»Das hier ist nicht sein Gebiet!«, rief der Riesenprinz empört. Er hatte es bis hierher geschafft – es konnte doch nicht möglich sein, dass es selbst hinter der Grenze kein Entkommen vor diesen Leuten gab!
»Das Land gehört ihm nicht, aber du schon.« Der Sprecher gestattete sich endlich ein Grinsen. »Wirel, der Fürst dieses Landes, ist ganz und gar nicht zufrieden damit, dass sich hier Diebesgesindel niedergelassen hat, das versucht, die Edlen des Königreiches Laring um seinen Tribut zu betrügen. Du wirst uns unverzüglich folgen. Des Weiteren verlangt Fürst Wirel den üblichen Wegzoll von diesem Pack.«
Er hatte sich umsonst geopfert, hatte umsonst tagelang in der Knechtschaft ausgeharrt. Es hörte nicht auf. Es hörte einfach nicht auf!
»Wie lange soll das noch so gehen?«, fragte Sorayn. »An der nächsten Grenze wieder? Und dann wieder? Wird jeder Landesherr sich einen Leibeigenen aus unserer Mitte nehmen? Wie sollen wir so je in den Süden kommen?«
»Sei ruhig«, bat Toris. »Reize sie nicht noch mehr. Siehst du nicht, wie viele es sind? Das ist eine halbe Armee. Dagegen hast selbst du keine Chance.«
»Wir können keinen von uns opfern«, sagte eine der Zinta-Frauen gequält. »Haben wir nicht beim letzten Rat beschlossen, dass wir uns nicht trennen wollen? Wir werden für den Fürsten arbeiten, wenn es nicht anders geht, aber wir bleiben zusammen.« Tränen füllten die feinen Gräben in ihrer braunen Haut.
»Eine kluge Entscheidung.« Der Soldat nickte. »Aber der Große dort wird bestimmt wieder Schwierigkeiten machen. Kreist ihn ein.«
Die Männer schienen nur auf diesen Befehl gewartet zu haben; sofort ritten sie auf ihn zu. Ihre Pferde trampelten über alles hinweg; eins der erhobenen Schwerter durchtrennte eine Wäscheleine.
»Rasch!«, riefen ein paar Zintas. »Lauf, Sorayn! Du kannst uns doch nicht mehr helfen! Lauf, bevor alles noch schlimmer wird!«
Er hatte nicht die Absicht, wegzulaufen. »Bringt die Kinder in den Wagen. Lasst sie nicht zusehen.« Die Soldaten versuchten, ihn zu umkreisen. Er blieb stehen und wartete, bis sie Stellung bezogen hatten. »Ergib dich!«, brüllte einer, der wohl ihr Anführer war.
»Es wird nur schlimmer«, rief Toris. »Immer nur noch schlimmer! Kämpf nicht für uns, das bringt nichts. Denk an Maja. Lauf! Lauf!«
Aber Sorayn konnte diese erneute Androhung von Gewalt nicht hinnehmen. »Versucht es«, sagte er. »Ihr werdet sehen, was ihr davon habt.«
»Glaubst du, du hast auch nur den Hauch einer Chance? Wenn sie dich an die Mühle geschmiedet haben«, kündigte der Hauptmann an, »werden sie dich blenden. Man braucht keine Augen, um das Rad zu drehen.«
Der Schmerz brach aus ihm heraus. Der junge Riese brüllte auf, griff nach einem der Speere, die auf ihn gerichtet waren, und wirbelte herum. Die Soldaten, die um ihn herumstanden, fegte er zusammen wie Unrat. Der Rappe des Offiziers stieg; Sorayn pflückte den Mann herunter und schleuderte ihn gegen die Angreifer, mitten hinein in die scheuenden, wiehernden Pferde. Irgendwo kreischten ein paar Frauen, während Sorayn wie ein Sturm über die Feinde kam, ein Herbststurm, wie ihn noch keiner erlebt hatte. Seine Wut entlud sich über ihnen. Er merkte nicht einmal mehr, ob sie schrien, ob sie schnell starben oder nicht und ob sie ihn um Gnade anbettelten. Blitze zuckten durch seine Adern, seine Faust krachte wie der Donner in sie hinein, ein Unwetter, das nicht enden wollte. Den Flüchtigen setzte er nach, riss sie von den Pferden, stampfte sie in den Boden.
»Oh bitte! Oh bitte, bitte, bitte!«
Aber er musste tun, was der Schmerz ihm befahl.
Irgendwann erreichte die Stimme sein Ohr.
»Oh bitte!«
Da standen die Ziehenden und schauten ihn an. Männer und Frauen und Kinder.
Nun würde man auch sie jagen wie tollwütige Füchse … Nun gab es erst recht keinen Ausweg mehr. »Es wird immer nur noch schlimmer«, flüsterte er. »Du hattest recht, Toris.« Er starrte auf seine blutigen Hände.
»Du musst damit aufhören«, sagte sein Schwiegervater leise. Der Einzige, der noch neben ihm stand, der sich traute, in seine Nähe zu kommen, ins Zentrum des Sturms. »Du musst aufhören, Sorayn.«
Er blickte in die dunklen Augen des Zintas und las das gleiche Entsetzen darin, das er selbst empfand.
»Was bin ich?«, fragte er. »Ein Ungeheuer?«
»Du kannst nicht jeden töten«, sagte Toris. »Auch wenn sie uns gefangen nehmen wollen, auch wenn sie uns quälen und umbringen … Du kannst sie nicht alle töten. Was willst du tun? Gegen ganz Deret-Aif kämpfen?«
»Nein. Nur gegen einen. Ich werde nach Kirifas gehen und Zukata vom Thron stürzen.«
Toris sah ihn an und schüttelte besorgt den Kopf.
»Grüß Maja«, sagte Sorayn. »Bitte sie in meinem Namen um Verzeihung für alles. Aber ich kann jetzt nicht zu ihr, ich kann unser Glück nicht über die furchtbaren Dinge stellen, die in diesem Land geschehen.«
Toris nickte.
»Vertrau mir. Ich bringe alles wieder in Ordnung. Das verspreche ich dir.«
»Versprich nicht zu viel«, sagte Toris und ging zurück zu den anderen, und Sorayn wandte sich ab von dem, was er getan hatte, und verschwand im Wald.
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