19,19–21: Elija erhebt Anspruch auf Elischa als Diener Seit Alt ist allgemein anerkannt, dass Vv. 19–21 ursprünglich zum Elischa-Material gehört hat und den Geschichten über Elija erst sekundär durch die ersten beiden Worte von V. 19 (וילך משם) angefügt wurden. 69In שם ( dort ), das G Lnach dem Verb fand setzt, was aber so bald nach משם keinen Sinn ergibt, liegt ein zusätzlicher textkritischer Hinweis auf die Nahtstelle vor. In der Elischa-Geschichte wurde offenbar der Ort genannt, an dem Elija zum erstenmal auf Elischa traf (Abel-Mehola?), doch diese Angabe wurde abgetrennt, als die Anekdote in die Elija-Geschichten eingefügt wurde. Elija trifft Elischa zuhause beim Pflügen an (Vv. 19–21). Entweder hat dieser zwölf Ochsengespanne vor sich (die von anderen Arbeitern geführt wurden, vielleicht von „den Leuten“ aus V. 21), oder er hat zwölf Parzellen Land zu bearbeiten. In beiden Fällen stammt er aus einer wohlhabenden Familie. Indem Elija Elischa seinen Umhang überwirft, macht er seinen Anspruch auf Elischa als seinen Diener geltend (Ez 16,8; Rut 3,9).
Die symbolische Bedeutung des Umhangs Elija übergibt hier seinen Umhang (אדרת) noch nicht auf Dauer an Elischa, weshalb diese Anekdote keine Dublette von 2 Könige 2 ist, sondern mit dem Text nur das Motiv des Umhangs gemeinsam hat. Der Umhang als Symbol für Elijas Identität und Macht (2 Kön 1,8; 2,8.13.15) spielt darauf an, dass Elischa die Nachfolge Elijas antritt, was in 2 Könige 2 geschieht. PE nutzt die Anspielung im Auftrag von Vv. 15–18 dazu, Elischa als Elijas Nachfolger zu benennen (V. 16) und an die Parallele zu Mose und Josua (Ex 24,13; Num 11,28; Jos 1,1) anzuknüpfen. Dass das Verb שׁלך (Hifil) in den Plagen-Erzählungen (Ex 4,3; 7,9–10; 15,25) und in den Elischa-Geschichten (2 Kön 2,21; 4,41; 6,6) für magische Handlungen verwendet wird, deutet darauf hin, dass Elischa eine Art Macht- oder Status-Übertragung zuteil wird. 70PE fügt am Ende des Verses וישרתהו hinzu, was die Kontinuität zu Mose noch einmal verstärkt (Ex 24,13; Num 11,28; Jos 1,1) und sich gut mit dem Mose-Thema in Vv. 4–14 verbindet. Wie bei Josua wird Elischa hier als Vorspiel zu seiner Übernahme des Amtes seines Mentors zum Diener Elijas.
Elischa ist bereit zur Übernahme des Amtes, in das Elija ihn einsetzt. Er bittet lediglich darum, seinen Vater küssen , d. h. ihm auf Wiedersehen sagen zu dürfen (V. 20). 71Elijas Antwort ist kryptisch und auf vielerlei Weise gedeutet worden:
– als Verzichtserklärung: „Tu, was dir gefällt, weil ich dir nichts getan habe;“ 72oder „Wenn du mir nicht folgen willst, dann zwinge ich dich nicht“; 73oder „Geh, kehre um, um ihn zu küssen; was habe ich dir getan, dass du das nicht tun darfst?“; 74
– als Vorwurf: „Du möchtest zurückkehren, doch denkst du, dass ich nichts für dich getan habe?“; 75
– als Bestätigung dafür, dass der Sinn von Elijas Handeln Elischa dazu veranlassen soll, sich von seiner Familie zu verabschieden; 76
– als Erlaubnis mit einer Aufforderung, darüber nachzudenken, was Elija wohl tut, wenn er Elischa zu seinem Diener macht; 77
– als wörtlich gemeinte Frage: „Was bedeutet eine Amtseinsetzung?“, denn Elischa denkt, dass Elija ihn zu seinem Nachfolger beruft, wenn er in Wirklichkeit ein Diener sein soll. 78
Da Elischa nach Hause geht, um sich zu verabschieden, lässt sich die Frage Elijas am ehesten als Bestätigung oder Erlaubnis deuten. Der Befehl geh zurück (שוב) ist mehrdeutig; er könnte Elischa erlauben, nach Hause zu gehen, oder ihm befehlen, nach dem Gang nach Hause wieder zu Elija zurückzukehren. Das Schlachten der Ochsen und das Verteilen des Fleisches (V. 21) deuten auf ein Fest hin. Eine Verzichtserklärung, ein Vorwurf und eine wörtlich gemeinte Frage zur Amtseinsetzung passen nicht in eine solche Szenerie. Demnach erlaubt Elija es Elischa, sich von seinem Vater zu verabschieden, weil dieser ein neues Leben als Assistent und eines Tages auch als sein Nachfolger beginnen wird. Die Textpassage markiert den Beginn der Elischa-Geschichten und den Anfang vom Ende Elijas.
Ein Überleitungskapitel und eine Apologie der Prophetie Dieses Kapitel bildet eine Überleitung. Elijas Flucht an den Horeb und seine Begegnung mit Jhwh auf dem Berg weitet die am Karmel begonnene Sache aus und führt sie einer Lösung zu. Dann bieten der neue Auftrag an Elija und seine Amtseinsetzung Elischas einen Einstieg in die Elischa-Erzählungen, und dadurch werden der Aufstieg Hasaels und Jehus und das von ihnen an Israel und den Ahabiten vollzogene Gericht vorweggenommen. Das Herzstück des Kapitels bildet die Theophanie am Horeb; sie ist Jhwhs Antwort auf Elijas Beschwerde und seine Bitte, aus dem Leben scheiden zu dürfen. Jhwhs Erscheinen im zarten Flüstern der prophetischen Offenbarung ist eine Ablehnung der Gewittertheophanie infolge der Niederlage Baals am Karmel. Darin liegt auch eine Art Apologie der Prophetie. 79Hier wird die Möglichkeit vorgestellt, dass es mit der Prophetie einen anderen Ausgang nehmen könnte als das „Happy-End“ in Kap. 17–18, bei dem das Volk zuhört und Reue zeigt. 80Die Lesenden wissen, dass die Reue vom Karmel nicht von Dauer sein wird. Im Rückgriff auf Mose zeichnet die HB eine Geschichte, bei der es häufig nach großen Wundern Jhwh zugunsten Israels zum Abfall kommt. Der realistische Ausgang von Kap. 19 lässt Israels und Judas Zukunft erahnen. Selbst angesichts dieses Gegensatzes besteht eine erzählerische Kontinuität zwischen den Kapiteln. Die Prophetie ist ein Kanal für die Macht und Offenbarung Gottes. Durch das Wort Jhwhs wird Elija geführt (17,2.5.8; 18,1; 19,9.15), und durch Jhwhs Wort, das der Prophet überbringt, werden Macht und Wahrheit übermittelt (17,14.16.24; 18,37–38). Der Prophet ist Jhwhs besonderer Diener und Repräsentant (17,1.24; 18,1.36). Er ist der Bote, der sowohl Heil als auch Gericht übermittelt, doch er ist nicht die Ursache für Israels Schwierigkeiten – die liegt vielmehr in der Untreue gegenüber Jhwh (18,17–18). Die prophetische Offenbarung ist das Gegenstück zur Tora . Sie stammt von Jhwh selbst, und er ist in ihr gegenwärtig, indem er andere Formen der Offenbarung in den Hinter- oder Vordergrund schiebt (19,11–12). Für Elija wie für Mose, der auch ein Prophet war (19,8–9), ist das, was vom Berg Gottes bleibt, das Wort Gottes. Jhwhs Antwort an Elija liegt in seinem Auftrag an ihn, einen Nachfolger zu bestimmen, wodurch das erzieherische und läuternde Handeln Hasaels und Jehus angestoßen wird. Die Prophetie spricht leise, doch sie führt ein scharfes Schwert.
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