Heute, nachdem wir miteinander geschlafen hatten, legte ich mich auf ihn und roch den Duft von dem, was wir getan hatten. Hinterher hatte er die Arme ausgestreckt, wie er es häufig macht, und man könnte meinen, auf diese Weise empfinge er staunend und befriedigt den Himmel. Ich legte beide Arme auf die seinen, und wir spreizten die aufeinandergelegten Handflächen; wir sind etwa gleich groß, und unser Körperbau ist nicht unähnlich, so daß wir im wörtlichen Sinne zusammenpassen. Als ich mein Gesicht langsam in seinem Hals vergrub, spürte ich die Wärme und den Duft des Wohlgefühls, der beim Lieben entsteht, der liebliche Wohlgeruch der Liebe selbst. Sein Fleisch war überall, sowohl konkret als abstrakt. So lagen wir lange, wie Wesen, die bereitwillig und aus freien Stücken aufeinandergenagelt worden waren, um an einem gemeinsamen Kreuz sterben zu können. Ich lag wie im Traum da und nahm wahr, wie unsere Körper langsam zusammenflossen, so wie ein Regenwurm langsam in die feuchte Erde kriecht, ich spürte, wie Fleisch in anderes Fleisch hineinwuchs, und wir klebten zusammen durch den einen Leim, der alles leimen kann und nun außerhalb unserer Körper war, der zuvor jedoch innerhalb gewesen war. In dieser Stellung zeigt sich in gewisser Weise jenes Gefühl und Verlangen, daß wir ineinander sterben wollten.
Dann dachte ich auf einmal:
Nein, das ist nur Wunschdenken.
Auf diese Weise aufeinander gekreuzigt, schlummerten wir, oder vielleicht habe ich das nur geträumt. Ich glaube, daß die Träume der Menschen eine Erkundung der Leere der Tiefe sein müssen, daß der Traum auf Umwegen durch das Labyrinth der einen Gewißheit gehen muß, welche das vergängliche Dasein des Körpers ist. Nur er existiert mit Sicherheit, solange wir unser Leben fristen, und in diesem Moment habe ich kein anderes Bekenntnis als dieses:
Falls mich irgend jemand mit schönen Worten aufforderte, vom Kreuz herabzusteigen und wieder in die Gesellschaft anderer Menschen einzutreten, damit niemals ein Speer in mein gepeinigtes Fleisch und in meinen Unterleib gesteckt wird und kein Blut oder Wasser dort herausrinnt zum Zeichen der inneren Flut, und mir wäre das Himmelreich verheißen mit unzähligen Wohnstätten, Sicherheit bei meinem Vater und immerwährende Mahlzeiten in seinem Haus, und ich dürfte in alle Ewigkeit unter dem liebevollen Schutzmantel meiner Mutter wohnen und auf diese Weise im Schoße der heiligen Familie enden, so würde ich eher wählen, gekreuzigt an meinem Freund zu hängen, auch wenn die Welt das für eine Todsünde hielte und mich steinigte und verstieße, weil ich lieber in seinen Staub hineinsterben wollte, als das Leben in Versöhnung mit dem zu leben, was ich vor ungefähr fünfzehn Jahren heiratete und womit ich das erste Kind vor fünfundzwanzig Jahren hatte, als etwa Zwanzigjähriger.
Heute behauptete er, daß er nie etwas vor seiner Frau verheimliche, außer das mit uns. Das sagte er mir am Telefon, als er allein zu Hause mit Grippe dalag und mir mitteilte, daß er nicht kommen könne.
Außerdem habe ich Herpes, sagte er zu seiner Entschuldigung.
Als er sagte, daß er nicht kommen könne, und ich ihm verraten hatte, daß ich mich danach sehnte, krank bei ihm zu liegen, spürte ich zu meiner nicht geringen Verwunderung, daß es mir in verschiedener Hinsicht besser gefiel, mit ihm in Gedanken zusammen zu sein als in Wirklichkeit. Zu begehren ist oft besser als das andere – zu bekommen.
Es verschafft einem Befriedigung und Wohlbefinden, allein zu sein und auf den zu warten, den man liebt, aber von dem man weiß, daß er nicht kommt. Als ich darüber nachdachte, kam ich zu dem Ergebnis, daß das daher kommt, daß der, der abwesend ist, in Wirklichkeit stets nach unserem Willen bei uns ist, doch mit seiner Anwesenheit stößt er sich an dem meisten in unserem Verhalten, und am Ende verscheucht er sich ein für alle Mal selbst durch seine ständige Nähe.
Und was ist dann das, was kam?
Wenn jemand an einem bestimmten Mann oder einer Frau festklebt, dringt so wenig Phantasie in sein tägliches Leben, daß das, was vorher besonders und begehrenswert war, alltäglich wird, die Nähe vertreibt die Sehnsucht, und bei uns sitzt jemand, der nur in seiner egoistischen Gestalt einen Willen hat, der sich einem aufdrängt und das beste in den Gefühlen ausrottet. Wenn also die Nähe des Geliebten den Liebenden seiner Phantasie beraubt, dann werden langersehnte Begegnungen zu heftigen, aber toten Vorgängen, und dann entsteht das Bedürfnis, ihnen zu entkommen. Dann möchte man am liebsten Haus und Kindern entfliehen und in die Freiheit entkommen, die destruktiv ist, weil man nicht gewohnt ist, ungebunden zu sein, und weder von der Freiheit noch von der Freude eine Ahnung hat.
Statt Enttäuschung überkam mich eine eigenartigere und größere Ruhe, als ich sie bisher erfahren hatte. Doch der Friede hat auch eine quälende Seite, nämlich das Gefühl von Leere. Nichts ist frei von seinen Gegensätzen, außer dem Orgasmus, und daher ist er die vollkommene Einsamkeit und nur sie selbst, in dem kurzen Augenblick, der ihn zunichte macht.
Ich verließ das Arbeitszimmer und war ein guter Ehemann und Vater. Am Abend sagte die Frau, daß ich manchmal so zärtlich sein könne, daß sie für mich sterben könnte.
Läge es nicht näher, zu behaupten, Liebste, daß wir in der letzten Zeit unsere Ehe ein bißchen wie eine Lotterie betrieben haben? fragte ich.
Doch, freilich, gab sie zögernd zu und begriff nicht ganz, worauf ich hinauswollte, doch sie hatte sich bald wieder gefaßt und sagte fröhlich:
Dann habe ich heute abend wohl den Hauptgewinn gezogen?
Als ich sie das sagen hörte und wußte, wie sie sich selbst täuschte und ich sie, wurde ich bedrückt von ihrer Einfalt und von dem, worauf ich mich eingelassen hatte, und wollte sie über die Wahrheit aufklären. Doch am traurigsten wurde ich wegen mir selbst, daß ich sie nicht mehr liebte, und ich wünschte mir zutiefst, sie zu lieben, nur weil ich sie nicht liebte. Eine Zeitlang glaubte ich, sicher zu sein, daß eine solche Liebe im Wesen des Menschen existieren müßte, aufrichtige Liebe, die aus dem Fehlen von Liebe entsprungen wäre, aber als ich daran dachte, daß sie im Alltag ihren Anteil bekam, selbst wenn er nicht aus Liebe gegeben wäre, und sie damit zufrieden war, wandte sich mein Denken von dieser Geringfügigkeit ab, die nur das Gewissen betrifft. Ich wurde müde und ging schlafen wie sie; ohne Zweifel schnarchten wir vereint wie wahre christliche Eheleute, doch jeder ganz für sich, während wir im Schlaf einander den Rücken zukehrten.
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