Nachdem wir all dies gesehen hatten, kamen wir ernüchtert nach vier Meilen in die heiligste Stadt CompostelaSantiago de Compostela, Ort, in der, wie man sagt, der Leichnam des heiligen JakobusJakobus der Ältere († um 44), Apostel, Hl. (als Iacobus auch mittelalterlicher Buchtitel des Liber Sancti Jacobi) des Älteren, des Zebedäussohnes und Bruder des Evangelisten JohannesJohannes († um 101), Apostel, Hl., vollständig ruht12.
Abb. 5:
Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 181r
Mit den Pfeilen, die in der Handschrift am Rande dieses Folios zu sehen sind, weist Hieronymus Münzer auf das Wappen der Katholischen Könige hin, die er immer wieder in einem sehr positiven Licht erscheinen lässt.
Über die Lage CompostelasSantiago de Compostela, Ort, (Stadt) des heiligen JakobusJakobus der Ältere († um 44), Apostel, Hl. (als Iacobus auch mittelalterlicher Buchtitel des Liber Sancti Jacobi)
Am 13. Dezember kamen wir nach CompostelaSantiago de Compostela, Ort, das ringsum von Hügeln umgürtet ist. In deren Mitte erhebt sich ein weiterer Hügel. Der Ort hat keinen Fluss1, sondern zahlreiche gute Quellen, die Süßwasser hervorsprudeln lassen. Die Stadt ist nicht groß, aber alt und mit einer sehr guten alten Ummauerung und zahlreichen starken Türmen befestigt. Das Land ist freilich gut, und die Gärten der Stadt sind voll mit Apfelsinen, Limonen, Äpfeln, Pfirsichen, Pflaumen und anderen Früchten. Aber das Volk dort ist schweinisch, hat zahlreiche Schweine, die günstig verkauft werden, und ist faul; es kümmert sich weniger um die Bearbeitung des Bodens, sondern lebt hauptsächlich vom Gewinn an den Pilgern2. Sie haben ein gutes Klima; innerhalb und auch außerhalb der Stadtmauern finden sich viele Klöster, wie das DominikanerklosterSantiago de Compostela, OrtDominikanerkl.3, in dem es einen hochgelehrten Prediger gibt, der mir vieles gezeigt und beigebracht hat. Ebenso besteht dort das BenediktinerklosterSantiago de Compostela, OrtSan Martín Pinario, Kl.4, dessen Abt der König gefangen nach KastilienKastilien, L. abführen ließ, weil er Güter verschleudert habe5. Weiterhin gibt es die Klöster der KlarissenSantiago de Compostela, OrtSanta Clara, Kl.6, der KarmelitinnenSantiago de Compostela, OrtKarmeliterkl.7 und der FranziskanerSantiago de Compostela, OrtSan Francisco de Val de Dios, Kl.8. Der KönigFerdinand II., Kg. von Aragón (1479–1516)9, dessen Leben Gott verlängern möge, begünstigt augenblicklich die Reform der Augustiner10.
Über die Kirche des heiligen JakobusSantiago de Compostela, OrtBasilika Sankt Jakob, K.Jakobus der Ältere († um 44), Apostel, Hl. (als Iacobus auch mittelalterlicher Buchtitel des Liber Sancti Jacobi)
Die Kirche des heiligen JakobusJakobus der Ältere († um 44), Apostel, Hl. (als Iacobus auch mittelalterlicher Buchtitel des Liber Sancti Jacobi) ist eine der drei Hauptkirchen nach der römischen und der von EphesusEphesos, Ort in AsienAsien, L., die letztere gibt es inzwischen nicht mehr1. Erbaut wurde sie von Karl dem GroßenKarl der Große, fränkischer Kg. (768–814), Kg. der Langobarden (774–814), Ks. (800– 814), dem König der FrankenFranken, L. und Kaiser von DeutschlandDeutschland, L.. Dieser, wie du später über seine Kriegstaten hören wirst2, ließ sie aus Spolien, Geschenken und der Beute von den SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime) erbauen3. Es ist ein beeindruckender Bau in Form eines Kreuzes. Das Mittelschiff ist 100 Schritt lang, die Länge der Arme 120 und deren Breite 15; die Breite des Mittelschiffs beträgt 32, die Länge des gesamten Mittelschiffes mit dem Chorraum 1504. Alles ist aus Quadern und aus sehr hartem Stein erbaut und überwölbt. Die KircheSantiago de Compostela, OrtBasilika Sankt Jakob, K. hat zwei Seitenschiffe wie die SebalduskircheNürnberg, OrtSt. Sebald, K. (in NürnbergNürnberg, Ort) und im Umgang des Chores Kapellen. Es ist wirklich ein äußerst solides Werk und hat an den 4 Ecken 4 gut bewehrte Türme, und momentan wird ein weiterer ebenso starker Turm erbaut5.
Abb. 4:
Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 173r
Die romanische Kathedrale von Santiago de Compostela schien Münzer so wichtig, dass er hier die größte Zeichnung in sein Itinerarium einfügte. Maße in Schritten, Türme, Altar, Türen, Chor und Chorgestühl, aber auch Himmelsrichtungen sind durch Beischriften erläutert.
Bild der KircheSantiago de Compostela, OrtBasilika Sankt Jakob, K. Sankt JakobJakobus der Ältere († um 44), Apostel, Hl. (als Iacobus auch mittelalterlicher Buchtitel des Liber Sancti Jacobi) und Kapellen6
12 Kapellen umgrenzen den Chorraum, und die Kuppel des Kreuzes ist äußerst hoch7. In der Mitte davon wird von einer zur anderen Seite des Querschiffes ein riesiges Weihrauchfass mit aromatischem Rauch geschwungen8.
[Es folgen Exzerpte aus dem Liber Sancti Jacobi, die eine gekürzte Historia Turpini, den Passions- und Translationsbericht des Apostels, eine Exclamatio pulcra, die Erläuterung der Symbolik der Pilgermuschel – in deren lateinischen Text MünzerMünzer, Hieronymus (†1508) Nürnberger Humanist interessanterweise auch das deutsche »Muschlen« einschmuggelt – sowie eine Oration enthalten9. Hier werden nur Auszüge geboten.]
[Auszüge aus dem Liber Sancti Jacobi]
16. Dezember im Jahre des Heils 1494
Der Papst CalixtCalixt II., P. (1119–1124) (II.); ein besonderer Liebhaber des Heiligen JakobusJakobus der Ältere († um 44), Apostel, Hl. (als Iacobus auch mittelalterlicher Buchtitel des Liber Sancti Jacobi); schrieb ein großes und ausführliches Werk, in 4 Bücher unterteilt, über dessen Taten und dessen Befreiung GaliciensGalicien, L. durch Karl den GroßenKarl der Große, fränkischer Kg. (768–814), Kg. der Langobarden (774–814), Ks. (800– 814). Ebenso notierte er die zahlreichen Wunder10. In den nachfolgenden kurzen Bemerkungen habe ich, als ich in CompostelaSantiago de Compostela, Ort im Haus eines gewissen Kaplan Johannes RamusJohannes Ramus, eines sehr frommen Mannes11, weilte, aus dessen Original auszugsweise abgeschrieben12, so wie es folgt, am 16. Dezember 1494.
Über die Erscheinung des Heiligen JakobusJakobus der Ältere († um 44), Apostel, Hl. (als Iacobus auch mittelalterlicher Buchtitel des Liber Sancti Jacobi) bei Karl dem GroßenKarl der Große, fränkischer Kg. (768–814), Kg. der Langobarden (774–814), Ks. (800– 814)
Karl der GroßeKarl der Große, fränkischer Kg. (768–814), Kg. der Langobarden (774–814), Ks. (800– 814)1 war, nachdem er mit Mühen und mit Hilfe Gottes EnglandEngland, L., FrankreichFrankreich, L., DeutschlandDeutschland, L., ItalienItalien, L. und weitere Gebiete seinem heiligen Reich unterworfen und den Heiden entrissen hatte, durch so große Anstrengung und Schweiß erschöpft und nahm sich vor, sich mehr Ruhe zu gönnen. Eines Nachts aus dem Traum gerissen, erschien ihm der Apostel JakobusJakobus der Ältere († um 44), Apostel, Hl. (als Iacobus auch mittelalterlicher Buchtitel des Liber Sancti Jacobi) und sagte: „Mein Leichnam liegt unerkannt in GalicienGalicien, L.; ich wundere mich, der Du doch so viele Länder unterworfen, aber mein Land, das von den SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime) besetzt ist, noch nicht befreit hast. Brich also auf so schnell Du kannst. Ich werde Dein Helfer sein.“ Nachdem Jakobus ihm aber dreimal erschienen war, sammelte Karl vom Versprechen des Apostels bewegt, ein Heer und betrat SpanienSpanien, L.. Dies machte er 14 Jahre lang, bis er Spanien und Galicien zurückgewonnen hatte […].
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