»Solche Lieder bringen Unglück«, presste Kapitän Dogla zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Er fügte hinzu, dass die Dame, die mehrere Königreiche wert war, gefälligst damit aufzuhören hatte, wenn sie ihr Ziel erreichen wollten.
Maja saß auf dem Bett, die Knie angezogen, in ihrer Hand die kleine Flöte, dieses so unschuldig aussehende Stück Holz. Ihre Finger tanzten auf den Löchern. Sie spielte einfach weiter, als Erion hereinkam.
»Schluss damit«, befahl er streng.
»Sonst was?« Die Zinta blickte ihn herausfordernd an. »Werft Ihr mich sonst über Bord?«
Er konnte sie nicht ausstehen. Solche Frauen machten nichts als Ärger.
»Nichts lieber als das«, knurrte er, und sie lachte. »Nun zeigt Ihr endlich einmal Euer wahres Gesicht, Herr Halber König von Neiara.«
Ihm war danach, sie zu verprügeln, in ihr herausforderndes Lächeln zu schlagen, aber er hatte sich vollkommen in der Gewalt. Er streckte die Hand aus.
»Gebt mir die Flöte.«
»Nein.« Sie hielt sie mit beiden Händen fest. »Nein!«
»Dieses verdammte Musikinstrument hat Euch schon einmal verraten.«
»Was?«
Eigentlich wollte er es ihr nicht sagen. Die Reise würde viel leichter sein, wenn sie dachte, dass Sorayn sie in Kirifas erwartete. Andererseits würde es mit Sicherheit nicht lange dauern, bis sie sich dafür entschieden hatte, lieber nicht zu diesem treulosen Sorayn zurückzukehren, von dem er ihr erzählt hatte. Vielleicht war es unklug – und Erion hasste es, etwas Unkluges zu tun, nur weil ihn seine Gefühle dazu verleiteten –, aber er konnte einfach nicht widerstehen. Er wollte ihr Entsetzen sehen, wenn sie endlich erfuhr, worum es ging. Ihm fiel kein anderes Mittel ein, um ihr die Frechheiten ein für alle Mal auszutreiben, um ihr wehzutun, ohne blaue Flecken zu hinterlassen.
»Sorayn hatte eine ungewöhnlich musikalische Frau bei sich, als er mit seinem Riesenheer unterwegs war«, sagte er. »Das war nicht schwer herauszufinden. Man muss nur den richtigen Personen die richtigen Fragen stellen. Euch zu finden, hat eine Weile gedauert, aber als meine Spione von einem schwarzhaarigen Mädchen berichteten, das in einem Gasthaus in Laring die Gäste mit Flötenspiel unterhält, da wusste ich, dass Ihr das seid, Prinzessin Maja.«
»Es gibt unzählige Spielleute im ganzen Land.«
»Tatsächlich? Wenn man die Leute über Euer Spiel reden hört, könnte man glauben, es gäbe nur eine einzige Frau auf der Welt, die es vermag, so damit zu verzaubern. Auf diese Weise habe ich Euch gefunden. Schneller, als Sorayn es vermochte. Er sucht nach Euch, wusstet Ihr das? Überall fragt er nach Euch.«
»Er sucht nach mir?« Ihre Augen weiteten sich.
»Natürlich. Schon lange. So viel ich weiß, ist er mit den Ziehenden unterwegs. Aber sie kommen nicht gut voran, seit der Kaiser den alten Tribut wieder gestattet hat. Meine einzige Hoffnung war es, schneller zu sein als Sorayn. Und Euch nach Kirifas zu bringen, bevor er weiß, dass Ihr in meiner Hand seid.«
»Was will Zukata von mir?«, fragte sie. »Ich kann ihm nie so gefährlich werden wie Manina. Und wenn er glaubt, ich könnte es, warum bringt Ihr mich dann überhaupt zu ihm? Ihr hättet mich auch gleich umbringen können. Werdet Ihr mich töten?« Sie versuchte immer noch, furchtlos und trotzig zu klingen.
»Keineswegs, Prinzessin. Ich werde Euch kein Haar krümmen«, versicherte Erion. »Euer Gemahl wird keinen Grund haben, sich über Eure Behandlung zu beschweren, wenn er in den Palast kommt. Und das wird er, sobald er erfährt, dass Ihr dort seid. Nie wird jemand so schnell angerannt kommen wie er. Und nie wird jemand so eifrig darum betteln, Zukata aus der Hand fressen zu dürfen.«
Es überlief sie eiskalt.
Erion sah, wie sie langsam anfing zu begreifen. Sehr langsam. Bei Rin, war sie gutgläubig und naiv! Hatte sie nicht gewusst, dass die Liebe das Schlimmste war, was einem Menschen widerfahren konnte?
»Wenn Sorayn bis jetzt dachte, er könnte Zukata kontrollieren«, fuhr er mitleidslos fort, »wenn er glaubte, er könnte der heimliche Herrscher über Deret-Aif sein, während sein Großvater auf dem Thron sitzt, dann hat er sich geirrt. Dann hätte er besser darauf achtgeben müssen, dass ihn niemand mit irgendetwas erpressen kann. Und deshalb, meine Liebe, seid Ihr die Fessel, mit der wir Sorayn binden werden. Die Kette, an die wir ihn legen werden. Wie fühlt es sich an, Prinzessin Maja? Königin über ein sehr kleines, aber sehr wichtiges Königreich zu sein – über das Herz des Mannes, den Ihr vernichten werdet?«
»Ich bin … und Fria?«
»Fria?«, fragte Erion verächtlich. »Eine Zeitlang glaubte ich tatsächlich, sie könnte der Schlüssel sein. Aber er brach bereits mit ihr, bevor er Euch traf. Er tötete ihren Bruder. Glaubt Ihr, er würde Euch jemals solchen Schmerz zufügen? Oh nein, mit Sicherheit nicht. Er würde lieber sterben, als Euch zum Weinen zu bringen.«
Ihr Gesicht. Diese Stille, die über sie gekommen war, während sie jeden seiner Schläge aushalten musste. Fast hätte sie ihm leidtun können. Und er würde jedes seiner Worte bereuen, wenn sie gleich anfing, gegen ihn zu kämpfen. Er sah schon die Wut durch all den Schmerz und den Schrecken der Erkenntnis schimmern.
»Ihr seid ein mieses kleines Scheusal«, flüsterte Maja. »Ich verfluche Euch.« Und dann sprang sie mit einem Mal auf und stürzte sich auf ihn. Nur weil er darauf gefasst gewesen war, gelang es ihm, durch die Tür zu schlüpfen, bevor sie ihm das Gesicht zerkratzen konnte, und draußen lehnte er sich gegen die Bretter und hörte zu, wie sie drinnen in der Kajüte tobte. Erion lächelte.
7. Die Last auf den Schultern
D I ES O L D A T E NH A T T E NSorayn einen Strick um die Handgelenke geschlungen und führten ihn daran hinter sich her. Mit Leichtigkeit hätte er ihn zerreißen können, doch natürlich tat er es nicht. Dafür war es noch zu früh. Erst musste er sehen, wohin sie ihre Gefangenen verschleppten, was mit denen geschah, die aus ihren Sippen herausgerissen wurden, um einem fremden Fürsten zu dienen.
Zunächst brachten sie ihn zu einem unerwartet großen Haus am Waldrand. Ein Kampf der Sippenbrüder hätte, so sah Sorayn nun, keine Chance gehabt. Hier waren mindestens dreißig oder vierzig Männer untergebracht. Im angrenzenden Stall hörte er ihre Pferde stampfen. Vor dem Gebäude lungerten ein paar gelangweilte Kerle herum.
»Wen bringt ihr denn da mit?«, rief einer, der ihnen mit aufgerissenen Augen entgegensah. »Da habt ihr euch einen Burschen gekrallt, wie?«
»Zinta«, sagte der Soldat, der die Leine hielt, verächtlich.
»Ach, werden die so groß?«
»Die gibt es in allen Größen, glaub mir.« Sie redeten über ihn, als hätten sie im Garten ein besonders beachtliches Exemplar einer Gemüsesorte gefunden. Keine außergewöhnliche Spezialität, die man auf den Tafeln der Reichen finden würde, sondern etwas Schlichtes, nahrhaft und kräftig, für das einfache Volk.
Der Mann trat näher und befühlte Sorayns Oberarm. »Dafür wird Pidor uns ein Fass öffnen lassen.«
»Fürst Pidor?« fragte Sorayn. »Nie gehört. Ist er schon lange im Amt?«
»Du, ich glaube, der dreckige Zinta redet mit uns.«
»Das scheint mir auch fast so.« Sie musterten ihn aus zusammengekniffenen Augen. Wahrscheinlich ließ seine Größe sie davor zurückschrecken, ihn zu misshandeln. Obwohl sie ihn für sicher gefesselt hielten, ließ der Soldat, der schon den Arm zum Schlag hob, die Hand wieder sinken.
»Fürst Pidor hat es nicht gern, wenn sie beschädigt sind.«
»Wo bringen wir ihn diese Nacht unter? Heute schaffen wir es nicht mehr bis zum Fluss.«
Der andere zeigte auf den Stall. »Da, wo sonst? Glaubst du, ich schlafe mit einem Ziehenden unter einem Dach?«
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