Er soll dein Herr sein! — Dies Wort ist und bleibt der Grund- und Eckstein für eine jede glückliche Ehe, und ein Weib, welches nicht die Würde und Überlegenheit des Mannes anerkennt, wird nie an seinem Herzen das Glück finden, welches sie erhofft und erträumt. Die schwache Natur des Weibes verlangt einen starken Halt und eine kräftige Stütze an dem Führer durch das Leben, — und ihr Glauben daran und ihr Vertrauen sind für ewig erschüttert, zeigt dieser Starke auch nur ein einziges Mal eine Schwäche, über welche sie triumphiert.
Nein, — zu seinem und zu ihrem Heil —! er durfte nicht nachgeben. Aber so wie bisher ging es nicht weiter; dieser unerträgliche Zustand konnte und durfte nicht länger andauern.
Da war Alfred auf einen guten Ausweg verfallen; er ersann eine List, welche hoffentlich zum Ziele führte.
Und nun war die Stunde gekommen, wo sich dies zeigen sollte.
Unter Lachen und Scherzen stand er vor dem Spiegel, und eine wohlbetagte Schneiderin und der Friseur verwandelten ihn in eine der reizendsten Spanierinnen, welche man sehen konnte!
Welch eine Taille! — Alfred biss die Zähne zusammen und sagte: „Ziehen Sie nur fest zusammen — ich halte es noch für zwei Zentimeter enger aus! — Und der Fuss! Wahrlich, keine Dame brauchte sich seiner zu schämen! — Puder und Schminke taten das ihre, spanische Spitzen verschleierten, was nicht gesehen werden sollte, und jede Bewegung war nett und zierlich, wenngleich die Schneiderin schier sterben wollte vor Lachen und immer wieder mahnte: „Schwenken Sie die Röcke nicht so toll! Machen Sie kleine Schritte, Herr Naugardt! — Am besten ist’s, Sie setzen sich recht viel und lange hin!“
Das nahm er sich auch vor.
Eine Droschke rasselte vor die Tür, und Freddys bester Freund, Leutnant von Mirsch, sprang mit schnellen Schritten die Treppe empor.
„Ah, famos! Don Carlos! Also du hast dir dieses teure Kostüm doch andrehen lassen, alter Junge! Sehr hübsch! Schwarzer Samt und rote Seide! Ha, ich wünschte, ich könnte dich meiner Mutter mal, wenigstens von fern, zeigen!“ —
Mirsch brach in stürmische Worte des Beifalls aus, als die allerliebste Spanierin ihm sehr kokett die Hand zum Kusse bot, und wenige Minuten später fuhren „Monsieur et madame“ dem hellerleuchteten Ballsaal entgegen.
Cilly sollte das Kostüm einer Odaliske tragen — aber Alfred stand dennoch geraume Weile und liess den bunten Maskenschwarm an sich vorübertosen, ehe er die Geliebte zu erraten glaubte. Da wirbelten mehrere Türkinnen im Tanz an ihm vorüber — nein ... keine von all diesen konnte Cilly sein! Endlich blitzt und funkelt es ihm grell in die Augen, weiche Seidenstoffe glänzen vor seinem Blick, und in der vollen, verführerischen Schönheit, so wie Sichel seine Odaliske gemalt, steht Cilly unter schwarzer Halbmaske vor ihm.
Erregt legt sie ihren weissen, samtweichen Arm auf den seinen.
„Endlich, Alice! Wo um alles bleibst du?“ flüstert sie mit unverstellter Stimme; „wir hatten doch verabredet, dass wir uns unter der Kaiserbüste dort treffen wollten!“ —
Alfreds Herz schlägt hoch im Halse. Er presst ihren Arm fester und fester an sich. „Ich wollte mich soeben zu Majestät durcharbeiten,“ flüsterte er mit piepsender Stimme; „ich stand ja hier wie eingekeilt!“
Cilly lacht und kneift ihn in den Arm. „Warum sprichst du denn so albern? Mir gegenüber brauchst du doch die Stimme nicht zu verändern?!“
Er kichert in hellem Diskant: „Doch! Doch! Ich will mich üben! Mama sagt, so wie man einmal mit eigener Stimme spricht, fällt man den Herrn gegenüber auch aus der Rolle!“
„Meinetwegen!“ seufzt die reizende Odaliske, „ich will es ja gerade, dass er mich bald erkennen soll! Ach Alice — heute — oder nie!“ —
„Ist er denn schon da?“
„Ja; ich sah ihn — und ich hefte mich an seine Fersen! Ich sage ihm — dass ich aus der Hand die Zukunft lesen kann — und dann nenne ich ihm ... aber du weisst ja schon — — kennst ja meinen Schlachtplan — ich muss heute siegen — ich muss Gewissheit haben — ich ertrage es nicht länger ...“
Alfred vermeint, die Welt drehe sich im Kreise um ihn! Welch eine Wonne! Jetzt schon — so schnell kam der Augenblick, wo er sie zu weiterem Geständnis drängen kann! Er legt den Arm voll kühner Leidenschaft um sie, — er ist ja Alice!
„Komm — setz dich dort zu mir — lass uns plaudern —“ flüstert er.
„Wo denkst du hin? Das können wir morgen! Jetzt will ich ihn suchen und ihn hoffentlich für immer finden!“ — Und schnell wie der Gedanke entwindet sie sich ihm, und da gerade ein lustiger Matrose vorübereilt und sie in übermütiger Weise mit sich fortzieht, so wirbelt Cilly im Tanze dahin, schneller und überraschender, als die schöne Spanierin es sich träumen lässt.
Ungestüm will er ihr nacheilen — aber ein Harlekin und ein Mephisto nehmen unter krähendem Jubel das „schöne Spanien“ gefangen, und bis Freddy sich mit etwas handfester Ungeduld von ihnen befreit hat, ist die Odaliske und ihr Tänzer im dichten Menschenschwarm verschwunden.
Er eilt hin und her ... er sucht mit den Blicken ... endlich sieht er die Goldmünzen leuchten — ah ... spasshaft — sie schreitet an dem Arm seines guten Mirsch, des schwarz-roten Don Carlos dahin. Wie sie sich an ihn anschmiegt — wie sie zu ihm aufflüstert ... Der Tausend, ja! —
Mit kräftigen Armen bahnt sich die Spanierin ihren Weg — schon nähert er sich ... da zieht Cilly den etwas widerstrebenden Carlos mit sich in das Gewoge der Tanzenden — ihr Köpfchen sinkt an seine Brust — sie schweben davon!
Hält sie jenen Don Carlos etwa für ihn? Das wäre eine schöne Bescherung! —
Fiebernd vor Aufregung stürmt Alfred ihnen abermals nach — aber wie schwer hält es, in dieser Menschenmenge und dem riesengrossen Hotelsaal einem tanzenden Paare zu folgen! Dazu die aufdringlichen Herren, — welche mit ihren Artigkeiten die „holde Schöne“ verfolgen, sie umringen oder ihr den Weg versperren! —
Freddy möchte am liebsten die Maske herunterreissen und sie mit bärtigen Lippen hohnvoll zärtlich anlächeln!
Jetzt ... da stehen sie wieder jenseits an der Wand! Ist Cilly von Sinnen? Sie löst eine Rose von der Brust und reicht sie dem Stockfisch von einem Mirsch ... als ob ... ja, fraglos! was will er denn — dies alles gilt ja ihm selber, ihm, Alfred! — Aber zum Kuckuck noch eins, wenn Mirsch Feuer fängt? Na ja — er neigt sich schon recht tief ... Er küsst ihre Hand — Wie ein Rasender bahnt Freddy sich einen Weg. Ha! keine zwei Schritte mehr entfernt — und dahin wirbeln sie abermals!
Ein Gefühl glühender Eifersucht überkommt den armen Verliebten! Er, welcher Cilly durch kleine Einflüsterungen eifersüchtig machen und ihr das Geständnis der Liebe entlocken wollte, er fühlt sich plötzlich selber von den Flammen dieser Leidenschaft ergriffen.
Ausser sich folgt er — eilt hin und her ... aber es ist, als ob alle bösen Geister sich gegen ihn verschworen hätten, er erreicht das unruhige, tanzlustige Pärchen nicht.
Da überkommt es ihn wie dumpfe Resignation, er wendet sich nach der kleinen Seitennische, wo die Marmorbüste des Kaisers an der Wand glänzt, und wo in lauschigem Grün trauliche Ruheplätzchen winken.
Dort ist es noch etwas menschenleer, denn alles drängt der Mitte des Saales zu, wo ein paar Gaukler lustige Possen treiben.
Da klingt und klirrt es leise neben ihm; atemlos, sichtlich hocherregt, stürmt die reizende Odaliske herzu, wirft sich neben ihm auf das Polster, schlingt ausser sich die Arme um ihn und drückt das Antlitz auf seine Schulter.— „Alice!“ schluchzt sie auf, „alles ist verloren! — Er liebt mich nicht — er liebt eine andere — alles war nur falsches Spiel von ihm — —“
Freddy wagt kaum zu atmen, aber drückt die zitternde Gestalt an sich. „Was denn — um alles in der Welt — sprich —!“ murmelt er.
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