Denn es ist ja nicht zufällig, und das Rauchen ist nicht etwas, wozu ich mich frei entscheide. Ich konnte es nie ab, an einen Ort zu gehen, um zu rauchen . Ziel und Sinn der Rauch-Aktivität ist die Freiheit.
Sonst müßte ich wohl anfangen, im Einzelzimmer zu rauchen, und zwar nur dort.
Daß einige Leute von gesunder Kost und vegetarischem Essen reden und wie zerstörerisch Rauch für den Körper ist und daß Tabak die Erde in den Entwicklungsländern auslaugt, bringt mich nun nicht gerade dazu, aufzuhören. Eher werde ich diesen Öko-Enthusiasten gegenüber immer aggressiver.
Gesundheitsapostel nannten wir sie früher, mit einem Kichern dabei. Jetzt gibt es dieses Öko-Volk und die Ökofeministinnen überall, und niemand kichert mehr über sie.
Wir sollen nicht rauchen, wir sollen kein Fleisch essen, wir sollen kein Auto besitzen, keinen Hund (die essen Proteine, die die Inder hätten bekommen sollen), wir sollen ABBA nicht anhören (kommerzieller Schwindel mit Sex), wir sollen keinen Job im Gesellschaftsystem annehmen, und wir sollen mit der Gesellschaft, auf welche Weise auch immer, keinen Kompromiß eingehen. Wir sollen unsere eigenen Dinge und unsere eigene Kultur machen.
Ja, das ist gut und schön. Feministisch und sozialistisch. Aber was ist zu tun, wenn wir das nicht schaffen? Wir haben verschiedene Erfahrungen, kommen aus unterschiedlichem Milieu, haben verschiedene Formen von Scheiße erlebt. Ich habe mir oft gedacht: Was wissen die jungen Frauen davon, wie es ist, 35 zu sein? Was wissen sie von der Einsamkeit in den 50er Jahren? Für sie hat es immer eine Frauenbewegung gegeben.
Wir haben unsere Gründe. Unser ganzes Leben ist unsere Begründung. Ich habe meine Gründe, meine heimlichen Gründe, warum ich rauche, die ich niemandem mitteile.
Und eins ist klar: Wir können uns nicht unter allen Umständen raushalten. Wir fassen in die Scheiße, wo wir gehen und stehen. Selbst den Protest vereinnahmt das System für sich. Schluck, schluck. Hoffnungslos.
Ich fühlte mich angegriffen, wurde aggressiv. Dachte mit einer gewissen Schadenfreude: Jetzt werden wir mal sehen. Welche ökologisch verdammenswerten Dinge gibt es, die ich nicht tue? Oh ja. Ich habe keinen Hund. Wau, wau. Gibt es Tiere mit häßlicherer Stimme? Ich habe weder einen Hund noch ein anderes proteinfressendes Schmusetier. Ich trinke so gut wie nie Kaffee, das norwegische Lieblingsgift Nr. 1. Ein schlimmeres »gemütliches Getränk« ist sicher nie erfunden worden. Überall in den norwegischen Häusern sitzen sie und schlürfen ihr Lieblingsgift. Kanne für Kanne. Kann es passieren, daß eine Kaffeekanne ausgelassen wird? Und was bekommt Juan dafür, daß er eine Kaffeekanne voll pflückt? Ich habe kein Auto. Brumm, brumm, tüt, tüt, crash bumm. Ich habe manchmal Lust, das Gegenfeuer zu eröffnen, mich bei der Arbeit auf so einen armen kaffeetrinkenden Nichtraucher zu stürzen und zu sagen: »Trinkst du wirklich Kaffee? Ist dir nicht klar, daß du dadurch die Erde in den Entwicklungsländern auslaugst?« Ich möchte nichtrauchende Autobesitzer anmeckern und ihnen schildern, was für ein Gefühl es ist, täglich unter der Kreuzung bei Sinsen hindurchzugehen. »Ja, ja, ja – Sie reden vom Passivrauchen «, würde ich ihnen sagen, »damit sind Sie schnell bei der Hand, weil Sie vor 15 Jahren aufgehört haben zu rauchen. Ihre Lungen sind wirklich besser geworden seitdem und Sonntag für Sonntag springen Sie von Aussichtspunkt zu Aussichtspunkt, und wie wäre es mit einer kleinen Tour nach Blefjell, damit Sie Ihre gute Kondition wirklich mal zeigen können? Aber haben Sie jemals etwas vom passiven Autofahren gehört? Dem setzen Sie Ihre Mitmenschen aus, wenn Sie vom Hof fahren, mit Ihrer Kondition hinterm Steuer und den Skiern auf dem Dach. Das muß ich jeden Tag ertragen. Passives Autofahren. Haben Sie mal versucht, wie das ist, um halb vier Uhr nachmittags an einer Hauptverkehrsstraße längs zu gehen? Haben Sie ausprobiert, was dann aus Ihrer Kondition wird, die Sie doch jetzt so schön haben? Was? Nein, das nicht. Und dann noch Ihr plattnasiger Boxer da. Sind Sie sich klar darüber, daß es über 200.000 solcher vierbeiniger Untiere in diesem Land gibt? Und wissen Sie, wieviele indische Kinder satt würden – satt! –, wenn Sie und Ihresgleichen sich nicht den Luxus leisten würden, diese Viecher zu füttern?«
Ja – dazu hätte ich Lust gehabt, als das Gehetze gegen die Raucher seinen Höhepunkt erreichte.
Als wir gestern in der Straßenbahn saßen, meinte Camilla, daß sie dagegen sei, daß wir – jede einzelne – darauf achten müßten, daß wir all den verdammenswerten Produkten widerstehen, die auf den Markt kommen. Wir sollten das Waschmittel mit den schädlichen Chemikalien nicht kaufen, wir sollten der Reklame für das scheinbar leckere Fertiggericht widerstehen, wir sollten aufhören zu rauchen.
Außerdem könnte es ja sein, daß wir gar nicht ohne diese Dinge klarkämen, meinte sie. Also, wir könnten uns selbst nicht noch stärker unter Druck setzen, als wir es schon täten. Wir lebten nun mal in der Gesellschaft, in der wir lebten, funktionierten in ihr, und das kostete uns das und das – und vielleicht, wenn wir gar keine Drogen mehr zu uns nehmen würden, würden wir nicht mehr funktionieren. Weder in der Gesellschaft, noch in der politischen Protestbewegung. Und was dann?
Aber kam all mein Widerstand gegen diese moralisierende Ökopolitik nicht nur aus einer Scheißangst davor, daß die Politik, an die ich glaubte, Konsequenzen für mein eigenes Leben bringen würde? Angst davor, aufzuhören zu rauchen? Angst davor, gesünder zu leben, wenn ich das doch nicht schaffte? Zu etwas gezwungen zu werden. Ganz einfach. Wir schnaubten vor Wut über radikale Männer, die die Sache der Frau predigten und nicht mal abwuschen oder den Fußboden aufwischten. Männer wischen nie den Fußboden. Aber was ist mit uns selbst?
Camilla fand, die Lösung läge darin, daß wir einfach sagen sollten, der Grund, warum wir aufhörten zu rauchen, sei politisch, nicht moralisch. Zigaretten sind ein verachtenswertes Produkt, das auf den Markt geworfen wurde. Wenn jemand der Versuchung erlag, sollten wir nicht von dem Individuum Abstand nehmen, sondern darüber sprechen, wie verdammenswert es sei, daß das Produkt da ist .
Wenn aber das Produkt verdammenswert ist, sollte sich nicht die einzelne schämen, daß sie es benutzt? Wo fängt die Politik da an?
Ja, das war diese Dammann-Politik 1. Die Zukunft liegt in unseren Händen. Wenn jeder einzelne keinen Abfall mehr wegwirft . . . Extremer Individualismus. Genau das will der Kapitalismus ja nur. Wir sind angeschmiert, wenn wir glauben, es liegt an uns.
Und doch – es muß doch eine Möglichkeit geben, bei sich anzufangen, ohne so zu denken? Es muß doch möglich sein, an sich selbst zu arbeiten, während wir den organisierten Widerstand aufbauen? Wenn wir sagen: »Ich muß rauchen, weil ich nur das arme Produkt dieser Gesellschaft bin, ein Nervenwrack, ist es verwunderlich, daß ich ein Nervenwrack geworden bin?«, machen wir ja genau das, wozu uns das Kapital zwingen will. Genau das, dem wir widerstehen müssen, weil es Zwang ist. Wir müssen selbst Widerstand leisten. Das ist die Moral. Und ist das nicht auch Politik? Bewußtmachen, Widerstand, Bewußtmachen – die ganze Zeit, ohne Pause. Und mir ist nicht klar, wie dabei vermieden werden soll, Individuen zu kritisieren. Oder anders: Wie kann das Bewußtmachen – die Aufklärung über Rauchen, das Rauchverbot, all das Unangenehme und Mahnende – wie kann das bewerkstelligt werden, ohne moralisch oder unangenehm zu wirken? Und was kann es anderes sein als Politik?
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