Vögel mit schillerndem Gefieder flogen zutraulich umher und liessen sich auf die Hände der Elfchen nieder und sangen gar süsse Lieder, und auf den sammetweichen Waldwiesen schritten weisse Rehe und niedliche Lämmchen, die kamen furchtlos herangesprungen und liessen sich streicheln.
Ach wie schön, wie herrlich schön war das!
Der Sand auf den Wegen flimmerte wie Silber, die Quellen murmelten und dufteten wie das beste Kölnische Wasser, und wenn ein zarter Windhauch durch die Blumen und Zweige streifte, so erklangen sie melodisch wie silberne Glöckchen.
„Sieh hier!“ lachten die Elfchen, „hier blühen noch ganz absonderliche Blumen, Lelja, wenn man ein wenig schüttelt, fällt aus jeder ein Bonbon!“
Das Prinzesschen konnte solch ein Wunder gar nicht begreifen, schon aber hafteten ihre Blicke an den hohen Marmorhallen des Palastes, vor welchem sie angelangt waren.
Wie in einem Zauberland gleisste und strahlte der Märchenpalast, und doch sah er so traulich aus, dass sie sich gar nicht fürchtete, hineinzugehen. Welch eine Pracht! Kein Kaiserschloss kann schöner sein! Unter der silbernen Mondkuppel dehnte sich ein Saal — ach so weit und hell und warm — darin standen die herrlichsten Spielsachen, mit welchen sich die Elfchen tagsüber vergnügten, denn am Tage, wenn die Sonne am Himmel stand, hatten sie freie Zeit, nur des Nachts flogen sie auf den Mondstrahlen hernieder zur Welt und stellten sich an die Bettchen der braven, frommen Kinder, welche vor dem Einschlafen ihr Gebetchen gesagt haben; — diese Kinder beschützen sie dann in der dunklen Nacht und bringen ihnen schöne Träume.
Immer weiter führten die Mondelfchen ihre neue kleine Gespielin. In dem grossen Esssaale sah es gar lecker aus! Da standen lange Tafeln, besetzt mit silbernen Schüsseln und Tellern, ach und welch köstliche Speisen in Hülle und Fülle!! Kuchen und Schokolade, Marzipan und Torten, süsse Puddings und Schlagsahne — und jedes Elfchen durfte davon essen so viel es mochte, — aber wohlverstanden nur dann, wenn es Suppe und Braten zuvor gegessen hatte, wie sich das bei jedem guten und vernünftigen Kind von selbst versteht.
„Nun sollst du auch noch ein paar schöne silberne Flügelchen bekommen, so wie wir sie auch haben, damit du frei umherfliegen und uns auch einmal zu den silbernen Sternchen am Himmel begleiten kannst, denn diese müssen wir schön blank putzen, und wenn ein besonderer Festtag im Himmel oder auf Erden ist, dann nageln wir noch ein paar mehr an, damit recht festlich illuminiert ist!“
Wie sie das noch so sagten, hefteten sie Lelja ein paar reizende kleine Flügelchen an die Schultern, und sie wuchsen auch gleich fest und Prinzesschen hätte auch sofort fliegen können, aber sie wagte es noch nicht. Auch stand sie plötzlich ganz traurig, hatte die schönen blauen Augen voll Tränen und faltete inbrünstig die kleinen Hände.
„Ei Lelja! Du weinst?“ fragten erstaunt die Elfchen, „gefällt es dir denn nicht bei uns?“
Die Kleine nickte und lächelte unter Tränen.
„O ja, es ist wunderbar schön hier, und ihr seid so lieb und freundlich zu mir, — aber ich bin in all dieser Pracht und Schönheit doch so allein, niemand von meinen Lieben ist bei mir, ach, und meine Sehnsucht nach lieb Mütterlein wird immer grösser!“
Die Elfchen blickten einander bedeutsam an und lächelten.
„Hast du denn schon zu dem lieben Gott gebetet, dass er dir dein Mütterchen wiedergeben möchte?“ — fragten sie.
„Ach ja!“ seufzte Lelja, „so recht von Herzensgrund! Als ich hierher, über die silberne Brücke zu dem Mond schritt, da betete ich immer, die lieben Engel möchten mich doch zu Mütterlein geleiten!“
„Nun so komm, — dort in dem Palmenhain steht eine Kapelle, da sollst du noch einmal niederknien und bitten!“
Leljas Augen leuchteten in Freude und süssem Glauben, sie eilte voll Sehnsucht nach dem flüsternden Hain, aus welchem das goldene Kreuz der Kapelle ihr entgegenleuchtete.
Die grossen, goldenen Türflügel taten sich auf, und als Lelja demütig auf die Knie sank und die Hände faltete, da schwebte eine blaue Wolke hernieder und auf den Marmorstufen stand eine lichte Engelsgestalt, die breitete die Arme voll inniger Liebe aus.
„Mutter!“ schluchzte Lelja voll seliger Wonne und flog an die Brust der Wiedergefundenen.
Nun erst war ihre Seligkeit vollkommen, und sie wohnte nun für immer mit ihrer Mutter in dem silbernen Mondpalast bei den kleinen Strahlenelfen.
Welch eine Wonne!
Nun spielt sie mit den Rehen, Lämmchen, Vögeln und Schmetterlingen, nun pflückt sie die herrlichen Früchte und regt ihre Flügelchen zu seligem Fluge. Und die Elfchen nehmen sie mit, wenn sie die Sternchen plank putzen und wenn der dunkle Nachthimmel so recht festlich erhellt sein soll. Dann füllen sie Lelja das Kleidchen voll kleiner Sterne, geben ihr silberne Nägel und ein Hämmerchen und sagen: „Nun hilf uns!“ — Prinzesschen ist aber noch ein wenig ungeübt bei der Arbeit, und so passiert es denn manchmal, dass ihr das Kleidchen niederfällt und alle Sternchen herausfallen, in hellem Streif an dem Himmel herunter!
Die Menschen, welche ja nichts von dem kleinen Mondprinzesschen wissen, sagen dann: „Eben fiel eine Sternschnuppe!“ — aber es war keine, es waren nur die blanken Sternchen, welche Lelja aus dem Kleidchen verlor!
Die Elfchen lachen sie dann weidlich aus, fliegen schnell nach und fangen die Fünkchen wieder ein.
Noch eins hat die Kleine tief bekümmert.
„Ach, was soll nun aus all den armen, kranken, traurigen Menschen auf der Welt werden, wenn wir sie nicht mehr trösten können, lieb Mütterlein?“ seufzte sie gar oft, und sie tat wieder, was sie stets im Leben getan hatte, wenn ihr das Herzchen traurig war, — sie betete. Und weil das Gebet der Frommen und Braven erhört wird, so erlaubte der liebe Gott dem guten kleinen Mädchen, dass es die armen, betrübten Menschen auch fernerhin trösten dürfe.
Abends, wenn der Mond am dunklen Himmel steht, fliegen Lelja und ihr Mütterlein, der schöne, friedliche Engel der Nacht, auf den glitzernden Mondstrahlen zur Erde hernieder.
Und wo sie tränennasse Augen sehen und bange Seufzer zum Himmel schallen hören, da streichen sie sanft tröstend über die gramgefurchte Stirn und küssen die müden Augen zu erquickendem Schlummer zu.
Darum lieben alle traurigen und unglücklichen Menschen das sanfte Mondlicht so ganz besonders, und manch heisserregtes Herz findet unter seinem heiligen Glanz den verlorenen Frieden wieder!
Novelle
Die Frau Sanitätsrätin stand hinter dem Sessel, in welchem ihr Sohn, der junge, schmucke Fabrikant mit dem kecken blonden Schnurrbärtchen und den schalkhaft blitzenden Augen, behaglich zurückgelehnt lag und blaue Rauchwölkchen in die Luft blies. Sie formten sich alle zu den tadellosesten Ringen, welche langsam durch die warme, duftige Luft des Salons schwebten, bis sie an den zackigen Blättern einer Agave, deren graziöse Krone sich von dem Blumentisch herüberneigte, zerrannen.
Die alte Dame sah mit traurigem, ein wenig forschendem Blick in das frische Antlitz ihres Einzigen.
„Gehst du, Freddy? Gehst du ganz gewiss?“
Der junge Mann wandte lächelnd den Kopf und küsste — ohne seine Stellung zu verändern — die schlanke, weisse Hand, welche mit sanftem Druck auf seiner Schulter lag.
„Aufs Wort, Mutterchen, ich gehe! Was ich einmal versprochen habe, das halte ich auch, wenn es mir auch noch so langweilig und unangenehm ist.“
„Ich traue dir noch nicht so recht! Warum willst du es mir denn durchaus nicht sagen, welch ein Kostüm du gewählt hast — warum soll ich dich nicht vorher sehen ...“
Wieder drückten sich seine Lippen zärtlich auf die leicht bebenden Finger der Sprecherin, und seine Augen leuchteten voll Schelmerei.
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