»Ich würde lieber die Klappe halten, wenn ich Sie wäre«, warnte ihn Roz. »Er könnte wiederkommen und auch Ihre Innereien hübsch anrichten. Wie hat Ihr Boss ausgesehen?«
»Was kümmert Sie das? Er ist tot. Gehen Sie doch runter ins städtische Leichenschauhaus und schauen Sie sich das Ganze selbst an, wenn es Sie so sehr interessiert.«
Roz packte ihn wieder am Kragen und ihre Knöchel bohrten sich in seinen dünnen Hals. »Beantworten Sie einfach meine Frage!«
Der Angestellte krächzte etwas Unverständliches und Roz zog fester. »Lauter!«
Chris löste sanft ihre Finger. »Er kann nichts sagen, wenn du ihm die Luft abschnürst.« Er wandte sich Relk zu, der sich den Hals rieb und nach Luft schnappte. »Bitte beantworten Sie die Frage, Sir. Ich versichere Ihnen, dass es in Ihrem eigenen Interesse ist, uns bei unseren Nachforschungen zu unterstützen.«
»Welche Frage?«, krächzte Relk.
»Immer noch dieselbe«, knurrte Roz. »Wie hat Ihr Boss ausgesehen?«
»Er war groß«, krächzte Relk. »Sehr groß. Er hatte langes, silbernes Haar und so einen kleinen, hübschen Spitzbart. Außerdem trug er immer nur die edelsten Seidenroben.«
»Schon besser. Und jetzt hauen Sie ab!«
»Vielen Dank für Ihre Kooperation, Sir«, sagte Chris.
Relk verzog missbilligend das Gesicht und eilte davon.
Roz sah Chris an. »Und was jetzt?«
»Jetzt suchen wir weiter.«
»Wie?«, wollte Roz wissen. »Und wo? Er hat wieder Credits und ein neues Aussehen.«
»Und wir haben eine neue Beschreibung.«
»Was haben wir davon? Wir werden nichts mehr von ihm hören, bis es den nächsten Mord gibt – und dann noch einen und noch einen. Bis er genug von diesem Planeten hat und …«
»… zu neuen Gestaden des Mordens aufbricht«, sagte Chris poetisch.
»Und wir hecheln ihm hinterher wie zwei abgewrackte vrangianische Spürschweine. Ich hab langsam die Schnauze voll davon, Chris.«
Plötzlich hörten sie das Röhren der Raketenmotoren von schweren Geländewagen, heisere, wütende Rufe und das Stampfen von Stiefeln. Dann kamen drei enorme Gestalten ins Zimmer gestürmt. Sie waren noch größer als Chris, trugen Marschstiefel, Lederhose und Lederwams. Ihr Schädel war riesig, mit brutalem, vorstehendem Unterkiefer und hoch aufragender Stirn, die von verfilzten Haaren umrahmt wurde. Sie richteten ihre klobigen, antiquierten Blaster auf Roz und Chris.
Roz wusste sofort, dass sie es mit Ogron-Banditen zu tun hatten. Sie entdeckte Relk, der hinter den drei Riesen hervorlugte, und rief ihm zu: »Stehen Sie nicht so rum, rufen Sie die Polizei!«
Sie griff nach ihrem Blaster, doch Chris packte sie am Arm. »Kann er sich sparen. Das ist die Polizei!« Er zeigte auf das rostige Abzeichen am Wams des Anführers.
Der Ogron trat vor. »Ihr mitkommen!«, brüllte er. »Ihr unter Arrest!«
»Ich glaube, Sie verstehen da was falsch«, sagte Chris. »Wissen Sie, wir sind Privatdetektive auf einer rechtmäßigen …«
»Ihr unter Arrest! Ihr kommen mit uns!«
Chris suchte in seiner Tasche nach seinen Papieren, wurde jedoch sofort von zwei riesigen haarigen Händen festgehalten.
Chris wäre trotz seiner Stärke nie eingefallen, mit einem Ogron zu ringen.
»Oder«, sagte er, »wir kommen einfach mit, wie wär das?«
Chris und Roz wurden gepackt, auf grobe Weise durchsucht und ihrer Waffen entledigt. Dann wurden sie aus dem Büro und durch die Wechselstube geführt und hinten in einen gepanzerten Hoverkombi verfrachtet, in dem bereits zwei kräftige Minenarbeiter und ein tieftrauriger Alphacentaurianer saßen.
Letzterer war über seine Gefangennahme dermaßen beschämt, dass er, den Kopf in seinen Tentakeln verborgen, still in der Ecke hockte.
Die Minenarbeiter waren stockbetrunken und aggressiv. Chris musste erst ihre Köpfe gegeneinander schlagen, damit sie die Fahrt über in Frieden gelassen wurden.
Roz zu besänftigen dauerte ebenfalls eine Weile, wenngleich hierfür keine Gewalt nötig war. Sie war schon oft diejenige gewesen, die mutmaßliche Täter eingesackt hatte, aber das Ganze nun über sich selbst ergehen lassen zu müssen, gefiel ihr kein bisschen.
»Sieh’s doch mal so: Du bekommst einen ganz neuen Blickwinkel auf die Polizeiarbeit«, sagte Chris.
Roz sagte ihm, wohin er sich seinen neuen Blickwinkel stecken konnte.
Nach einer Fahrt, die ihnen sehr lang vorkam, hielt der Wagen an und sie wurden auf einen gepflasterten Hof gezerrt, der von einer hohen Mauer umgeben war. Die anderen Passagiere wurden unsanft auf einen niedrigen Zellenblock aus Stein zugetrieben. Chris und Roz brachte man ins Hauptgebäude, führte sie eine schmutzige Steintreppe hinauf und warf sie in eine Zelle, die nicht mehr als eine vergitterte Einbuchtung in einem langen Korridor war. Das Gebäude war dunkel, feucht und düster wie ein mittelalterliches Schloss. Die Steinwände schienen den Schmerz und das Leid voriger Gefangener aufgesogen zu haben. Alles hier erweckte den Eindruck, als müsste es weiter unten Kerker und Folterkammern geben.
Chris schaute sich um, holte tief Luft und lächelte glücklich.
»Was stimmt dich denn so fröhlich?«, knurrte Roz.
»Ach, ich weiß nicht … es ist alles irgendwie so vertraut. Ich meine, eine Polizeiwache ist eine Polizeiwache. Egal auf welchem Planeten, im Großen und Ganzen sind sie sich doch recht ähnlich. Sie haben sogar den gleichen Geruch.«
»Ich will dir ja nicht deinen nostalgischen Moment vermiesen – aber wir befinden uns auf der falschen Seite der Stangen.«
»Das ist bestimmt alles nur ein Irrtum«, sagte Chris optimistisch.
»Meinst du? Was für eine Regierung setzt denn Ogrons für ihre Polizeiarbeit ein?«
»Jetzt wundert es mich nicht mehr, dass diese flauschigen Räuber uns angefleht haben, nicht die Polizei zu rufen«, meinte Chris. »Wenigstens scheint’s hier ein bisschen Respekt vor Recht und Ordnung zu geben.«
»Recht und Ordnung?«, knurrte Roz. »In Megacity? Dass ich nicht lache. Der Polizeichef ist wahrscheinlich ein Dalek!«
Nach endlos langer Wartezeit – auch das hatten alle Polizeireviere gemein – erschien ein Ogron-Polizist, öffnete die Zelle und winkte sie mit seinem Blaster heraus. Sie wurden einen Steinkorridor entlanggetrieben und in ein enormes Büro gebracht.
Die Wachen schoben sie in die Raummitte und stellten sich dann vor die Tür.
Chris und Roz blickten sich verblüfft um. In dem riesigen Raum gab einen Teppich, umwerfende Wandbehänge und bunte Hologramme. Bequem aussehende Stühle und Tische von elegantem Design standen herum, ebenso Skulpturen, die verschiedene exotische Lebensformen darstellten.
Hinter einem enormen Schreibtisch an der gegenüberliegenden Wand saß eine massige Gestalt. Es war ein weiterer Ogron; Roz war noch keinem begegnet, der größer und brutaler ausgesehen hatte. Er trug eine luxuriösere Version der üblichen Ogron-Bekleidung. Das Hemd schien aus Seide statt aus Sackleinen zu sein und sein Wams bestand aus fein besticktem Kalbsleder.
Am überraschendsten war, dass der Ogron mit seinen langen, haarigen Fingern auf die Tastatur eines antiquierten Computerterminals einhackte.
Nun, ein Ogron in Seide ist immer noch ein Ogron , dachte Roz. Man kam nur mit ihnen zurecht, wenn man ihnen gegenüber Dominanz zeigte – falls man dafür lang genug am Leben blieb. Sie waren eine Spezies, die überwiegend für niedere Jobs wie Wachen, Leibwächter oder Gefängniswärter eingesetzt wurden, und sie waren es gewöhnt, Befehlen zu gehorchen, wenn diese nur laut genug gebrüllt wurden. Sie holte tief Luft.
»Warum ihr uns hierherbringen?«, brüllte sie. »Wir gute Leute, machen nichts Böses.«
Der Ogron erhob sich und verbeugte sich. »Meine liebe Dame, ich bin überzeugt, dass Sie nicht im Traum darauf kämen, etwas Böses zu tun. Bitte verzeihen Sie, dass ich Sie habe warten lassen. Die Arbeit, wissen Sie? In Megacity ist immer so viel los. Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Garshak und ich bin der Polizeichef von Megacity.«
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