1 ...7 8 9 11 12 13 ...18 Die Frage war immer noch mit einem Lächeln vorgebracht worden, traf sein junges Gegenüber aber mitten ins Herz. Der Mann stutzte und versteifte sich zusehends. Die Kiefermuskeln mahlten so angestrengt, dass Frank schon befürchtete, der neue XO würde sich einen Zahn ausbrechen.
»Ich befürchte, ich kann Ihnen nicht ganz folgen.«
»Oh, doch. Sie verstehen mich sehr gut«, versetzte Frank ungerührt. »Das Konglomerat hat einen großen Sieg errungen, aber der Krieg geht auch für uns ohne Verzögerung weiter. Admiral Hoffer benötigt die besten Schiffe, Besatzungen und Soldaten, um den Kampf zum Feind zu tragen. Sonst nehmen die Ruul uns das Serena-System gleich wieder ab. Das bedeutet, für Operation Himmelswolf wird nicht gerade erstklassiges Material abgestellt. Schon gar nicht, was das Personal anbelangt.« Frank legte den Kopf schief. »Also? Was sagt das über Sie aus?«
Die Augen des jungen Offiziers blitzten kampflustig. »Was sagt das denn über Sie aus?« Die Worte brachen aus ihm heraus, bevor dieser überhaupt wusste, wie ihm geschah.
Franks Augenbrauen wanderten nach oben. Er war allerdings eher amüsiert denn verärgert. Desmond besaß Schneid. Das gefiel ihm. Der Mann war offenbar von der eigenen Courage etwas geschockt, machte aber keinerlei Anstalten, sich für seinen Ausbruch zu entschuldigen. Beide Männer musterten sich einen unscheinbaren Augenblick lang. Schließlich lächelte Frank sein Gegenüber auf eine – wie er hoffte – beruhigende Art an, um die Situation zu entspannen.
»Sie haben völlig recht. Mein eigener Vorwurf gilt auch für mich selbst. Ich werde in den höheren Offizierskreisen nicht unbedingt als … vertrauenswürdig angesehen. Schon gar nicht von Admiral Dushku. Mehr hat sie nicht zu interessieren und mehr Worte werde ich auch nicht darüber verlieren.«
Desmond ließ ein klein wenig die Schultern sacken. Schließlich seufzte er. »Meine Eltern besitzen ein großes Rüstungsunternehmen auf dem Mars. Wir produzieren für das Marine-Corps sowie die TKA Panzer, gepanzerte Fahrzeuge und schwere Ausrüstung für die Infanterie. Dadurch hätte es mir eigentlich möglich sein sollen, dem Militärdienst zu entgehen.«
Franks Nüstern weiteten sich unwillkürlich. Das war nicht ungewöhnlich, wie er wusste. Die Söhne und Töchter betuchter Familien fanden immer wieder Mittel und Wege, die Wehrpflicht zu vermeiden. Vor allem jene, deren Familien enge Geschäftsbeziehungen zum Militär pflegten. Der Begriff aus gut situierten Verhältnissen hing bedeutungsschwanger über dem Raum. Derartige Protektionen gefielen ihm ganz und gar nicht. Frank wollte den Mann aber nicht vorschnell verurteilen, sondern ließ ihn ungerührt weiterreden.
Desmond nickte. »Ich entschied mich aber, meiner Heimat zu dienen«, fuhr der XO fort. Er grinste leicht. »Meine Eltern waren davon nicht begeistert. Aber ich ging trotzdem meinen eigenen Weg. Auf der Mogadischu nahm ich an einigen der erbittertsten Schlachten der letzten Jahre teil. Unter anderem auch an der Schlacht um Serena.« Desmond sah kurz zu Boden. Als er den Kopf wieder hob, war sein Blick irgendwie leer, als wäre sein Verstand weit weg. »Während der letzten Tage der Schlacht gerieten wir in eine Gegenoffensive der Slugs, die fast die südliche Nullgrenze erreicht hätte. Auf einmal waren wir von drei feindlichen Schlachtschiffen umzingelt. Ich dachte, das war es jetzt. Wir alle dachten das. Aber plötzlich tauchte ein Geschwader Til-Nara-Schlachtkreuzer auf und haute uns raus.« Desmond schluckte einen Kloß im Hals herunter. »Der Augenblick, als der erste Schlachtkreuzer auf der Bildfläche erschien, gefolgt von sieben weiteren …« Desmond räusperte sich. »Die Dinger sind potthässlich, aber ich glaube, ich habe nie etwas Schöneres gesehen.« Der XO leckte sich leicht über die Lippen. »Wir überlebten diesen schrecklichen Tag. Und danach hatte ich das Gefühl, den Til-Nara etwas schuldig zu sein.«
»Kurz darauf hörten Sie von dieser Mission«, meinte Frank. »Richtig?«
Desmond nickte. »Es gibt keinen Haken an meiner Versetzung hierher, Commodore«, erklärte er im Brustton der Überzeugung. »Ich habe mich freiwillig gemeldet.«
Abermals musterte er seinen neuen XO und kam nicht umhin, so etwas wie Bewunderung für den Mann zu empfinden. Seine Achtung für den jungen Offizier wuchs. War das wirklich möglich? Hatte Dushku ihm tatsächlich einen fähigen Ersatz für Dunlevy geschickt? Nach dessen Verletzung und Ausscheiden hatte Frank darauf kaum zu hoffen gewagt. Er erhob sich langsam.
»Ich danke Ihnen für Ihre Ehrlichkeit«, meinte er und streckte die Hand aus. Desmond nahm sie nach kurzem Zögern und drückte sie verblüffend fest. Frank schenkte dem Mann ein herzliches Lächeln. »Willkommen an Bord, Commander!«
Es dauerte noch drei Tage, bis die Vorbereitungen für die Abreise der Expeditionsstreitmacht abgeschlossen waren. Als Frank am Morgen des vierten Tages zu Beginn seiner Schicht die Brücke der Saber II betrat, wurde er bereits von seinem neuen XO und vielen erwartungsvollen Blicken begrüßt.
Frank begab sich zum Kommandosessel, ließ sich in den Sitz gleiten und zog den Vier-Punkt-Sicherheitsgurt über seine Schultern. Mit metallischem Klicken rastete der Verschluss vor seiner Brust ein.
Er warf einen kurzen Blick aus dem zentralen Brückenfenster. Die Schiffe der Flotte nahmen ihre Positionen ein. Ein mächtiger Schatten verdunkelte mit einem Mal die Sterne. Franks Blick glitt nach oben. Die Vigilantes – Dushkus Flaggschiff – folgte behäbig ihrem Kurs zwischen den Schiffen des Einsatzverbands, bis sie ihre Position an der Spitze der Formation eingenommen hatte.
Der Einfachheit halber formierte sich die Flotte bereits an der nördlichen Nullgrenze des Systems. Es war nur noch ein Katzensprung und die Schiffe waren in der Lage, das System zu verlassen.
»Status?«, verlangte Frank zu erfahren.
»ISS-Antrieb auf hundert Prozent Leistung«, informierte ihn sein XO. »Alle Systeme auf Grün.«
Frank nickte zufrieden. Er hatte nichts anderes erwartet. Nun lag alles an Dushku. Der Befehl zum Sprung musste vom Flaggschiff ausgehen. Frank trommelte ungeduldig mit den Fingerspitzen der rechten Hand einen unsteten Rhythmus auf die Lehne seines Kommandosessels. Der Befehl hätte längst erteilt werden müssen. Er rümpfte die Nase. Dushku gab mal wieder seinem entnervenden Hang zur Dramatik nach und machte eine unangenehm lange Pause vor dem nächsten Schritt.
Der Lieutenant an der ComStation sah sich endlich zu seinem kommandierenden Offizier um. »Befehl vom Flaggschiff: Sprung einleiten.«
Frank seufzte erleichtert auf. »Na endlich«, murmelte er verdrossen. Dann etwas lauter: »Navigation. Sprung einleiten, sobald wir an der Reihe sind.«
»Verstanden, Sir«, bestätigte Lieutenant Jordan Wayne, die diensthabende Navigatorin.
Der Antrieb eines jeden Schiffes hatte bis zu diesem Zeitpunkt unter minimaler Energie gestanden. Nun aber fuhren die Schiffe ihre Antriebe hoch. Die Aggregate flammten regelrecht auf. Der Vorgang setzte sich wie eine Welle durch die gesamte Flotte fort. Nacheinander überschritten die Schiffe die Nullgrenze und katapultierten sich in den Hyperraum.
Als die Saber II an der Reihe war, verkrampften sich Franks Hände unwillkürlich in die Lehnen seines Kommandosessels. Eine schlechte Angewohnheit, die er nie ganz hatte ablegen können. Ein Sprung besaß die unschöne Angewohnheit, ihm den Magen umzudrehen. Dennoch verzichtete er auf entsprechende Medikamente. Ein Offizier der Raumflotte musste mit so etwas ohne Hilfe zurechtkommen.
Die Kommandobrücke schien sich für eine Millisekunde ins Unendliche ausdehnen zu wollen, bevor das Schiff in die Schwärze des Hyperraums katapultiert wurde – einem ungewissen Schicksal und einer gefährlichen Mission entgegen.
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