Der Junge ging zur Schule und gab sich Mühe. Sein Unbewußtes hatte den Auftrag gespeichert, und er war bereit, mit allen Mitteln dafür zu sorgen, daß der Befehl ausgeführt wurde. Als er dann nach einiger Zeit zum ersten Mal laut vorlesen sollte, strengte er sich besonders an. Und wie das meist so kommt, gerade wenn man etwas besonders gut machen will, geht es daneben. Er versprach sich, verhaspelte sich und fing an zu stottern. Die Klasse lachte, schlimmer aber noch, der Lehrer ebenfalls. Die erste Wunde war geschlagen. Mit jedem Mal wurde es schlimmer, fast zwanghaft. Das Stottern, das zuerst etwas ganz Natürliches gewesen war, war fest in ihm verankert.
Als dieser Student zu mir kam, stotterte er nicht nur, er hatte überdies den inneren Drang, hart zu arbeiten. Seine Studienleistungen waren überragend, er hätte es überhaupt nicht nötig gehabt, so viel zu lernen. Aber da war ja dieser unbewußte Auftrag, besser zu sein. Und er arbeitete bis an den Rand der Erschöpfung. Je erschöpfter er aber war, um so schlimmer wurde sein Stottern.
Verzichten Sie also auf jeden Vergleich, wenn Sie sich ein Ziel setzen.
Die nächste Forderung wird Ihnen auf den ersten Blick eigenartig erscheinen: Das Ziel soll sinnesspezifisch sein. Was haben die menschlichen Sinne mit einem Ziel zu tun? Sehr viel. Gerade die Sinne spielen bei jeder Kommunikation eine große Rolle. Sie sind nicht nur die Wahrnehmungskanäle zum Aufnehmen externer Informationen. Wenn es darum geht, diese Informationen innerlich zu verarbeiten, sind es wiederum die Sinne, auf die es dabei ankommt.
Sinnesspezifisch bedeutet also, daß Sie sich die Frage stellen: Woran werde ich erkennen, daß ich das Ziel erreicht habe? Wenn Sie das Ziel erreicht haben, werden Sie dann etwas wahrnehmen, etwas Bestimmtes sehen? Entstehen in Ihnen vielleicht innere Bilder, sehen Sie also etwas vor Ihrem geistigen Auge? Wie werden Sie es sehen, in welchen Farben oder in welcher Größe?
Sie können auch etwas hören. Wird jemand etwas sagen? Werden Sie eine innere Stimme hören, die Ihnen zu verstehen gibt, daß Sie das Ziel erreicht haben?
Dann könnte es sein, daß Sie ein bestimmtes Körpergefühl haben. Sie könnten freier atmen oder ein warmes Gefühl in der Magengegend haben.
Ja, sogar riechen oder schmecken kann Ihnen anzeigen, daß Sie Ihr Ziel erreicht haben. All das sind sogenannte Zielerkennungsphänomene.
Das ist alles schon etwas verrückt, meinen Sie nicht? Bilder vor dem geistigen Auge sehen, sind das nicht Halluzinationen? Oder eine innere Stimme hören, als hätte man einen kleinen Mann im Ohr? Gehören Menschen, die so etwas erleben, nicht in die Klapsmühle?
Wie verrückt es auch erscheint, es ist nicht verrückt. Alle Menschen sehen mehr oder weniger häufig und klar Bilder vor ihrem geistigen Auge, hören eine innere Stimme, spüren Gefühle, manchmal als Schmerz, bevorzugt in der Brust oder in der Magengegend, haben plötzlich einen bestimmten Geruch in der Nase und so weiter. Der Unterschied besteht lediglich darin, daß die einen das zugeben und es sich vielleicht sogar bewußtmachen, während andere es verleugnen oder auch alle solche Bilder, Töne oder Gefühle sofort verdrängen.
Unzählige erfolgreiche Menschen, die in ihrem Leben großen äußeren Erfolg haben, tun dies auf Kosten des Innenlebens. Alle Gefühle werden rigoros unterdrückt, es zählt nur, was der Verstand akzeptieren kann. Irgendwann aber wird der innere Druck zu stark, brechen die Gefühle nach außen, kommen Unruhe, Ängste, Verzweiflung, manchmal sogar ein psychischer und physischer Zusammenbruch. Nicht nur Manager um die Fünfzig erleben diesen Zustand, der dann vornehm als Midlife-crisis umschrieben wird.
Deshalb, wer immer sich ein Ziel setzt, sollte sich dabei fragen, woran er sinnesspezifisch erkennen wird, daß er das Ziel erreicht hat.
Eine ökologische Überprüfungsichert den Erfolg
Rainer war vierzig und hatte es satt, allein zu leben. In seiner Vorstellung malte er sich aus, wie schön es wäre, wenn er abends nach Hause käme und seine Frau ihn erwarten würde. Das Essen stände auf dem Tisch, und nach dem gemeinsamen Mahl würden sie vor dem Kamin sitzen, lesen, sich unterhalten, ein Glas Wein trinken und gute Musik hören ...
Bis jetzt war er immer vor dem Schritt zur Ehe zurückgeschreckt, denn an jeder Frau, die er kennenlernte, hatte er etwas auszusetzen. In einer Art Torschlußpanik gab er jede Vorsicht auf und heiratete eine zwölf Jahre jüngere Frau. Es kam, wie es kommen mußte. Sehr bald stand kein Essen auf dem Tisch, wenn er heimkam. Seine junge Frau hatte kein Bedürfnis, abends am Kamin zu sitzen. Sie wollte ihr Leben genießen, ausgehen, Freunde treffen, sich amüsieren ...
Rainer hatte unterlassen, das zu tun, was im Leben eines jeden Menschen selbstverständlich sein sollte. Er hatte die drastischen Veränderungen in seinem Leben, zu denen er sich entschlossen hatte, nicht »ökologisch« überprüft.
Ganz gleich, ob Veränderungen langsam oder schnell erfolgen, immer ist es wichtig, die Folgen zu bedenken. Der sogenannte Ökocheck dient dazu, sich darüber klarzuwerden, ob die gewünschte Veränderung harmonisch in das zukünftige Leben passen wird.
Nicht wenige Therapien erreichen leider das Gegenteil. Eine Frau zum Beispiel schaffte es mit Hilfe eines Therapeuten, ihre sexuellen Hemmungen aufzugeben. Statt sich darüber zu freuen, war ihr Mann schockiert. Durch das neue Verhalten seiner Frau fühlte er sich in seiner männlichen Überlegenheit bedroht. Übrigens hatte er selbst sie zum Therapeuten geschickt! Damit soll nicht gesagt werden, daß der Frau nicht geholfen werden soll, nur weil der Mann mit der neuen Situation nicht zurechtkommt. Absolut notwendig ist vielmehr auf jeden Fall, auch den Mann zur Therapie hinzuzuziehen!
Wenn Sie Ihrem ängstlichen Kind helfen, selbstsicher zu werden, dann müssen Sie ihm auch zeigen, wo seine Grenzen liegen. Unter Umständen ist es sogar notwendig, ihm beizubringen, wie es sich verteidigen kann, sonst wird es sehr bald von stärkeren Kindern verprügelt werden. In diesem Fall ist eine Veränderung nur sinnvoll, wenn gleichzeitig die erforderlichen Voraussetzungen, Politiker würden von flankierenden Maßnahmen sprechen, verändert werden.
Ein Großteil aller menschlichen Probleme rührt daher, daß die vielfältigen Konsequenzen einer Handlung nicht genügend bedacht werden. Unser Leben ist nicht eindimensional. Alle Lebensbereiche und -funktionen sind vernetzt, hängen voneinander ab, und diese Abhängigkeiten sind so komplex, daß sie häufig das menschliche Denkvermögen überfordern. Das gilt für den einzelnen ebenso wie für Familien, Gruppen oder Staaten. Die Belastung unserer Umwelt ist das beste Beispiel dafür, wie gerade wirtschaftliche und politische Entscheidungen in ihren letzten Konsequenzen nicht mehr übersehbar sind.
Als Ergebnis der ökologischen Überprüfung muß deutlich werden, welche Auswirkungen sich im Leben ergeben werden und ob der Betreffende bereit ist, die Konsequenzen zu tragen, oder ob erst bestimmte Rahmenbedingungen geändert werden müssen.
Da die neuen Kommunikationstechniken immer stärkeren Eingang ins Wirtschaftsleben finden, betone ich noch einmal, daß ein Ökocheck nicht nur beim einzelnen Menschen sinnvoll ist. Wie häufig ist es schon vorgekommen, daß in einem Unternehmen eine neue Organisationsstruktur eingeführt wurde, nachdem ein Unternehmensberater lediglich die Führungskräfte von der Notwendigkeit der Umorganisation überzeugt hatte. Ein Ökocheck hätte viele Kosten erspart. Wenn die betroffenen Mitarbeiter die neue Organisation nicht akzeptieren, weil sie vorher nicht gefragt und informiert wurden, dann werden die Reibungsverluste sehr groß sein. Eigentlich sollte ein partnerschaftliches Verhalten in jeder Firma eine Selbstverständlichkeit sein. In der Realität aber wird das Betriebsklima nicht selten von strengen hierarchischen Strukturen beherrscht. Hier könnte ein Umdenken einen sehr positiven Einfluß haben.
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