Und dann lieferten die beiden Engländer die Vorlage für eines der bekanntesten Fußballfotos der Welt. Gascoigne muss bei der Erinnerung an diese Szene schmunzeln: »Bei einem Freistoß stand Vinnie direkt vor mir und wartete. Plötzlich fasste er nach hinten und packte mich an den Eiern. Ich schrie vor Schmerzen. Ich dachte, niemand hätte gesehen, was passiert war, weil wir mit der Ausführung des Freistoßes zu tun hatten, aber ein Fotograf machte ein Bild von der Szene. Jemand muss ein Vermögen damit verdient haben, und mir und Vinnie hat es am Ende auch nicht geschadet.«
1992 erschien eine VHS-Kassette mit dem Titel »Soccer’s Hard Men«. Darin zu sehen waren die härtesten Fouls der Fußballgeschichte von Knochenbrechern wie Graeme Souness, Billy Bremner und natürlich Vinnie Jones. Der Vorstand seines damaligen Klubs FC Wimbledon distanzierte sich ausdrücklich von der »Crazy Gang« und hatte für Vinnie Jones keine wirklich netten Worte übrig: »Er hat das Gehirn einer Mücke.«
Roy Keane stand den harten Jungs in nichts nach. Der ehemalige Kapitän von Manchester United wurde in der Saison 1997/98 von Manchester Citys Alf-Inge Håland einer vorgetäuschten Verletzung bezichtigt, obwohl er sich das Kreuzband gerissen hatte und damit für viele Wochen außer Gefecht gesetzt war. Das hatte der englische Nationalspieler auch drei Jahre später nicht vergessen. Wie Keane in seiner Autobiografie zugab, foulte er Håland beim nächsten Zusammentreffen der beiden Spieler absichtlich so schwer, dass der Norweger seine Karriere beenden musste. Das Foul des Engländers zählt zu den ekelhaftesten der Fußballgeschichte – und wäre sogar bei Vinnie Jones ganz oben auf der persönlichen Hitliste gelandet.
Die Karriere des Jens Lehmann ist vorbei: »Jetzt gehe ich nach Hause!«
Jens Lehmann legte in seinen letzten Spielzeiten als Keeper des VfB Stuttgart die Messlatte für kommende Torwart-Generationen noch einmal sehr hoch. Vom Unterhaltungswert her wird der ehemalige Nationalkeeper so schnell wohl nicht zu übertreffen sein.
Gegenspielern auf die Füße steigen, Anhängern die Brille klauen, sich mit Balljungen anlegen, Schuhe wegschmeißen, Fans den Stinkefinger zeigen und Geschäfte hinter der Werbebande erledigen – alles in einem Jahr und alles hoch emotional im bewährten, sachlichen Lehmann-Stil. Seit der Torwart 1987 von Schwarz-Weiß Essen zum FC Schalke 04 wechselte, erlebte er eine Karriere auf Starkstrombasis.
Einer seiner ersten Trainer im Profibereich, Peter Neururer, sagte einmal über den jungen Lehmann: »In Freundschaftsspielen konntest du den nicht einsetzen.« Da war das Nachwuchstalent gerade bei einem Hallenturnier dem Zweitligatorjäger Michael Tönnies aus Duisburg mit gestrecktem Bein gegen das Knie gesprungen. Hastig versuchte Lehmann sich zu entschuldigen: »Ich will doch niemanden umhauen oder gar verletzen.« Doch Tönnies verweigerte immer noch geschockt und kopfschüttelnd die ausgestreckte Hand.
Etwa zur gleichen Zeit soll sich der fidele Lehmann in einem Trainingslager in Florida des Nachts im jugendlichen Übermut aus seinem Zimmer des Hotelhochhauses abgeseilt haben. Leider reichte das gespannte Tuch nicht ganz nach unten. Auf halber Strecke endete das Abenteuer auf dem Balkon des ob des überraschenden Besuchs erfreut grinsenden Trainers Peter Neururer, wie dieser einmal an einem launigen Abend aus dem Nähkästchen plauderte.
Doch auf den Keeper lässt der Marler Fußballlehrer nichts kommen. Als sich Lehmann am Ende der Spielzeit 2009/10 offiziell verabschiedete, erzählte Neururer eine fast unglaubliche Geschichte: »Kein Witz. Jens Lehmann ist der Lebensretter meines Sohnes! Zur Saison-Eröffnungsfeier war ein Podest vor dem Stadion aufgebaut, von dem mein kleiner Sohn runtergefallen ist. Unten stand Jens und hat ihn aufgefangen. Von da an war er meine Nummer 1.«
Eigentlich kommt Jens Lehmann also mit Kindern sehr gut aus. Und die Geschichte mit dem betrügerischen Balljungen ist ja mittlerweile auch vom Tisch. Man hat sich vertragen. Doch das Zitat dieses Tages wird bleiben. Lehmanns gesellschaftspolitischer Rundumschlag ist zudem ein schönes Schlusswort am Ende einer langen Karriere: »Jetzt gehe ich nach Hause und muss meine Kinder erziehen, damit wenigstens die korrekt werden!«
Reporter
»Dressel, die Bochumer Chef-Schwalbe.« Jörg Dahlmann
»Betriebsversammlung.« Markus Höhner zum Spiel Bayer Uerdingen gegen Bayer Leverkusen
»Wenn Sie jemandem einen Streich spielen wollen, schenken Sie ihm eine Dauerkarte fürs Weserstadion.« Jörg Wontorra nach einem 0:0
»Das war’s für mich. Ich hab’ geschrien, ich hab’ geflüstert, ich hab’ gegähnt, ich hab’ gezittert, ich hab’ gefroren, ich hab’ geschwitzt, aber ich hab’ Spaß gehabt. Jedenfalls meistens in diesen 36 Jahren.« Radiomann Manni Breuckmann bei der Schluss-Reportage seiner Karriere
»Wie auch immer es ausgehen mag, es war ein schwer erkämpfter Sieg für die Bayern.« Wilfried Mohren
»Wieder ein Konter. Wieder Cha Bum – was macht er? Wieder drüber!« Holger Obermann kommentiert eine Wiederholung
»Heute schlägt das Schäfer-Stündchen.« Jörg Wontorra über Winfried Schäfer
»Von Jürgen Kohler, den sie alle nur Kokser nennen, zurück zum heutigen Gegner Kolumbien – eine gelungene Überleitung, wie ich finde.« Wolf-Dieter Poschmann
»Pässe der Marke Lothar Matthäus – da möchte man Ball sein.« Johannes B. Kerner
»Je länger das Spiel läuft, desto weniger Zeit bleibt.« Marcel Reif
Poesie und Fußball: Die Dichter Berti Vogts und Kalle Rummenigge
Passend zur Weihnachtszeit 1993 überraschte Berti Vogts auf einer Pressekonferenz die versammelte Journalisten-Schar mit einem literarischen Erguss der besonderen Art. Mit weihevoller Stimme trug er vor: »Ein bisschen mehr Freude und weniger Streit, ein bisschen mehr Güte und weniger Neid, ein bisschen mehr Liebe und weniger Hass, ein bisschen mehr Wahrheit, das wäre doch was.«
Kurz nach der Veröffentlichung dieser Zeilen meldeten sich die ersten Zeitungsleser und erzählten erstaunt, dass sie dieses Gedicht in ihrer Jugend schon einmal gehört hätten. Und tatsächlich hatte Peter Rosegger (1843 – 1918), wie der Spiegel berichtete, bereits 1891 sehr ähnliche Verse verfasst. In Roseggers Version hieß es nur »Friede« statt »Freude« und das »doch« am Ende gab es nicht. Der Spiegel schrieb süffisant: »Vogts schützt nun eine Bildungslücke vor. ›Ich bin doch nicht so blöd und kupfere fremde Texte ab‹, ließ er den Express wissen. Er habe nur seine ›eigenen Gedanken aufgezeichnet. Rosegger kannte ich gar nicht‹.«
Knapp 16 Jahre später ereignete sich ein frappierend ähnlicher Fall um den Vorsitzenden des FC Bayern München, Karl-Heinz Rummenigge. Auf der Jahreshauptversammlung wollte der ehemalige Bundesligaprofi dem scheidenden Präsidenten Franz Beckenbauer mit einem Gedicht für seine Arbeit danken. Das ging gleich doppelt daneben. Rummenigge wurde für seine dargebotenen Zeilen zuerst belächelt und schließlich auch noch verklagt. Der Vorsitzende des FC Bayern hatte das Gedicht nämlich zu großen Teilen aus dem Internet von einer gewissen Anette Pfeiffer-Klärle kopiert. Über sie steht auf einer Webseite geschrieben: »Ihr Stil, in der heutigen Zeit reine Reime zu schreiben, bedarf immer größerer Beliebtheit.« Was immer dieser Satz auch bedeuten mag, er muss Karl-Heinz Rummenigge dazu bewogen haben, zu glauben, dass er damit einen Volltreffer bei seinem guten Freund Franz und dem rot-weißen Auditorium landet. 1.000 Euro Strafe sind Rummenigge diese Zeilen am Ende wert gewesen: »Lieber Franz, ich danke Dir. Ich danke Dir, ich danke Dir sehr. Ich danke Dir, das fällt uns nicht schwer. Ich danke Dir, danke Dir ganz doll. Weiß gar nicht, was ich alles sagen soll. Ich danke Dir, Du bist ein Schatz. Dies sage ich Dir in diesem Satz. Ich danke Dir, das fällt nicht schwer. Danke, danke, danke sehr. Und ein spezielles Dankesehr an 1860 für die Watschn an Dir.«
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