„Etwas Ähnliches dachte ich mir auch“, grinste Winternitz.
„Diese Burschen sollen sich die Finger an uns verbrennen“, sagte Joyce. „Sind Sie in der Lage, ein paar zuverlässige Leute zu engagieren?“
Winternitz dehnte seinen Körper, daß die Knochen knackten.
„Keine Sorge, Bill. Ich war zehn Jahre in der Sparte und kenne in New York genügend Leute, die für ein paar Dollar ihre eigene Großmutter umbringen würden.“
Joyce rieb sich «ufrieden die Hände.
„Genau solch»Typen brauche ich. Und jetzt hören Sie gut zu. Ich habe da bereits eine Idee … “
*
Joe Barry, wie er in Fachkreisen genannt wurde, betrat das Dienstzimmer von Captain Starr und warf seinen Hut schwungvoll auf einen Haken.
„Hallo, alte Kniegeige. Wir sind wieder mal Kollegen.“
„Was du nicht sagst“, grinste Starr. „Vorläufig ahne ich nur, daß meine sorgsam gehütete Whiskyflasche in Gefahr ist.“
„Keine Sorge“, versicherte Joe und stellte eine Flasche Bourbon, die er mitgebracht hatte, auf den Schreibtisch. „Das hatte ich schon lange vor. Und bitte fasse es genauso auf, wie es gedacht ist – als Bestechung.“
„Schön“, sagte Starr und stellte die Flasche in den Schreibtisch. „Ich werde die Augen zumachen, wenn ich davon trinke. Schieß los, altes Nashorn. An welcher Fährte klebst du im Augenblick.“
„John Baldon“, sagte Joe knapp.
Starr sah ihn überrascht an.
„Willst du in die Zeitungen kommen? Im Augenblick ist das ein aktuelles Thema für die Presse.
„Sicher, ich war schon als kleiner Junge sehr eitel und trug ein Korsett.“
Joe brannte sich eine Chesterfield an und erzählte dem Captain, in wessen Auftrag er stand.
„Eine undurchsichtige Geschichte“, sagte Starr. „Wahrscheinlich kennst du schon die Vorgeschichte. Im Augenblick läuft eine Großfahndung nach Joe Corbett, der immer noch nicht auf getaucht ist. Ich weiß nicht, ob Corbett den Mord begangen hat, ob er im Auftrag eines anderen gehandelt hat oder ob er überhaupt nichts mit der Sache zu tun hat. Aber ich weiß, daß er eine absolut zweitrangige Figur ist.“
Joe nickte.
„Im Augenblick dürfte sich der Kampf um die Nachfolge von John Baldon entwickeln.“
„Genau! Normalerweise würde uns das nicht weiter stören. Aber die Leute, die da mitmischen, sind ausgesprochen verdächtige Typen. Bill Joyce vom ,Farewest-Theater‘ hat sein Geld in der Prohibitionszeit mit Alkoholschmuggel verdient, und Tony Dunhill ist ebenfalls ein recht zwielichtiger Gentleman. Früher war er in Philadelphia und besaß dort ein Theater. Als ein Konkurrenzunternehmen abbrannte, wurde er unter Anklage gestellt. Man konnte ihm damals nichts nachweisen, und er kam nach New York.“
„Die beiden könnten die Hauptakteure sein“, sagte Joe. „Aber man weiß nie, ob nicht doch noch jemand hinter ihnen steht.“ –
„Du weißt, daß ich gestern in Kent War und miterlebte, Wie John Baldon in die Luft gesprengt wurde“, sagte Starr.
„Ich nehme an, das war kein Zufall!“
„Richtig. Ich hafte erfahren, daß Dunhill Und Joyce sich zusammengetan hatten, um etwas gegen Baldon zu unternehmen. In einer Woche beginnt die neue Spielzeit, und ich fürchtete, daß sie Baldons Kulturscheune anstecken oder auf andere Art seine Aufführungen sabotieren würden. Deshalb war ich draußen, um ihn zu warnen.“
„Glaubst du, daß Joyce und Dunhill zusammengearbeitet haben, um ihn umzubringen?“
„Offen gestanden, nein. Daß Sie seine Aufführungen gemeinsam störten, kann ich mir vorstellen. Nicht aber, daß beide ihn umbrachten. Die Burschen sind gerissen genug, um ZU wissen, daß mit dem Augenblick von Baldons Ableben der Kampf zwischen ihnen losbricht“
„Wer aber hat dann Baldon ermordet?“
„Einer von beiden allein – oder ein anderer. Ich hoffe, wir erfahren mehr darüber, wenn wir diesen Corbett erst haben. Heute abend erscheint Seih Bild in Sämtlichen FernsehStationeh, Ich hoffe, das wird uns bei-der Sache helfen.“
„Er kann ja nicht spurlos verschwunden sein“, sagte Joe. „Zumindest nicht sein Wagen.“
„Seit gèstem fahnden sämtliche Polizeistationen im Umkreis von dreihundert Meilen nach diesem Chevrolet. Heute wird der Radius auf fünfhundert Meilen ausgedehnt,“
„Gibt es in der Nähe von Kent einen Fluß oder einen See, in dem man einen Wagen versenken könnte?“ fragte Walker.
Starr sah ihn überrascht an.
„Das wäre eine Möglichkeit. Darauf bin ich noch nicht gekommen. Ich werde sofort dafür sorgen, daß man das nachprüft. “
Er nahm den Telefonhörer hoch und gab einige Anweisungen.
„Spätestens heute abend wissen wir, ob dein Verdacht richtig ist“, sagte er dann. „Was wirst du jetzt unternehmen?“
Joe erhob sich.
„Ich werde Bill Joyce und Tony Dunhill unter die Lupe nehmen. Mir scheint, das sind im Augenblick ausgesprochen interessante Leute.“
„Vergiß nicht, dein Schießeisen einzustecken“, sagte Antony Starr. „Ich würde die beiden nicht unterschätzen, Es kann sein, daß du Ärger bekommst, wenn sie merken, daß du deine Nase tiefer in ihre Angelegenheiten steckst als ihnen lieb ist.“
„Okay, Daddy“, sagte Joe. „Ganz wie du willst!“
*
Tony Dunhill schmetterte den Telefonhörer auf die Gabel und drückte auf den Knopf. Wenig später trat Bill Donelly ein.
„Hallo, Bill! Du machst einen zufriedenen Eindruck.
„Bin ich auch, Tony. Ich habe Joe Barry engagiert,“
Dunhill machte ein Gesicht, als hätte er einen Golfball verschluckt. Der Theatermann war klein und untersetzt. Er hatte dichtes graues Haar und einen Bartwuchs, der um elf Uhr morgens die Behauptung Lügen strafte, er hätte sich um neun Uhr rasiert. Er stammte aus Schottland, während Donelly geborener Italiener war. Beide waren typische Vertreter ihrer Heimatländer.
„Was hast du getan?“ fragte er bestürzt.
„Mir ist noch nie aufgefallen, daß du begriffsstutzig bist, ausgenommen jetzt! Ich habe Walker engagiert!“
„Bist du verrückt? Der Mann ist Dynamit!“
„Weiß ich! Mit Dynamit kann man sprengen, und das habe ich vor.“
„Ich verstehe immer noch nichts“, sagte Dunhill unwillig.
„Okay, ich will es dir erklären. Heute früh hat man versucht, mich umzubringen. Es muß jemand vom ,Farewest‘ gewesen sein. Damit war mir klar, daß es zwischen Joyce und uns jetzt hart auf hart gehen wird. In diesem Kampf wird Walker unsere stärkste Waffe sein.“
„Hoffentlich hast du recht“, brummte Dunhill skeptisch. „Ich persönlich verlasse mich lieber auf das hier!“ Er holte einen Revolver heraus.
„Jeder nach seinem Geschmack“, sagte Donelly. „Was hast du übrigens in Hinsicht auf das ,Baldon-Theater‘ unternommen?“
„Das Testament wird morgen geöffnet. Es wird dann herauskommen, daß Baldon sein Theater dem College von Kent vermacht hat.“
„Wir müssen das Theater unbedingt an uns bringen“, sagte Donelly. „Auf keinen Fall darf Joyce das Rennen machen.“
„Soviel ist mir auch klar“, sagte Dunhill mürrisch. „Aber gibst du mir das Geld? Das ,Baldon’ ist mindestens eine Million wert!“
„Immerhin liegt eine Hypothek von dreihunderttausend Dollar darauf, die wir übernehmen. Also fehlen noch siebenhunderttausend. Wir nehmen nochmals eine Hypothek von dreihunderttausend auf. Die restlichen vierhunderttausend kann ich dir beschaffen. Ich habe einen Geldgeber an der Hand, der allerdings im Hintergrund bleiben möchte.“
„Ich verstehe. Was machen wir aber, wenn wir das ,Baldon“ haben?“
„Das laß nur meine Sorge sein“, versicherte Donelly. „Ich bin überzeugt, daß der Ruf dieses Theaters allein genügt, um uns in einer Saison ein Drittel des hineingestechten Geldes einzuspielen – wenn nicht noch mehr. Außerdem habe ich bereits meine eigenen Vorstellungen, wie wir es anstellen, daß ganz New York ins ,Baldon’ strömt.“
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