welt aussieht.«
Der Captain fröstelte. Seine Furcht war wieder da. Er konnte die Bilder nicht vergessen, die Oam-Pham-Phu ihm telepathisch übermittelt hatte. Nur waren es gigantische Flotten gewesen, die Tod und Vernichtung über viele Sonnensysteme gebracht hatten. Nun stand den Photiden lediglich ein einziges Schiff zur Verfügung ‒ ein kleiner, altersschwacher Frachter.
»Wir müssen uns beeilen«, wurde Finch von Oam-Pham-Phu in seinen Überlegungen unterbrochen. »Die Krieger arbeiten schnell und zielsicher, und es kann in Kürze zur entscheidenden Auseinandersetzung kommen. Die Clique der Friedfertigen wird kämpfen und siegen … oder untergehen. Wie auch immer, wir werden nie vergessen, was wir Ihnen verdanken.«
Ohne eine Erwiderung abzuwarten, schritt Oam-Pham-Phu davon. Die Männer folgten ihm in den Tunnel, aus dem er zuvor gekommen war. Ein schnelles Transportband nahm sie auf. Es wurde dunkel. Wenig später schienen die Wände eng zusammenzurücken.
»Wir befinden uns bereits fünfhundert Meter unter der Oberfläche von Paramon III«, erklärte Oam-Pham-Phu. »Wir haben in den letzten Minuten annähernd fünf Kilometer zurückgelegt.«
Es war wärmer geworden. Die Luft roch schal und abgestanden.
Schließlich stiegen sie in eine bereitstehende Magnetschwebebahn um. Geräuschlos verschwand ein Teil des fensterlosen Aufbaus und gab den Blick auf ein geräumiges, komfortabel eingerichtetes Abteil frei.
Die Männer nahmen auf der hinteren Sitzbank Platz; Oam-Pham-Phu ließ sich ihnen gegenüber nieder. Der Blick nach draußen wurde durch nichts behindert. Das Fahrzeug war also nur von einer Seite her lichtundurchlässig.
Die Befürchtung, von den Kriegern entdeckt zu werden, schob der Captain weit von sich. Er vertraute Oam-Pham-Phu, der genau zu wissen schien, welches Risiko er eingehen konnte. Jedenfalls führte die Fahrt an stark frequentierten Plätzen vorbei.
»Ich bin der Meinung, dass es Zeit für Erklärungen ist«, sagte Dave Quinger unverhofft und blickte den Photiden herausfordernd an. »Wohin bringen Sie uns überhaupt?«
Oam-Pham-Phu lächelte ‒ wenn man das Äquivalent eines menschlichen Lächelns so deuten konnte.
»Wir werden bereits erwartet«, antwortete er. »Wir, die Mitglieder der Clique, können nicht ungeschehen machen, wie viel Leid und Tränen einst mit dem Namen der Photiden verbunden waren, aber wir kämpfen für Frieden und Versöhnung. Vielleicht interessiert es Sie, dass die Zahl der Krieger rund zwanzigtausend beträgt, während die Schar der Friedfertigen nur viertausend Köpfe hat. Schon wegen dieses Missverhältnisses steht die entscheidende Auseinandersetzung kurz bevor …«
Ein Aufschrei ließ ihn und die anderen herumfahren. Walter Küber deutete nach draußen. »Die MADELEINE«, sprudelte der Lagerist hervor. »Ich habe eben unseren Frachter gesehen! Kein Zweifel …«
Zu schnell war der Schwebewaggon, als dass noch etwas zu erkennen gewesen wäre. Zudem versperrten mächtige Gerüste die Sicht nach rückwärts.
»Es war Ihr Sternenschiff«, bestätigte der Photide gelassen.
Finch schnaufte hörbar auf. »Wenn das so ist, werden die Krieger in diesem Bereich ihre stärksten Kräfte zusammengezogen haben.«
»Sie werden uns hier am wenigsten vermuten«, widersprach Oam-Pham-Phu.
»Hoffentlich geht das gut!«
Pessimismus war durchaus angebracht, denn das Fahrzeug stoppte Sekunden später so abrupt, dass die Männer von den Sitzen gerissen wurden. Fluchend kamen sie wieder auf die Beine.
Oam-Pham-Phus veränderter Gesichtsausdruck ließ nichts Gutes ahnen. »Raus hier!«, kommandierte er. »Sofort!«
Sie befanden sich in einem zweispurig angelegten Tunnel, in den in Abständen von jeweils mehreren hundert Metern röhrenförmige Gänge einmündeten. Diese Stollen waren kaum höher als zwei bis drei Meter. Der Captain vermutete, dass sie für Notfälle und zum schnellen Einschleusen von Reparaturtrupps gedacht waren.
Oam-Pham-Phu hielt plötzlich ein stabförmiges Objekt in der Hand. So wie er es von sich streckte, handelte es sich zweifellos um eine Waffe. Ohne sich davon zu überzeugen, ob die Männer ihm überhaupt folgten, lief er auf den nächsten Seitenstollen zu. Erst als das liegengebliebenes Fahrzeug nicht mehr zu sehen war, blieb der Photide kurz stehen.
»Was ist geschehen?« Im Laufen hatte der Captain seinen Laser gezogen und entsichert. Oam-Pham-Phu nickte ihm anerkennend zu.
»Sie haben es richtig erfasst«, sagte der Photide. »Nur die Leitstelle kann den Wagen auf freier Strecke zum Halten bringen. Wir werden kämpfen müssen.«
»Die Krieger haben also Verdacht geschöpft.« Finch nickte. »Wie soll es weitergehen?«
»Ein Suchtrupp wird in Kürze hier sein. Uns bleibt nur wenig Zeit, um zu verschwinden.«
Hinter ihnen war schon ein fernes Rauschen wie von näherkommenden Fahrzeugen zu vernehmen. Noch mochten sie allerdings einige Kilometer entfernt sein, denn jedes Geräusch wurde von den Felswänden um ein Vielfaches verstärkt zurückgeworfen.
Ein gleißender Energiestrahl verflüssigte etwa dreißig Meter vor den Männern einen Teil der Seitenwand. Eine enorme Hitze brandete ihnen entgegen.
»Sie haben uns!«, schrie Quinger auf und warf sich mit den anderen zu Boden. Keinen Augenblick zu früh, denn ein weiterer Strahlschuss fauchte dicht über sie hinweg.
Fast gleichzeitig entdeckten sie den Angreifer. Er stand höchstens zweihundert Meter entfernt, auf der anderen Seite des Stollens, in einer Öffnung, die vor wenigen Augenblicken noch nicht zu erkennen gewesen war.
Finch riss den Laser hoch und löste aus. Oam-Pham-Phus Schuss röhrte dem Angreifer einen Sekundenbruchteil eher entgegen.
Der Donner einer schweren Explosion dröhnte in vielfachem Echo durch den Tunnel. Gesteinsbrocken prasselten wie Hagel herab.
»Da hinein!« Oam-Pham-Phu stürmte weiter auf den Seitenstollen zu und warf sich förmlich hinein.
Die Männer folgten ihm dichtauf. Es ging eine enge, steile Wendeltreppe hinab ‒ ein Anachronismus in dieser hoch technisierten Umgebung ‒ und weiter durch ein wahres Labyrinth von Gängen, in dem Finch, Quinger und Küber sich ohne ihren Führer bald hoffnungslos verirrt hätten.
Samuel Finch nahm die Umgebung nur noch unbewusst wahr. Seine Gedanken drehten sich ausschließlich um das Fragment, das er nach der Explosion aufgehoben hatte. Er spürte deshalb ein intensiver werdendes Würgen, das ihm die Kehle zuschnüren wollte. Das Fragment steckte in einer Außentasche seiner Kombination.
»Nein!« Quingers Aufschrei hallte von den Wänden wider. Aus vor Schreck weit aufgerissenen Augen starrte er den Photiden entgegen, die soeben einen Seitengang verließen. Die Waffen in ihren Händen waren nicht zu übersehen.
Quinger riss seinen Laser hoch, aber schon fiel ihm Oam-Pham-Phu in den Arm, und der Schuss entlud sich gegen die Decke.
»Es scheinen Freunde zu sein«, sagte Küber und deutete auf Oam-Pham-Phu, der seine Waffe schon weggesteckt hatte. Er war auch der Erste, dem die verblüffende Ähnlichkeit der Photiden auffiel. »Sie sehen aus wie eineiige Zwillinge«, stellte der Lagerist fest. »Ich kann sie jedenfalls nicht auseinanderhalten.«
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