ADSTRINGENZ
Ein Lebensmittel wirkt adstringierend, wenn es Mund und Zunge „zusammenzieht“. Manchmal wird das adstringierende Gefühl irrtümlicherweise als „bitter“ beschrieben, da sich beide Effekte oft überlagern.
GALLUSSÄUREkommt in grünem Tee vor, im Schwarztee aber ist sie weit weniger nachzuweisen. Auch in Rhabarber ist der Stoff enthalten. Mit Sorten, die arm an OXALSÄURE(
Abschmecken: sauer) sind, beispielsweise jungem Erdbeerrhabarber, lassen sich dezent adstringierende Effekte herausarbeiten, indem man etwa einige kleine Würfel süffigen Sahnesaucen oder Saucen auf Innereienbasis zugibt. Selbst einfache Dessertelemente wie Milchreis bekommen dadurch eine ganz besondere Note.
QUERCETINkommt in sehr vielen Früchten (Äpfel, Brombeeren, Heidelbeeren, Johannisbeeren Kirschen, Zitrusfrüchte) und Gemüse (Brokkoli, Grünkohl, Grüne Bohnen) vor, außerdem in vielen Gewürzen und Kräutern (Kapern, Liebstöckel, Sanddorn, Schnittlauch, Zwiebel) und sogar in Weinen.
GEHACKTE WALNUSSerzielt ebenfalls adstringierende Effekte. Gleichzeitig erhält man einen Textureffekt durch das knackende Mundgefühl. Zum Beispiel lässt sich gekochtes Rotkraut kurz vor dem Servieren mit ein paar Walnüssen veredeln. Der begleitende Gänsebraten kann diese Adstringenz ebenso vertragen.
DÜFTE ERZEUGEN UND KOMBINIEREN
Wenn eine Zutat duftet, liegt das an kleinen Molekülen, die die Pflanzenzellen verlassen und in die Luft schweben. Deswegen riechen zerstoßene oder geschnittene Gewürze intensiver: Bei ihnen sind viele Zellwände zerstört worden. Einige Düfte sind sehr flüchtig und duften sofort sehr stark, verschwinden jedoch bald. Andere, weniger flüchtige Noten riechen dezenter, aber länger anhaltend. Sie kommen zur Geltung, sobald sich die intensiveren Düfte verflüchtigt haben (
Geruchssinn und Aromen, Seite 18). Um Düfte etwas in ihrer Flüchtigkeit zu bremsen, können sie in geeigneten Lösungsmitteln „festgehalten“ werden. Alle Aromen lösen sich in Alkohol, Fett oder Wasser – oder in mehreren dieser drei Stoffe (
Lösungsmittel, Seite 29). Aus diesem Grund lassen sich auch Essige beziehungsweise Butter oder Käse (Fett) aromatisieren.
ENTSTEHUNG VON AROMEN: REIFUNGSPROZESSE
Viele Aromen und Düfte sind nicht von vornherein in Gewürzen oder Lebensmitteln enthalten, sondern entstehen erst durch Lagerprozesse: Das bekannteste Beispiel ist wohl der typisch heuartige
Waldmeisterduft, der erst beim Welken der Pflanze freigegeben werden kann. Oft sind an dieser Steigerung des Genusses eine ganze Reihe von Stoffen beteiligt, die im Lebensmittel mit der Zeit zu anderen Molekülen mit anderen Dufteigenschaften „umgebaut“ werden. Dies ist angewandte Biotechnologie in Reinstform.
BEI DER FLEISCHREIFUNGwerden die enthaltenen Fettsäuren durch enzymatische Prozesse zu völlig neuen Aromen umgebaut. Jede Fleischsorte weist ein anderes Spektrum an Fetten auf, darauf lässt sich der unterschiedliche und sehr charakteristische Geruch etwa von Rind, Schwein, Schaf oder verschiedenen Geflügelarten zurückführen. In den Gerüchen der jeweiligen Brühen und Fonds sind diese Unterschiede noch immer wahrzunehmen: Hühnerbrühe riecht deutlich verschieden von einer Rinder-, Lamm- oder einer Brühe auf Schweinefleischbasis. Die chemischen Prozesse, bei denen aus den Fettsäuren Aromen gebildet werden, benötigen Zeit, daher müssen zum Beispiel Fleischbrühen und Fonds eine gewisse Zeit garen, bis sie ihr volles und tiefes Aroma entwickelt haben. Solche chemischen Prozesse sind auch der Grund, weshalb nach Tagen im Kühlschrank wieder aufgewärmte Schmorgerichte häufig „besser“ werden. Wegen des fortschreitenden Fettabbaus und der damit verbundenen weiteren Aromenbildung werden Geruch und Geschmack intensiver. Außerdem ziehen die Aromen des Schmorfonds nach und nach in das Fleisch und würzen es zusätzlich (
Verwendung von Fett, Seite 47).
AROMEN BEIM FETTABBAU
AUCH DURCH PILZElassen sich Aromen „herstellen“ – die Fermentierung durch Hefe ist ein Beispiel. Jeder Käseliebhaber profitiert davon: Edelschimmel wird den Käselaiben zugefügt, woraus köstliche Camemberts oder Edelschimmelkäse entstehen. Durch das Einreiben mit Salzlake lassen sich die besten duftenden Rotschmierkäse herstellen, die Affineure zu bieten haben.
AROMEN AUS DEM FEUER: RÖSTEN UND RÄUCHERN
Rösten und Räuchern sind uralte Verfahren, um Speisen zu würzen. Die Rauch- und Röstaromen wirken als Würzung, die nicht durch herkömmliche Gewürze oder Kräuter nachzuahmen ist.
RÖSTEN
DIE MAILLARD-REAKTIONist beim Grillen und Rösten stets beteiligt. Bei dieser sogenannten nichtenzymatischen Bräunungsreaktion bilden sich unter großer, offener Hitze von mehr als 100 °C aus den Proteinbestandteilen der Aminosäuren und Zucker röstig-karamellig, nussig und brotrindenartig duftende Aromen, die Pyrazine. Das Aroma von Lebensmitteln wie gebratenem Fleisch, Brotkrusten, Kakao, Kaffee und gerösteten Nüssen lässt sich so beeinflussen. Wenn Zucker (Glukose) unter hohen Temperaturen auf die Aminosäure Asparaginsäure trifft, entstehen allerdings auch Schadstoffe wie Acrylamid. Das betrifft vor allem stärkehaltige Produkte wie Brot und Kartoffeln.
Der Vorteil der Pyrazine ist ihre niedrige
Wahrnehmungsschwelle. Man muss daher gar nicht immer das ganze Gericht auf den Grill oder in die Pfanne legen: Für einen deutlichen Würzeffekt ohne Dominanz genügen bereits ein paar „Röstpunkte“ auf einem ansonsten pochierten oder bei Niedrigtemperatur gegarten Fleisch, die mit einem Gourmetbrenner aufgetragen werden.
EIN RÖSTIGES WÜRZÖLlässt sich relativ einfach herstellen, weil Pyrazine und andere Röstprodukte fettlöslich sind. Dazu werden zum Beispiel 100 g Sonnenblumenkerne sehr dunkel angeröstet und mit 300 ml Sonnenblumenöl grob püriert. Nach einigen Tagen Marinierzeit (Mazeration) lässt sich das Püree abseihen und das gewonnene Öl filtern. Das Öl hat jetzt einen starken Röstcharakter.
FÜR RÖSTSCHMALZwerden Zwiebeln und Knoblauch mit reichlich Gänse oder Schweineschmalz kräftig angeröstet und danach in der Pfanne abgekühlt. Nach zwei, drei Tagen Marinierzeit wird es leicht erwärmt und abgefiltert. Wenn das Schmalz wieder abgekühlt und fest geworden ist, kann es als Röstfett zum Abschmecken von Saucen verwendet oder schlicht mit Salz auf Brot zum Aperitif genossen werden.
KAFFEE UND KAKAObringen in ihrem Aromenspektrum auch Pyrazine mit. Speisen können daher gänzlich ohne Feuer mit Röststoffen gewürzt werden, wenn man gemahlene Kaffee-, Kakaobohnen oder Kakaoschalen (grué de cacao) dazugibt.
Читать дальше