1 ...6 7 8 10 11 12 ...18 Nehmen Sie es deshalb ernst, wenn es in Ihrem Inneren Gefühlsregungen wie Schmerz, Zorn, Selbstablehnung, Angst oder eine tiefe Unsicherheit gibt. Solche Emotionen sind die Sprache Ihrer Seele. Sie geben Ihnen wichtige Hinweise darauf, dass Gott mit Sehnsucht darauf wartet, Ihre innere, emotionale Welt mit seinem erneuernden Einfluss zu durchdringen.
Erinnern Sie sich an das Luxusschiff »Aurora«? Es hatte fatale Folgen, dass die Betreiber dieses Schiffes scheinbar so einseitig in den äußeren, offensichtlichen Bereich dieses Schiffes investierten. Sie sorgten dafür, dass ihr Schiff nach außen hin luxuriös, stark, zuverlässig erschien. Sie gaukelten den Passagieren ein hohes Qualitätsniveau vor. In Wahrheit erwies es sich für seinen eigentlichen Zweck als unbrauchbar. Denn das Wichtigste des Schiffes, das Getriebe, die Technologie, die für eine gute Fahrt sorgen sollten, blieb mangelhaft. Diese Unausgewogenheit kann sich auch in unserem Leben einschleichen. Dann nämlich, wenn wir gewisse Bereiche unseres Lebens von der Beziehung zu Jesus Christus einfach ausklammern: unsere seelische Verfassung, unsere Tiefs, unsere Enttäuschungen, Verletzungen, Unsicherheiten, aber auch unser körperliches Befinden.
Sie können problemlos Christ sein und diese Trennung zulassen. Sie können so tun, als gäbe es diese Seiten in Ihnen gar nicht. Sie können sie fromm überdecken. Ein schnelles Gebet und weiter geht’s! Wenn Sie sich aber der Realität in Ihrem Inneren nicht stellen, werden Sie nicht in die Reife hineinwachsen, die Gott für Sie bereithält.
Das Ziel Gottes für Sie ist, dass Sie eine umfassend reife Persönlichkeit werden. Diese Reife umfasst Ihre innere Gesundheit. Sie führt in Ihrem Leben zu Ausgewogenheit. Das, was Sie glauben, was Sie in der Bibel lesen, wie Sie beten usw., steht dann in direkter Verbindung mit Ihrer inneren, emotionalen Welt. Sie beziehen dann wie selbstverständlich das eine auf das andere und trennen diese beiden Bereiche nicht länger voneinander ab.
Das Porträt eines reifen Menschen
Wie sieht das Leben eines reifen, ungeteilten Christen aus? Ich möchte es so definieren:
Reifer Glaube findet sich dort, wo ein Mensch in einer lebendigen, authentischen Beziehung zu Jesus Christus lebt, in die er seine ganze Gefühlswelt und auch seine Körperlichkeit einbezieht.
Emotionale Reife meint die angemessene Integration von Gefühlen in mein gesamtes (Glaubens-)Leben. Wie drückt sich solche Reife konkret aus? Die erste und tiefste Gewissheit eines solchen Menschen ist:
• Ich bin tief und bedingungslos von Jesus Christus geliebt. Ich muss darum niemandem etwas beweisen.
• Ich kann wahrnehmen, wie es mir geht und was ich fühle: meine Unsicherheit, meinen Schmerz, meine Enttäuschung. Ich kann beim Namen nennen, was in mir vorgeht. Gleichzeitig kann ich mich in Menschen hineinfühlen, die mir sagen, wie es ihnen wirklich geht.
• Ich übernehme Verantwortung. Was ich fühle, was mich stresst, was mich ärgert, hat mit mir selbst zu tun, nicht mit anderen.
• Ich kenne meine Vergangenheit. Ich bin mir der guten und auch der destruktiven Prägungen bewusst. Ich stelle mich ihnen und integriere die von Gott zur Verfügung gestellten Ressourcen, die es mir ermöglichen, dass die Vergangenheit überall dort an Einfluss verliert, wo sie sich zerstörerisch und hindernd auf mein Leben auswirkt und mich gefangen nimmt.
• Ich habe es nicht nötig, andere für meine Situation zu beschuldigen, wenn ich unter Druck stehe. Darum packe ich diese Dinge selber an und erwarte nicht, dass andere mein Problem lösen.
• Ich denke nicht, dass mein Partner, meine Kinder, meine Freunde alle meine Bedürfnisse erfüllen und stillen können. Ich kann sie darum freigeben und loslassen.
• Ich kann andere Menschen annehmen und sie mit all ihren Stärken und Schwächen wertschätzen. Ich habe es nicht nötig, andere zu kritisieren und zu verurteilen, weil sie anders sind als ich. Ich kann ohne schlechte Gefühle für sie beten, ihnen das Gute wünschen und sie segnen.
• Ich weiß von meinen eigenen Grenzen und Schwachstellen.
• Ich kenne die Bereiche in meinem Leben, in denen ich anfällig bin für Sünde und anderes Fehlverhalten. Ich erkenne an, dass diese Herausforderungen ein Teil meines Lebens sind. Dort, wo diese Grenzen und Schwachstellen negative Auswirkungen auf meinen Charakter und auf meinen Glauben haben, nehme ich Gottes Ressourcen und Hilfestellungen in Anspruch, um Veränderung und Erneuerung zu erfahren.
• Ich kann davon meine anderen Grenzen und Schwachstellen unterscheiden, die ein fester Bestandteil meiner einzigartigen Persönlichkeit vor Gott sind. Diese Grenzen bejahe ich, da sie von Gott gegeben sind und ich in ihnen das Geheimnis seiner Kraft in meiner Schwachheit erfahre.
• Im Gebet drücke ich meine Gefühle vor Gott aus und kann frei mit ihm darüber sprechen. Ich halte nichts von dem, was in mir vorgeht, zurück.
• Ich erlaube mir selbst, über schmerzhafte Verluste in meinem Leben zu trauern. Ich kann gegenüber Gott meine damit verbundenen Fragen und Zweifel ausdrücken und vor ihm klagen, wenn mir danach zumute ist. Ich verstelle mich vor Gott nicht aus Angst, der Zustand meiner Seele könnte Gott verärgern oder dazu führen, dass er mir seine Liebe entzieht.
Das sind einige Merkmale, wie sie sich im Leben eines geistlich-emotional gereiften Menschen finden. Ein solcher Mensch ist nicht perfekt. Aber er ist gut unterwegs. Unser Glaube an Christus soll weit mehr bewirken, als dass wir bloß zu Menschen werden, die die allgemeinen Grundregeln eines christlichen Verhaltens befolgen: beten, in den Gottesdienst gehen, sich für etwas Gutes ehrenamtlich einsetzen, mitarbeiten, an die Bibel glauben usw. Die Beziehung zu Jesus Christus will uns in den Tiefen unseres Lebens berühren und dort zur Reife führen.
Ein erster Schritt auf dem Weg zur Reife
Verspüren Sie in sich den Wunsch, eine ganzheitlich reifende Persönlichkeit zu werden? Möchten Sie die ersten Schritte auf diesem Weg kennenlernen und in Angriff nehmen? Dann lade ich Sie zu einer einfachen Übung ein, die Ihnen helfen soll, die emotionale Seite Ihrer Persönlichkeit bewusst Gott hinzuhalten, damit er diesen innersten Bereich Ihres Lebens berühren kann. So bringen Sie Ihre innere, emotionale Welt mit Ihrer Spiritualität in Verbindung. Sie integrieren den innersten Kern Ihres Herzens in Ihre Beziehung zu Gott.
Dieser Schritt erfordert vielleicht etwas Mut. Wenn Sie sich bisher noch nicht viele Gedanken über das gemacht haben, was sich im Innersten Ihrer Seele abspielt, dann fürchten Sie sich unter Umständen vor der Auseinandersetzung damit. Wenn die Auseinandersetzung mit dem, was Ihre Seele zutiefst prägt und ausfüllt, für Sie neu ist, dann schlagen Sie nun vielleicht ein neues Kapitel in Ihrem Leben auf. Sie ahnen, dass es weitere wichtige Veränderungsschritte nach sich ziehen könnte. Veränderungen sind immer mit Herausforderungen und teilweise schwierigen Folgeschritten verbunden. Veränderungen können verunsichern: »Was kommt alles zum Vorschein, wenn ich einen mutigen Blick in die Tiefe meines Herzens wage?« Aus lauter Angst vor dem, was dort schlummert, bleiben viele in ihrem alten, unreifen Verhalten stecken.
Ich möchte Sie dennoch ermutigen, das Wagnis einzugehen. Fürchten Sie sich nicht davor, die Weichen neu zu stellen und Gott an Ihr inneres, emotionales Leben heranzulassen!
Die Übung, die ich Ihnen vorschlage, besteht darin, ein einfaches, kurzes Gebet zu sprechen. Zuvor aber nehmen Sie sich einen Moment Zeit, werden Sie still vor Gott und drücken Sie ihm gegenüber Ihr Vertrauen und Ihre Liebe aus. Rufen Sie sich in Erinnerung, wie groß, vertrauenswürdig und treu Gott ist. Halten Sie sich vor Augen, wie viel Gutes er Ihnen schon geschenkt und gezeigt hat. Auf diesen gnädigen, liebevollen und starken Vater können Sie sich verlassen! Genießen Sie für einen Moment seine Gegenwart und ruhen Sie sich darin aus.
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