•Die SANI2-Daten müssen innerhalb von 20 Tagen nach ihrem Inkrafttreten an die Kommission gesendet sein und es muss ein Jahresbericht in elektronischer Form (SARI) an die Kommission übermittelt werden (Art. 11 AGVO). Den Zugang zum Tool vergeben die für Beihilferecht zuständigen Ministerien der Länder.
•Da eine Ex-post-Prüfung durch die Kommission durch jährliche Stichproben erfolgen kann, sind gemäß Art. 10 AGVO Aufzeichnungen und Unterlagen, mit denen die Einhaltung der Freistellungsvoraussetzungen der AGVO belegt werden kann, für zehn Jahre ab dem Tag der Beihilfegewährung aufzubewahren.
1.4.2Besondere Freistellungsvoraussetzungen
Daneben müssen die besonderen Voraussetzungen des Kapitels III der AGVO erfüllt werden. Der Freistellungstatbestand für Sport- und multifunktionale Freizeitinfrastrukturen ist in Art. 55 AGVO geregelt. Das Bad dient der Bevölkerung als Schwimmbad, bietet derselben Zielgruppe aber auch weitere Dienstleistungen (Sauna- und Wellnessangebote) an. Es ist demnach davon auszugehen, dass es sich beim Bad um eine Sport- und/oder eine um multifunktionale Freizeitinfrastruktur handelt. Es ist daher zu prüfen, ob das Bad die Freistellungsvoraussetzungen des Art. 55 AGVO erfüllt:
•Die Sportinfrastruktur wird „ nicht ausschließlich von einem einzigen Profisportnutzer genutzt “ (Art. 55 Abs. 2 AGVO). Das Bad steht vielen verschiedenen Badegästen und nicht nur einem einzigen Profisportler zur Verfügung.
•Das Bad umfasst zudem sowohl Sport- als auch Freizeiteinrichtungen (z. B. den Saunabereich) und ist damit eine Infrastruktur mit multifunktionalem Charakter (Art. 55 Abs. 3 AGVO). Es handelt sich bei dem Bad auch weder um einen Freizeitpark noch um ein Hotel, sodass auch diese Voraussetzung erfüllt wird.
•Die Sport- und multifunktionale Freizeitinfrastruktur steht allen Nutzern zu transparenten und diskriminierungsfreien Bedingungen offen. Genauer gesagt steht der Zugang zum Bad allen zahlenden Nutzern offen (Art. 55 Abs. 4 AGVO).
•Wenn eine Sportinfrastruktur von Profisportvereinen genutzt wird, muss sichergestellt werden, dass die Nutzungspreise und -bedingungen öffentlich bekanntgemacht werden (Art. 55 Abs. 5 AGVO). Da das Bad nicht von Vereinen genutzt wird, die Schwimmen als Profisport anbieten, müssen die Nutzungspreise und -bedingungen nicht öffentlich bekanntgemacht werden.
Gemäß Art. 55 Abs. 7 lit. b, Abs. 9 AGVO können somit Betriebsbeihilfen für Sport- und multifunktionale Freizeitinfrastrukturen gewährt werden: Bei Betriebsbeihilfen sind die Betriebskosten der Infrastruktur beihilfefähig (Art. 55 Abs. 9 AGVO). Dazu zählen Kosten für Personal, Material und Fremdleistungen sowie Kommunikations-, Energie-, Wartungs-, Miet- und Verwaltungskosten, nicht aber die Abschreibungs- und Finanzierungskosten, wenn sie bereits Gegenstand von Investitionsbeihilfe waren. Bei Betriebsbeihilfen darf der Betrag zudem nicht höher als die Betriebsverluste in dem betreffenden Zeitraum sein. Dies ist vorab oder über einen Rückforderungsmechanismus zu gewährleisten. Da die Beihilfen nur dem Ausgleich seiner Verluste dienen, können sie gewährt werden.
Gemäß Art. 55 Abs. 7 lit. a AGVO können aber auch Investitionsbeihilfen für Sport- und multifunktionale Freizeitinfrastrukturen gewährt werden, sodass in Zukunft auch größere Investitionen in die Infrastruktur des Bades gerechtfertigt werden können.
1.5Freistellung nach dem Freistellungsbeschluss
Auch wenn die Beihilfen bereits auf Grundlage der AGVO möglich sind, bedeutet dies nicht, dass sie nicht auch auf Grundlage des „Freistellungsbeschlusses“ 48gerechtfertigt werden können. Anwendbar ist der Freistellungsbeschluss auf Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem, wirtschaftlichem Interesse (DAWI) erbringen. Der Begriff der DAWI wird bereits im Primärrecht der Europäischen Union in Art. 106 Abs. 2 AEUV erwähnt. Aus der Vorschrift ergibt sich, dass das Beihilferecht auf Unternehmen, die DAWI erbringen, zwar grundsätzlich anwendbar ist, dies aber nicht dazu führen darf, dass die Erfüllung von DAWI durch die Unternehmen beeinträchtigt wird. Auf dieser Vorschrift beruht auch der „Freistellungsbeschluss“, der bestimmt, unter welchen Voraussetzungen einem Unternehmen Ausgleichsleistungen für die Erbringung von DAWI gewährt werden dürfen. Bei der Definition von DAWI wird den Mitgliedstaaten ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt, sodass die Kommission lediglich prüft, ob den Mitgliedstaaten ein offenkundiger Fehler unterlaufen ist. Da die Kommission die Grenzen des Ermessensspielraums zuletzt allerdings immer enger gezogen hat (z. B. werden Tätigkeiten der Wirtschaftsförderung grundsätzlich nicht mehr als DAWI angesehen), sollte genau geprüft werden, ob es sich bei der wirtschaftlichen Tätigkeit um eine im Allgemeininteresse liegende Dienstleistung handelt, die von Unternehmen zu normalen Marktbedingungen nicht oder nicht zufriedenstellend erbracht werden kann (Marktversagen).
Der Sportbereich des Bades wird von Schulen und Vereinen dazu genutzt, um Menschen das Schwimmen beizubringen und durch das Angebot zur Volksgesundheit beizutragen, sodass er zum Wohle der Bürger und im Interesse der Gesellschaft als Ganzes betrieben wird. Da solche Angebote zu allgemein verträglichen Preisen am Markt nicht oder in nicht ausreichender Qualität oder Quantität existieren, dürfte der Betrieb des Bades als DAWI einzuordnen sein. Anders könnte es jedoch beim Freizeitbereich des Bades aussehen, da Wasserrutschen und Saunen in ausreichender Qualität und Quantität auch von privaten Wettbewerbern angeboten werden, sodass bei diesen eine Einordnung als DAWI kritisch zu sehen ist.
Die Verluste des Sportbereichs des Bades dürfen also in jedem Fall ausgeglichen werden können. Um sich erfolgreich auf den Freistellungsbeschluss berufen zu können, bedarf es aber auch eines formelle Betrauungsaktes. Der Inhalt eines Betrauungsaktes wird in Art. 4 Satz 2 des Freistellungsbeschlusses dezidiert vorgegeben. Neben den DAWI (Betrieb des Sportbereichs) müssen die Parameter für die Berechnung der Ausgleichsleistungen und die Maßnahmen zur Vermeidung einer Überkompensation beschrieben werden.
Art. 5 Abs. 9 des Freistellungsbeschlusses setzt überdies voraus, dass die DAWI buchhalterisch von den übrigen wirtschaftlichen Tätigkeiten getrennt werden. Die Vollkosten des Bades (Betriebskosten, Abschreibungen, Finanzierungszinsen, Instandhaltung, etc.) müssen dazu auf die DAWI (Sportbereich) und anderen wirtschaftlichen Tätigkeiten (Freizeitbereich) aufgeteilt und den jeweiligen Einnahmen gegenübergestellt werden. Mit dieser Trennungsrechnung soll eine Quersubventionierung der anderen wirtschaftlichen Tätigkeiten ausgeschlossen werden.
Im Gegensatz zum Inhalt stellt Art. 4 des Freistellungsbeschlusses die Umsetzung des Betrauungsaktes weitestgehend in das Ermessen der Mitgliedstaaten. Grundlage eines jeden Betrauungsaktes ist der Beschluss der Kommune. Da der Beschluss der Kommune für sich genommen noch keine Außenwirkung hat, bedarf es für die Auferlegung der Pflichten aus dem Betrauungsakt schließlich noch einer Umsetzung. In Deutschland ergeht der Betrauungsakt üblicherweise in Form eines Verwaltungsaktes oder bei einer von der Kommune beherrschten Gesellschaft in Form einer gesellschaftsrechtlichen Weisung. Da in unserem Ausgangsfall die Stadtwerke GmbH von der Stadt beherrscht wird, könnten die Vertreter der Stadt in der Gesellschafterversammlung der Stadtwerke GmbH angewiesen werden, die Geschäftsführung zur Beachtung des durch den Rat der Stadt gefassten Betrauungsaktes anzuweisen.
Die Defizite des Sportbereichs dürfen demnach auf Grundlage eines Betrauungsaktes nach Maßgabe des Freistellungsbeschlusses ausgeglichen werden.
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