1 ...6 7 8 10 11 12 ...15 Diesen Markt wollte NHL-Boss Frank Calder nicht Eddie Livingstone überlassen. Doch anstatt direkt über Hamilton zu verhandeln, ging er den Umweg über Toronto. Dort sah zunächst alles nach einem Sieg für Livingstone aus, der nach einer weiteren Klage endlich Recht und von den Arena-Besitzern 20.000 Dollar als Kompensation für seine Spieler zugesprochen bekam, die in der NHL gespielt hatten. Weil die Arenabesitzer das nicht zahlen konnten, meldeten sie Konkurs an, was Livingstone dazu veranlasste, einen weiteren Rechtsstreit zu riskieren: Nun wollte er als Kompensation gleich die ganze Arena haben. Dort hätte er seine Klubs spielen lassen und die der NHL ausschließen können.
Doch den zweiten Rechtsstreit verlor er, der Richter sah ihn als einen von vielen Gläubigern der Konkurs gegangenen Arenabesitzer an, nicht als den wichtigsten. So behielt der Konkursverwalter weiter die Kontrolle über die Arena. Und mit dem hatte NHL-Boss Frank Calder längst einen Vertrag geschlossen. So stand Livingstone plötzlich ohne Eis in Toronto da, was seine komplette Liga scheitern ließ. Der gewiefte Frank Calder wiederum nutzte die Gunst der Stunde und verlegte sein kurz zuvor gescheitertes Franchise aus Québec nach Hamilton, wo es sich fortan Tigers nannte. Ein Sieg auf ganzer Linie für die NHL, die danach für ein paar Jahre Ruhe hatte.
Sportlich dominierten nun die Ottawa Senators, die binnen fünf Jahren drei Stanley Cups gewannen. Gleichzeitig waren es die letzten Jahre, in denen es für Frank Calder und die Besitzer der NHL-Teams ausschließlich darum ging, irgendwie zu überleben. Mit vier soliden Teams und einer gewachsenen Fanbasis sollte nun das nächste Kapitel aufgeschlagen werden. Eins, das die NHL für immer veränderte: der Gang über die Grenze in die USA.
Von vier auf zehn: Es geht in die USA
Bereits während der Saison 1923/24 wurden die Pläne, in den Süden zu expandieren, konkret. Nur brauchte es dafür reiche Geschäftsleute, die willens waren, Teams in ihren Städten zu unterhalten. NHL-Boss Frank Calder hatte sofort ein Auge auf Charles Adams geworfen, einen sportverrückten Millionär aus der Gegend um Boston. Adams, der aus einfachen Verhältnissen stammte, hatte sich über seine Jobs in einer Ahornsirup-Fabrik und in einer Bank zum Besitzer der größten Lebensmittelmarkt-Kette in New England hochgearbeitet. Und da er ein ausgemachter Freund von Pferderennen, Baseball und Eishockey war, lud ihn die NHL im März 1924 zum Finale nach Montréal ein. Zu sehen gab es das Spiel zwischen den heimischen Canadiens und den Ottawa Senators. Was es aber vor allem zu sehen gab: den ebenso jungen wie aufregenden Torjäger Howie Morenz. Adams soll sogleich begeistert gewesen sein, nur sorgte er sich, ob es wirklich so einfach sei, „diesen kanadischen Sport“ in den USA zu verkaufen.
Adams war längst nicht der einzige Interessent, der ein neues NHLTeam an den Start bringen wollte. Während derselben Finalserie meldete sich der New Yorker Boxpromoter Tex Rickard zu Wort, er habe mit der Liga verhandelt und werde für die kommende Saison ein Team im Madison Square Garden mitten in Manhattan installieren. Auch aus Providence in Rhode Island, nicht mal 100 Kilometer südlich von Boston, schlug ein Geschäftsmann beim Finalspiel auf und bekundete Interesse. Zudem gab es eine Gruppe Investoren aus Montréal, die ein neues Team für die englischsprachige Bevölkerung der Stadt gründen wollten. Die nötige Halle würden sie gleich selbst bauen, sagten sie. Und als wäre das nicht schon genug, meldeten sich auch noch mögliche Finanziers für ein zweites Team in Toronto sowie eins in Philadelphia.
Spätestens da wurde es Ligaboss Calder zu bunt, er berief eine Sondersitzung der Teambesitzer ein. Die erteilten ihm die Erlaubnis, mit den vielen potenziellen Investoren zu reden, bevor diese auf die Idee kämen, ihre eigene Liga zu gründen und der NHL vor der Haustür Konkurrenz zu machen. Eine Situation wie im Westen Kanadas, wo sich mit der Pacific Coast Hockey Association und der 1921 gegründeten Western Canada Hockey League zwei große Profiligen um die Vorherrschaft in einer Region stritten, wollten sie im Osten vermeiden.
Trotzdem wuchs die NHL zur Saison 1924/25 zunächst nur um zwei Teams. Das mögliche neue aus New York musste seinen Start verschieben, weil sich die Besitzer des Madison Square Gardens dazu entschieden, die Halle abzureißen und für knapp 18.000 Zuschauer eine neue zu bauen. Andere Investoren zogen ebenfalls vorerst zurück. Ernst machten lediglich Charles Adams aus Boston und die Gruppe steinreicher Männer aus Montréal. Am 12. Oktober 1924 bekamen sie offiziell den Zuschlag, die NHL bestand nun aus sechs Teams, eins davon kam erstmals aus den USA.
Die Mannschaft aus Boston verpflichtete gleich den erfahrenen Ex-Spieler Art Ross, der für die folgenden 30 Jahre die sportlichen Geschicke der neuen Bruins bestimmen sollte. Heute ist nach ihm die Trophäe für den besten Scorer der Regular Season benannt. Das neue Team aus Montréal wollte zunächst ohne Spitznamen auskommen und nannte sich schlicht Montreal Professional Hockey Club, wegen der kastanienbraunen (Englisch: maroon) Trikots setzte sich aber schnell der Name Maroons durch.
Während eben jene Maroons sofort ein Publikumsmagnet für die englischsprachige Bevölkerung Montréals wurden und vor allem die Fans der ehemaligen Wanderers anzogen, hatten die neuen Bruins im knapp 500 Kilometer entfernten Boston große Probleme. Nicht nur sportlich wollte es nicht klappen, es kamen auch kaum Zuschauer. Was daran lag, dass die Halle nur montags frei war, die Begegnungen also zu wenig attraktiven Zeiten stattfanden. Manches Amateurspiel, das am Wochenende in derselben Halle ausgetragen wurde, lockte weit mehr Fans an. Bereits während ihrer ersten NHL-Saison gab es Gerüchte, die Bruins würden nach dem einen Winter gleich wieder aufgeben.
Doch die Probleme in Boston wurden schnell von weitaus größeren überschattet. Und das ausgerechnet beim Überraschungsteam der Saison. Nach Jahren am Tabellenende standen die Hamilton Tigers plötzlich ganz oben und sorgten für eine wahre Euphorie rund um das Team. Bis ins Finale kämpfte sich die Mannschaft aus der Stahlstadt. Doch kurz vor den wichtigsten Spielen der Vereinsgeschichte gingen die Spieler in den Streik. Sie verlangten ein höheres Gehalt. 200 Dollar mehr sollten es sein, weil sie wegen der beiden neuen Teams nun nicht mehr 24 Spiele wie in den Jahren zuvor, sondern 30 Spiele absolvieren mussten – ohne dafür besser bezahlt zu werden. Das Management lehnte ab und bekam Unterstützung von NHL-Boss Frank Calder. Der Vertrag der Spieler gelte von Dezember bis März, eine konkrete Anzahl Spiele stehe dort nicht drin, ließ er verlauten. Es liege an den Spielern, ob sie antreten, er habe kein Problem damit, wenn sie es nicht täten, sagte Calder.
48 Stunden später machte er ernst: Er kürte die Montréal Canadiens, die die Toronto St. Patricks im Halbfinale besiegt hatten, zum Meister.
Glamour und Mafia – die NHL zieht nach New York
Für die Fans und Spieler in Hamilton kam es noch dicker: Wenige Wochen später war ihr ganzes Team Geschichte. Das Management der Tigers hatte bereits während des Streiks angekündigt, als Vergeltung jeden einzelnen Spieler verkaufen zu wollen. Nun tat es das – für 75.000 Dollar an das neue Team aus New York, das kurz zuvor aus zwei Gründen eine Lizenz aus dem NHL-Büro erhalten hatte: Weil der neue Madison Square Garden fertig war und weil ein alter Bekannter mal wieder auf der Bildfläche auftauchte: Eddie Livingstone.
Der ließ, all den gescheiterten Versuchen zum Trotz, immer noch nicht locker und wollte erneut seine eigene Eishockey-Liga gründen. Dieses Mal habe er Investoren für Teams in New York, Toronto, Montréal, Pittsburgh und Philadelphia an der Hand, behauptete er. Doch bevor Livingstone Nägeln mit Köpfen machen konnte, nahm die NHL selbst ein Team aus New York auf und begoss das mit einer exklusiven Gala für 300 geladene Gäste im legendären Biltmore Hotel. Dafür schickte jedes Team diverse Repräsentanten nach New York, zudem reisten Dutzende Journalisten an. Nur der Besitzer des neuen Teams kam nicht.
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