Aber irgendwo ruht da doch noch dieser Satz: »Gut Ding will Weile haben.« Und eigenartigerweise setzt sich diese Weisheit gerade dort durch, wo Schnelligkeit segensreich und auch möglich wäre.
Da hat jemand ein seelisches Problem, mit dem er nicht fertig wird. Ein junger Mann kann sich nicht vom Elternhaus lösen. Die Eltern wären froh, wenn er endlich sein eigenes Leben leben würde. Er sieht das durchaus ein und will es ja eigentlich auch tun. Aber eine unbekannte Kraft hält ihn fest. Bei seinen Eltern fühlt er sich noch als Kind, und das ist ein schöner Zustand der Geborgenheit. Auf Vorhaltungen reagiert er meist sehr aggressiv, darauf folgen dann Phasen der Depression.
Wenn die Eltern genug Geld haben, landet er mit großer Wahrscheinlichkeit beim Therapeuten. Und der hat auf Grund seiner Ausbildung den tiefverwurzelten Glauben, hinter dem ohne Zweifel auch ökonomische Gründe stehen, daß solche wichtigen Veränderungen langsam stattfinden müssen. Vielleicht müssen sie sogar leidvoll sein. Auf jeden Fall aber braucht solch ein Fall viel Zeit. Es beginnt die Suche nach den Ursachen, irgendwann dann möglicherweise auch der Versuch, eine Loslösung von den Eltern zu erreichen. Manchmal löst sich das Problem von selbst, wenn die Eltern sterben, bevor die Therapie zu Ende ist. Aber dann gibt es noch Schuldgefühle ... Damit will ich nicht sagen, daß alle Veränderungen schnell erfolgen müssen. Es gibt Veränderungen, die Zeit brauchen. Thies Stahl schrieb dazu: »Mit Hilfe von NLP habe ich mehr als in allen anderen Therapieformen begriffen, daß es wichtig ist, sich Zeit zu lassen; manche Veränderungen lassen sich nicht über’s Knie brechen. Vielleicht war diese Einsicht gerade durch die schnellen Veränderungen möglich, die ich mit Hilfe des NLP erlebt habe und andere habe durchlaufen sehen. Bei allem Anspruch auf ›Wunderheilung‹, manche Vorbereitung, die als Anpassung an die neue Art des Daseins nötig ist, braucht vielleicht ein paar Monate oder Jahre ... Wenn ich nicht riskieren will, daß ich irgend etwas sehr Wichtiges verliere, meistens Beziehungen zu mir wichtigen Menschen, lasse ich mir Zeit.«42
In einer ganzen Reihe von Fällen aber sind Veränderungen schnell möglich, viel schneller, als es die meisten Menschen für möglich halten. Unser Gehirn lernt schnell, nicht langsam, und deswegen haben Menschen eine erstaunliche Lernfähigkeit. Gerade diese Lernfähigkeit ist ja die Ursache vieler Probleme. Am deutlichsten wird dies am Beispiel der Phobie, einer irrationalen Angst.
Andrea war als Fünfjährige vor einer Schlange tödlich erschrocken, auf die sie bei einer Wanderung plötzlich getreten war. Die Schlange hatte ihr nichts getan, denn es handelte sich um eine ungiftige Ringelnatter. Als aber ihre Mutter, die hinter ihr ging, sah, wie Andrea auf die Schlange trat, schrie sie vor Entsetzen auf. Sie ergriff einen Stock und schlug in panischer Angst auf das unschuldige Reptil ein.
Das Erschrecken, der Schrei, die Angst ihrer Mutter prägten sich in der kindlichen Seele unauslöschlich ein. Seit diesem Augenblick hatte Andrea ihr ganzes Leben lang Angst vor Schlangen. Selbst wenn sie einen Gegenstand sah, der einer Schlange entfernt ähnelte, jagte sie blindlings davon.
Ein einmaliges Erlebnis hatte genügt, um einen dauerhaften negativen Lernerfolg zu erzielen! Auch als ihr klar wurde, daß die Angst ihrer Mutter ihre eigene Angst mitverursacht hatte, änderte dies nichts an ihren Reaktionen. Sie kamen ohne ihr Zutun, und bald hatte sie es aufgegeben, sich dagegen zu wehren. Erst mit Unterstützung eines NLP-Therapeuten verlernte sie die Phobie genau so schnell, wie sie sie gelernt hatte. Ein intensiver Reiz oder eine starke Motivation können also dazu führen, daß Lernen sehr schnell erfolgt. Worauf es ankommt, ist die Art und Weise, wie der Lernvorgang vor sich geht. Ein Schüler, der lustlos Vokabeln paukt, erbringt den scheinbaren Beweis, daß unser Gehirn langsam lernt und viele Wiederholungen braucht. Der gleiche Schüler erfaßt das, was ihn interessiert, in Sekunden und behält es für immer.
Wer einmal beobachtet hat, wie sich achtjährige Knirpse über Computer und Programme unterhalten, der weiß, daß es einen Königsweg zum effektiven Lernen geben muß. Ein Weg, der in unseren Schulen leider nur selten bekannt ist. Ich betone noch einmal: Unser Gehirn lernt schnell. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, welche ungeahnten Konsequenzen sich daraus ergeben, wenn diese Aussage stimmt. Jeder Lernprozeß kann wesentlich schneller erfolgen, als es üblich ist, wenn man die richtige Methode kennt.
Auch eine Veränderung des Verhaltens ist ein Lernprozeß. Wenn man zum Beispiel einen Kunden davon überzeugen will, daß er eine bestimmte Ware kaufen soll, so ist das ein Lernvorgang. Das gleiche trifft zu, wenn man einen Mitarbeiter, der mit seinen Kollegen nicht auskommt, dahingehend beeinflussen will, daß er sich im eigenen Interesse ändern muß.
Zu wissen, daß jedes Verhalten schnell geändert werden kann, ist wichtig. Ebenso wichtig, wenn nicht noch wichtiger, ist es, den Weg zu kennen, auf dem dies geschieht.
Jedes Verhalten hat seinen Sinn
»Jedes Verhalten in einem bestimmten Kontext hat eine positive Funktion«, diesen Satz stellte ich einmal in einer studentischen Gruppe zur Diskussion. Prompt kamen unzählige Einwände. Welchen Nutzen hat ein Mensch, wenn er raucht, trinkt, krank wird, Angst hat ... ?
Ein Student fragte, worin denn wohl die positive Funktion oder der Nutzen seines Verhaltens liegen könne, über das er selbst sich jeden Tag ärgere. Er berichtete, daß er sich zur Zeit auf sein Diplom vorbereite und den ganzen Tag über sehr intensiv und konzentriert arbeite. Obwohl er auch für den Abend ein großes Arbeitspensum einplane, setze er sich regelmäßig, ohne lange nachzudenken, vor den Fernseher und schaue sich irgendeine Sendung an, die ihn im Grunde genommen überhaupt nicht interessiere.
Mir machte es große Freude, als ich hörte, wie spontan seine Kommilitonen den Sinn seines auf den ersten Blick sinnlosen Verhaltens erkannten. Als sie es ihm sagten, wunderte er sich, daß ihm das selbst bisher nicht klargeworden war. »Dein Körper zeigt dir einfach, daß du genug gelernt hast. Du bist erschöpft, und deshalb wäre es völlig falsch, weiterzumachen. Das Fernsehen hält dich davon ab, weiterzupauken.«
Ich brauchte kaum etwas zu sagen. Mehrere Studenten in der Gruppe hatten ähnliche Erfahrungen gemacht. Sie halfen ihm deshalb gezielt, ein neues Verhalten zu finden, mit dem er die gute Absicht in sinnvollerer Form erfüllen konnte. Sie schlugen ihm vor, den Tag so zu planen, daß er von vornherein für den Abend eine andere Beschäftigung vorsehen sollte: Spazierengehen, Sport treiben oder was immer ihm Spaß machte. Es sollte eine Tätigkeit sein, bei der er Kraft für die Arbeit am nächsten Tag schöpfen würde. Zuerst zögerte er, aber da er im Grunde schon längst erkannt hatte, daß sein angestrebtes Arbeitspensum unrealistisch war, akzeptierte er diese neue Lösung.
Ähnlich ging es einem anderen Studenten, der sich in den Semesterferien den Wecker stellte, um rechtzeitig aufzustehhen, und dann doch im Bett blieb. Er ärgerte sich, daß er zwei Stunden verschlafen hatte, in denen er hätte arbeiten können. Auch hier entdeckte die Gruppe mühelos den Nutzen seines Verhaltens. »Wenn du weitergeschlafen hast, war dies ein Zeichen, daß du noch müde warst. Wärst du aufgestanden, dann hättest du doch nicht gearbeitet, weil du dafür zu müde warst. Statt sich zu ärgern, solltest du dich in einem solchen Fall freuen, daß du jetzt ausgeschlafen und voller Energie bist. Mit dieser Energie kannst du sehr gut lernen und, wenn du willst, am Abend zwei Stunden länger aufbleiben.« Wir kamen dann noch zu dem Schluß, daß er, wenn er auf Dauer früher aufstehen wollte, dies nur schaffen würde, wenn er sein Verhalten langfristig planen und umstellen würde.
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