1 ...7 8 9 11 12 13 ...25 »Lass gut sein, Dale«, murmelte Ron zerstreut.
Dale konnte nicht verstehen, dass Ron zwar komplett paranoid war, was die Aufnahme Fremder in ihre Gemeinschaft anging, aber keine echte Bedrohung erkannte, wenn sie sich genau vor ihnen auftat. Soweit Dale wusste, war er mindestens zwei Mal beinahe von Bikern kaltgemacht worden. Besonders schwer tat er sich damit, dass ihm Ron nicht mehr Vertrauen schenkte, wo er doch bei der Polizei geheime Identitäten angenommen hatte und sich deshalb im Umgang mit gesetzlosen Motorradgangs bestens auskannte. Sal hingegen hängte sein Fähnchen immer nur in Rons Wind.
Die Zwei bestanden darauf, dass er diesem Mann eine Chance gab.
Eine Chance, uns alle umzubringen, dachte Dale. Für ihn strahlte der Typ allein schon wegen seines generellen Auftretens etwas Komisches aus. Anhand von Faktoren wie Körperhaltung, Sprechweise und Wortwahl würde er ihn irgendwo in der Unterwelt des Verbrechens einordnen. Dale störten auch Einzelheiten wie die weiße Haut an mehreren Fingern, wo der Kerl recht dicke Ringe getragen haben musste. Er hatte außerdem zahlreiche Piercings in den Ohren, die er noch nicht lange besitzen konnte, weil die Wunden noch dabei waren zu verheilen. Dies hatte Dale in den ersten fünf Minuten erkannt, nachdem Francis aufgekreuzt war. Nicht vergessen durfte man natürlich das langärmelige Flanellhemd, das er während der ungefähr sieben Tage, die er nun schon bei ihnen war, nicht ein einziges Mal ausgezogen hatte. Dale vermutete, dass es einen von Tätowierungen übersäten Körper verbarg, der die Lebensgeschichte des alten Francis erzählte. Außerdem war da noch der breite Verband an seinem Hals, bestimmt zum Verstecken eines weiteren Tattoos, was der Hemdkragen allein wohl nicht vermochte. Er hielt ihn mit großer Wahrscheinlichkeit für einen Biker, obwohl er vielleicht auch nur locker mit solchen in Verbindung stehen könnte. Waren es vielleicht sogar jene, gegen die sich die Gruppe kürzlich erst behauptet hatte? Dale befürchtete, dort draußen könne es noch mehr von ihnen geben.
Schließlich lächelte er und nickte. »War nur ein Scherz. Ich wollte dich bloß Alvin vorstellen.«
»Schön.« Francis versuchte, ebenfalls zu lächeln, doch es gelang ihm nicht.
Scheiß drauf, Weed, ein schönes Gesicht für die Cops zu machen ist eben unnatürlich, dachte er. Stell dich am besten neben den Schwarzen, das macht einen guten Eindruck. Deshalb trat er an Rons Seite, um zu präsentieren, dass er sich wohlfühlte und ihre Kameradschaft schätzte.
Im Laufe der Jahre hatte er gelernt, dass sich Menschen leicht von zahllosen kleinen Tricks wie diesem steuern ließen. Sie gehörten sogar zu seinem Kampfstil. Da dieser äußerst schmutzig war, denn er selbst war ein abgefeimter, fieser, rundheraus grausamer Mistkerl, tat er sich keinen Zwang an, jemandem zuzulächeln, zum Himmel zu zeigen und ihm dann möglichst kräftig in die Hoden zu treten. Er trat auch nach, wenn seine Gegner bereits am Boden lagen, und fuhr damit fort, bis er erschöpft war. Und dann … ja dann fing er an, mit den Füßen auf ihnen herumzustampfen.
Weed stemmte die Hände in die Hüften, während er sich mit leicht gespreizten Beinen hinstellte, und auf den Fremden hinabschaute. Dessen ethnische Wurzeln mochten in einem Dutzend unterschiedlicher Länder liegen, doch für Weed war er einfach nur ein Chinese.
Mann, sind seine Augen auf oder zu?, fragte er sich, wobei er unwillkürlich schmunzeln musste. Verdammt, er musste beim nächsten Mal, wenn es wichtig war, ein Lächeln zu erzwingen, einfach nur darauf achten, an etwas Lustiges zu denken. Als er den »Chinesen« betrachtete, fielen ihm lauter Witze ein, die er mit der Zeit aufgeschnappt hatte, über gelbe Haut und Schlitzaugen. Dabei musste er umso breiter grinsen.
»Sieht für mich grundanständig aus, der Kerl«, sagte er weiterhin lächelnd. Während er mit diesen Worten einem Gefühl Ausdruck verlieh, zeugte sein Strahlen von einem anderen, deutlich niederträchtigerem Gedanken, doch beides zusammengenommen ließ ihn einfach sympathisch wirken, so als würde er seinen Mitmenschen akzeptieren, egal wie anders er auch aussah.
»Okay«, rief Ron dem Mann zu, der sich als Alvin ausgegeben hatte. »Du darfst hochkommen, wenn du unseren Bedingungen zustimmst, in Ordnung?«
»Selbstverständlich.« Alvin lächelte und hielt ihm einen ausgestreckten Daumen entgegen.
»Ich werde nun wieder zu den Kisten hinübergehen.« Francis wandte sich ab und schnitt eine düstere Grimasse.
Bedingungen, ha! Die Penner haben mich abgetastet und mir mein Messer weggenommen – aber wisst ihr schon das Neuste, ihr Ärsche? Ich hab mir einfach 'ne Kanone besorgt.
Auf der zweiten Ebene standen die meisten Fahrzeuge, die im Gebäude geparkt hatten. Alle auf der unteren Ebene waren hinausgefahren worden, um mehr Platz zu schaffen, was natürlich zugleich auch der Sicherheit der Gruppe zugutekam. Es waren leider nicht mehr so viele, da der Großteil der Flächen im Erdgeschoss Shuttlebussen und Transportern galt, die wiederum alle mehr als eine Meile weit entfernt in ihren Garagen am Flughafenterminal standen. Beim Durchstöbern einer Reihe der Wagen auf der zweiten Ebene – es waren ungefähr fünfundvierzig gewesen – hatte Weed eine Schachtel Patronen gefunden, und dazu sogar noch ein paar Krümel Gras für seinen ständig schwindenden Vorrat. Weil es ihm bald ausgehen würde, zerbrach er sich schon jetzt den Kopf darüber, wo er noch welches auftreiben könnte. Was er jetzt vor allem wollte, waren ein paar Pflanzen, damit er mit dem Anbau beginnen konnte.
Dale grinste schief. Jepp, definitiv ein Biker. In diesem Milieu bezeichnete man Autos gern als »Kisten«. Francis hatte auch schon andere Slang-Ausdrücke fallen gelassen oder war sich nicht bewusst gewesen, dass diese insbesondere unter Motorradfahrern verwendet wurden. Dale konnte sich schon vorstellen, dass der Alte wirklich nur überleben und deshalb die »Normalos« nicht verängstigen wollte. In jedem Fall würde er trotzdem ein strenges Auge auf ihn werfen.
Gemeinsam mit Ron ließ er nun den Fahrstuhl hinunter. Weed baute weiter Batterien aus und trug diese auf einem Rollwägelchen zusammen. Wenn er die Wagen öffnete und die Motorhaube hochzog, durchsuchte er sie außerdem auch von innen. Er fand zwar in keinem sonderlich viel, aber immer wieder mal interessante und nützliche Gegenstände, bloß dass abgesehen von der Pistole und der geringen Menge Marihuana kaum etwas davon der Rede wert war. Außerdem grübelte er wie immer die ganze Zeit über eine schwierige Frage nach: Wie konnte er das Problem zwischen ihm und dem Cop lösen?
Er fühlte sich nicht dazu berechtigt, Dale einfach so umzulegen, aber krass gegen den Strich ging ihm der Kerl trotzdem.
Weed hatte sich einzig und allein mit der Absicht bei der Gruppe eingeschleust, sie ausnahmslos abzuschlachten und vielleicht die eine oder andere Braut zu vögeln. Zuerst hatte er sie für die Tode seiner Brüder und Mitbiker verantwortlich gemacht, denn die Männer waren ja tatsächlich von ihnen umgebracht worden, aber dann hatte er erkannt, dass dem Ganzen viel mehr zugrunde lag. Ein früherer Biker namens Banjo hatte ihn gerettet und ihm alles über den Schwarzen erzählt, also darüber, dass er ihre Maschinen kaputtgemacht hatte. Was Banjo alles losgetreten hatte, nämlich mit seinem Vorhaben, den Nigger zu lynchen, war Weed jedoch vorenthalten geblieben. Dies relativierte seinen Blutdurst wieder ein wenig, denn Banjos Unaufrichtigkeit ließ ihn fortan einfach nicht mehr los. Wäre ihm klar gewesen, das Banjo gezielt und mit ganz eigenen Absichten zum Klubhaus gekommen war, hätte das alles bestimmt einen ganz anderen Verlauf genommen.
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