PE beginnt mit der Elischa-Legende. Diese wird vor allem dadurch ausgeweitet, dass viele der in ihr geschilderten Wunder explizit dem Wort und der Macht Jhwhs zugeschrieben werden. Die Elija-Geschichten in 1 Könige hat PE als Einführung in die Elischa-Legende und als Musterbeispiel für einen Gerichtspropheten konzipiert. 104Zur Ausgestaltung seines Berichts über Elija bediente sich PE einiger Quellen; hierzu zählen einige Geschichten über Elija, aber vor allem die Elischa-Legende an sich. Hilfreich war dabei, dass in diesen Legenden Elischa bereits als Nachfolger Elijas benannt war. PE nutzte bei der Einfügung von prophetischem Material die Wiederaufnahme als redaktionelles Mittel. Auch hat er das Motiv von Auftrag und Ausführung verwendet. Insbesondere die Geschichten in 1 Könige 17–19 nutzte er dafür, das prophetische Wort als Quelle der Macht und Offenbarung Gottes darzustellen. Einen Großteil des sich anschließenden Berichtes ordnete er um die Prophetenworte von DtrH in 1 Kön 21,20*–22.24 an. Drei Geschichten über Israels Siege über Aram hat PE vom Ende von 2 Könige 13 nach 1 Kön 20; 22,1–38 verschoben, damit die Strafe Ahab trifft und er dem Unheil nicht entgeht, wie das in DtrH der Fall war. Darüber hinaus hat PE die Nabot-Geschichte in 1 Kön 21,1–16 hinzugefügt und durch sie vielleicht eine ältere Fassung der Geschichte ersetzt (2 Kön 9,25–26a). Isebel hat er als Hauptschuldige dargestellt und V. 23 in das Prophetenwort Elijas eingefügt, damit ihr grausiges Ende in 2 Kön 9,30–37 zugleich die Erfüllung von Jhwhs Gerichtswort ist. Am ehesten wird PE wohl in die Perserzeit datiert, worauf bestimmte Ausdrücke und Begriffe – unter anderem in der Nabot-Geschichte (1 Kön 21,1–16) – hindeuten, und ihm lagen das Jeremia- und das Ezechielbuch vor. Seine theologische Haltung, die sich vor allem in 1 Könige 18 und 2 Könige 5 zeigt, ähnelt mit ihrem pragmatischen oder sogar gänzlich ontologischen Monotheismus der Theologie Deuterojesajas.
4. Geschichte und Chronologie
Historische Fragen Die gerade dargestellte Diskussion über die Textentstehung macht deutlich, dass die Königebücher keine Geschichtsschreibung im heutigen Sinne sind. Wie sich anhand der eben diskutierten Themen zeigt, sind die Interessen DtrHs vor allem ätiologischer und theologischer Natur; PE zeigt demgegenüber Interesse an theologischen und soziologischen Fragen, insofern es um den Vorrang von Propheten vor Königen und anderen gesellschaftlichen Gruppen geht. 105In den Königebüchern spiegelt sich die Verwendung historischer Daten wie der kombinierten Königsliste oder von Geschichten und Traditionen aus der Vergangenheit, und in ihnen wird der Anschein erweckt, dass historische Informationen übermittelt und Erklärungen dafür gegeben werden, warum die Dinge sich so ereignet haben, wie das der Fall war. Allerdings machen die DtrH-Beurteilungen der Könige und die Verschiebung von 1 Kön 20; 22,1–38 durch PE deutlich, dass es hier nicht vordringlich um historische Exaktheit geht. Die Platzierung von 1 Kön 20; 22,1–38 ist eines von mehreren historischen Problemen, die von den Königebüchern aufgeworfen werden; häufig ergeben sich diese Probleme aus der Spannung zu anderen biblischen Textpassagen und/oder Daten und Dokumenten aus anderen Regionen des Alten Orients. Die Probleme bestehen konkret unter anderem darin, wie viele Ben-Hadad(s) es gibt und um wen es sich dabei handelt; ob die Ahasjas, die etwa zur gleichen Zeit in Israel und Juda herrschten, vielleicht ein und dieselbe Person sind; und, ganz ähnlich, ob die beiden Jorams ein und derselbe König sind; ob es Jehu oder der Aramäerkönig (Hasael?) war, der die Könige Israels und Judas getötet hat; sowie Fragen um die Herrschaft Joaschs von Juda wie etwa, ob er wirklich ein Davidide war und ob auch die Herrschaft Ataljas seiner Regierungszeit zugerechnet wird. Diese und andere historische Fragen werden im Kontext der Bibeltexte diskutiert, für die sie am relevantesten sind.
Fragen der Chronologie Die Frage nach der Überschneidung von Ataljas und Joaschs Regierungszeit wirft das generelle historische Problem der Chronologie auf. Insgesamt bestehen in den Königebüchern Unstimmigkeiten in der Chronologie. Am virulentesten stellt sich das Problem in den letzten drei in diesem Kommentar behandelten Kapiteln, also in 2 Könige 14–16. In den Rahmenformularen gibt es Diskrepanzen, was den Zeitpunkt der Thronbesteigung mancher Könige angeht, und die Gesamtzahl der Regierungsjahre der Könige Judas und der Könige Israels liegen für ein und denselben Zeitraum manchmal weit auseinander. An dieser Stelle ist keine Chronologie der OG überliefert, und es wurde bereits angesprochen, dass diese ohnehin abweicht. Diese und weitere Probleme sowie die hierfür vorgeschlagenen Lösungen werden bei der Untersuchung der entsprechenden Kapitel genauer betrachtet. Allerdings lassen sich manche der Probleme auch nicht lösen, und die Chronologie dieser Zeit lässt sich nicht genauer rekonstruieren, als sie in den assyrischen Quellen – in groben Zügen – zu finden sind. Deshalb versuche ich in diesem Kommentar nicht, eine absolute Chronologie (mit Jahreszahlen) für den hier behandelten Zeitabschnitt zu liefern. Der folgende chronologische Überblick dient nur heuristischen Zwecken. Das bedeutet, dass er den Lesenden eher ein chronologisches Grundgerüst zur Verfügung stellen soll, als für die einzelnen Könige definitive Jahreszahlen zu liefern. Die genannten Daten stammen von Galil. 106Wo seine Rekonstruktion anfechtbar ist, wird dies im Kontext der entsprechenden Kapitel in den Königebüchern diskutiert.
Israel |
Juda |
Jerobeam I. 931/930–909 |
Rehabeam 931/930–914 |
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Abija 914–911 |
Nadab 909–908 |
Asa 911–870 |
Bascha 908–885 |
|
Ela 885–884 |
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[Tibni 884–880] |
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Omri 884–873 |
Joschafat 870–845 |
Ahab 873–852 |
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Ahasja 852–851 |
|
Joram 851–842/841 |
Jehoram 851–843/842 |
|
Ahasja 843/842–842/841 |
Jehu 842/841–815/814 |
[Atalja 842/841–835] |
Joahas 819–804/803 |
Joasch 841/841–802/801 |
Jehoasch 805–790 |
Amazja 805/804–776/775 |
Jerobeam II. 790–750/749 |
Asarja (Usija) 788/787–736/735 |
Secharja 750/749 |
Jotam 758/757–742/741 |
Schallum 749 |
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Menahem 749–738 |
Ahas 742/741–726 |
Pekachja 738–736 |
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Pekach 750?–732/1 |
|
Hoschea 732/731–722 |
Hiskija 726–697/696 |
Der vorliegende Kommentar folgt entsprechend den Reihenvorgaben bei der Diskussion jedes Abschnitts einem fünfteiligen Aufbau: Übersetzung, Anmerkungen zu Text und Übersetzung, synchrone Analyse, diachrone Analyse sowie Synthese.
Die Übersetzung zielt auf die kohärente Wiedergabe des rekonstruierten Textes, die flüssig und recht idiomatisch, zugleich aber genau und konsistent in der Umsetzung der einzelnen Worte und Ausdrücke ist. Im rekonstruierten Text spiegeln sich sowohl textkritische als auch literar(quellen-)kritische Entscheidungen. Letztere werden, wie bereits erwähnt, durch verschiedene Schrifttypen kenntlich gemacht.
In den Anmerkungen zu Text und Übersetzung werden die Gründe für textkritische Entscheidungen und die Bedeutung und Übersetzung verschiedener Begriffe und Wendungen erläutert. An dieser Stelle werden auch technische Aspekte von Grammatik und Syntax, die Etymologie von Personen- und Ortsnamen sowie Fragen der Topographie und Geographie diskutiert, wozu auch die Lokalisierung der im Text genannten Orte zählt.
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