Nataly von Eschstruth - Mondscheinprinzeßchen

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Der Band umfasst neben der Titelerzählung noch 14 weitere Geschichten aus der Hand der großen deutschen Unterhaltungsschriftstellerin Nataly von Eschstruth, unter anderem «Unter der Maske», «Monatsrosen», «Das Spukhaus», «Nur nicht heiraten», «In einer Frühlingsnacht» und «Ein Christmärchen». Die mit «Ein Märchen» unterschriebene Titelerzählung erzählt von einer jungen Prinzessin, die sich nachts im Mondschein heimlich nach draußen schleicht, um die Armen, Kranken und Bettler reich zu beschenken, denn ihre verstorbene Mutter hat ihr aufgetragen, den Schwachen «Trost und Hilfe» zu sein, während ihr engherziger Vater seiner Tochter solcherlei Taten der Barmherzigkeit nun strengstens verboten hat. Da begegnen ihr die Mondscheinelfen … Der Band versammelt Märchen und Gruselgeschichten, Weihnachtserzählungen, Geschichten von der Liebe und vom Erwachsenwerden, von Freundschaft und Verrat, von intriganten Bösewichten und selbstlosen Wohltätern, von enttäuschten Hoffnungen und erfüllten Verheißungen – und in ihnen allen spiegelt sich die Meisterschaft der Autorin, die mit leichter Hand die Fänden ihrer Erzählungen webt und Leserin und Leser mitnimmt in die Geschicke ihrer so liebevoll gezeichneten Protagonisten, bis sie oder er das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen kann …-

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Nataly von Eschstruth

Mondscheinprinzesschen

und andere Erzählungen

Saga

Ebook-Kolophon

Nataly von Eschstruth: Mondscheinprinzeßchen. © 1919 Nataly von Eschstruth. Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2015 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen 2015. All rights reserved.

ISBN: 9788711469989

1. Ebook-Auflage, 2016

Format: EPUB 3.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com- a part of Egmont, www.egmont.com.

Vor langen Jahren wohnte einmal ein König auf stolzer Burg am Rhein, der war bös und gottlos, kriegerisch und gewalttätig, so dass sein Volk ihn nicht liebte, sondern nur fürchtete. Seine Gemahlin, die schöne, liebliche Königin, gewann desto mehr die Herzen aller Armen und Unterdrückten, denn sie war fromm und gut wie ein Engel und suchte nach Kräften all die Wunden zu heilen, welche der hartherzige König schlug.

Da ward sie sehr krank und kam zum Sterben, und sie legte die Hände auf das Köpfchen ihres einzigen Töchterchens, welches in allen Dingen ihr Ebenbild war, und sprach: „Meine süsse, kleine Lelja, ich muss dich nun allein auf der Welt zurücklassen und tue es in der freudigen Zuversicht, dass meine Armen und Kranken doch nicht durch meinen Tod verwaist werden, denn du sollst künftig hier an meiner Statt ihr Trost und ihre Hilfe sein! Schon jetzt hast du mir brav geholfen, die Tränen zu trocknen und die verzweifelten Herzen zu trösten, du sollst es auch fernerhin tun, meinem Angedenken zu Heil und Segen!“

Die kleine Lelja weinte heisse Tränen und versprach, treulich der lieben Mutter Worte zu befolgen.

Als man die Königin begraben hatte, blieb das holde Prinzesschen allein und verlassen in der Königsburg zurück, denn ihr Vater befand sich wieder auf einem Kriegszug, von welchem er mit reicher Beute heimzukehren hoffte.

Das war gute Zeit für sein blondlockiges Töchterchen, welches nun unbehindert alle Armen und Kranken besuchen und ihnen Speise und süsse Worte des Trostes bringen konnte.

Als der König heimkehrte, fand er seine Tore von Bettlern belagert und zwischen ihnen, barmherzig und holdselig wie ein Engel, sein Töchterlein Lelja, das seine Gaben austeilte.

Der König ergrimmte, jagte zornig die Armen davon und schalt und bedrohte die kleine Prinzessin, er werde sie in den tiefsten Kerker einsperren, wenn sie noch einmal zur Diebin an seinem Eigentum werde!

Da weinte Lelja bitterlich und fürchtete sich sehr, die Werke ihrer Nächstenliebe noch sehen zu lassen, aber ihrer Mutter Worte lebten in ihrem Herzen, darum konnte sie es nicht über sich gewinnen, das Elend ohne Hilfe und Rettung zu lassen.

Heimlich schlich sie sich nachts aus der Burg und beschenkte ihre Schützlinge.

Der Mond beschien ihren Weg, dass sie sich nicht verirrte, und die Prinzessin blickte dankbar zu ihm auf und lächelte ihm zu.

So kam es, dass Lelja den stillen, friedlichen Mond sehr lieb gewann, viel lieber noch als die Sonne, welche stets drohte, ihrer Barmherzigkeit zur Verräterin zu werden, — und auch der Mond schien ein ganz besonderes Wohlgefallen an dem Prinzesschen zu finden, denn er schob jedesmal die Wolken beiseite, wenn das geheime Pförtlein in der Burgmauer knarrte, und begleitete sie als treuer Wächter auf ihrem nächtlichen Gang.

Eines Tages erscholl Kriegsgeschrei durch das Land.

Der König des Nachbarlandes, welchen Leljas Vater überfallen und beraubt hatte, kam mit grosser Streitmacht gezogen, um sich zu rächen.

Und so sehr man sich auch zur Wehr setzte, die Burg ward gestürmt und Feuer in ihr Dach geworfen.

Da gellte das Kampfgeschrei schauerlich durch die stille Nacht, und die Flammen schlugen empor und verschlangen die stolzen Zinnen und Säle. In ihrer Todesangst hatte die kleine Lelja sich auf die Plattform des höchsten Turmes geflüchtet, und der Kriegslärm schallte wüst zu ihr empor; die Feinde stürmten bereits die Treppe hinauf, und die Flammen leckten schon gierig über die Mauerbrüstung.

Da sank die Prinzessin voll Verzweiflung auf die Knie nieder und flehte den lieben Gott und alle Heiligen um Hilfe an.

Kaum aber, dass sich ihre Lippen zum Gebet öffneten, teilten sich die schwarzen Wolken, der Mond trat silbern hervor und seine Strahlen spannen sich wie eine feste, breite Brücke zu dem Turm herab.

„Komm empor zu mir, du liebes, frommes Mägdlein!“ nickte der Mond freundlich lächelnd, „betritt getrost die Brücke, welche ich dir gebaut habe, und komm zu mir herauf! Ich habe jede Nacht gesehen, wie gut und barmherzig du warst, darum darf ich dir jetzt in der höchsten Not helfen, denn die Engel im Himmel beschützen die fromme Unschuld!“

Voll inniger Dankbarkeit schritt Lelja auf der silbernen Brücke dahin, und zwei lichte Engel schwebten rechts und links neben ihr auf rosigen Wolken, die stützten und hielten sie, wenn sie schwindelig werden wollte und zu fallen drohte.

„So hast auch du die Armen und Schwachen gehalten und gestützt!“ sprachen sie lächelnd, und hre Stimmen tönten lieblich wie Harfenklang. Kaum aber, dass die Prinzessin auf der wundersamen Brücke dahineilte, tönte das Geschrei ihrer Verfolger schon auf dem Turm, und nach wenigen Minuten stürzte der stolze Bau krachend zusammen und begrub alle unter seinen Trümmern, welche noch in der Burg weilten. Lelja aber schwebte hoch empor durch die ziehenden Wolken, immer tiefer lag die Erde unter ihr, die brennende Burg erschien ihr schliesslich nur noch wie ein winzig kleines Fünkchen, und die höchsten Berge sahen aus wie unscheinbare Sandkörnchen. Der Mond aber kam näher und näher, und wie erstaunte Lelja, als sie nun ganz deutlich erkennen konnte, wie es auf ihm aussah!

Das, was sie drunten von der Erde aus stets für eine runde, silberne Kugel gehalten hatte, das war das grosse, leuchtend helle Kuppeldach eines wundervollen, zauberhaft schönen Palastes. Weisse Marmorsäulen stützten es, und luftige Hallen wölbten sich darunter.

Alles funkelte und glänzte und tat dem Auge doch nicht weh, denn ein mildes, bläuliches Licht flutete darüber hin, und die Sterne standen ganz nah und brannten so bunt glitzernd wie das schönste Feuerwerk.

Lelja war ganz sprachlos vor Entzücken und wagte kaum ihre Brücke zu verlassen und den Mond zu betreten.

Aber die Engel redeten ihr liebevoll zu, und zu gleicher Zeit ertönte eine himmlische Musik und viele kleine Elfchen eilten ihr voll Jubel mit ausgebreiteten Ärmchen entgegen.

„Wir sind die Mondscheinelfen!“ riefen sie, „und wir kennen dich schon lange, liebe Lelja, haben dich nachts gar oft geleitet, wenn du die Hütten der Armut besuchtest, du sahst uns damals nur nicht! — O wie froh sind wir, dass du gutes, frommes Kind nun bei uns bist! Glückselig sollst du fortan sein und hier den Lohn für all deine Barmherzigkeit und deinen Gehorsam finden.

Sie nahmen die Hände des Prinzesschens und geleiteten es auf den Mond.

Ja, war dies denn wirklich der Mond?

So etwas wunderbar Schönes hatte Lelja noch nie gesehen, selbst ihre Bilderbücher hatten keine so schönen Dinge gezeigt.

Ein zauberhaft schöner Garten umgab sie. Schlanke Palmen flüsterten über ihr, wundervolle Blumen blühten allerwegen, und Schmetterlinge, so gross und so bunt wie leuchtende Edelsteine, schaukelten sich an den demantblitzenden Kelchen.

In den Zweigen der Bäume lockten köstliche Früchte aller Arten, so niedrig hängend, dass das kleine Mädchen nur die Händchen auszustrecken brauchte, um die schönsten Aprikosen, Pfirsiche und Äpfel zu greifen.

„Du darfst pflücken und essen, was dir gefällt und was du magst!“ lächelten die Elfchen.

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