Glücklichsein mit Kleinigkeiten
In einer Zeit, in der alles scheinbar immer perfekter, besser und angenehmer werden muss, entdecken viele Menschen ihr Glück neu in den einfachen Dingen. Es gelingt ihnen, sich ganz gezielt Kleinigkeiten zuzuwenden, die sie zutiefst beglücken (vgl. Lechner 2012).
Wichtig dafür ist die Achtsamkeit, die deshalb auch gelehrt wird, um Menschen zu befähigen, wieder mehr im Hier und Jetzt zu leben und ihr Glück im Erleben des Augenblicks zu finden. Ein leckeres Essen, ein angenehmer Duft, schöne Musik, der Anblick von Dingen, die einem ganz persönlich Freude bereiten, eine angenehme Berührung: Mit allen Sinnen können wir Glück erleben, wenn wir aufmerksam dafür sind. Dafür ist eine ruhige Umgebung nötig, die es ermöglicht, sich dem Genuss ganz gezielt hinzugeben. Manche Forscher gehen davon aus, dass das Leben in der Natur die Menschen tatsächlich glücklicher macht als in einem städtischen Umfeld.
Es ist hilfreich, sich immer wieder bewusst an freudige und glückliche Momente zu erinnern. Man fokussiert sich dann auf diese Freude und erlebt sie aufs Neue. Je öfter wir auf diese Weise unsere Aufmerksamkeit für ein paar Minuten auf die guten Momente bündeln, desto mehr stimmen wir unser Gehirn darauf ein, in jeder Lage bevorzugt das Erfreuliche herauszufiltern und wahrzunehmen.
(Aus-) Bildung und berufliche Situation
Insgesamt hat das Ausbildungsniveau der Menschen nur eine begrenzte Wirkung auf ihr generelles Wohlergehen, das Ausmaß der Selbstachtung, die Menschen aus ihrer Arbeit beziehen, scheint aber ihr Glücksniveau doch deutlich zu beeinflussen (Bormans 2012, 183). Wichtig ist, dass das Bildungsniveau den persönlichen Möglichkeiten entspricht, also als stimmig erlebt wird. Menschen erreichen außerdem vor allem dann ein stabiles Hochgefühl, wenn die eigenen Fähigkeiten im Vordergrund stehen und sich die persönlichen Interessen mit den Arbeitsinhalten decken.
Nun gibt es aber auch innerhalb eines Landes sehr ungleiche Ausbildungsbedingungen, was man als ungerecht empfinden und deshalb vermuten könnte, dass diese unterschiedlichen Chancen in vielen Fällen auch die Möglichkeiten begrenzen. In einer Untersuchung mit einer riesigen Stichprobe zeigt sich jedoch: Auch vermeintlich schlechtere Ausbildungsbedingungen können durch das optimale Umfeld kompensiert werden. Man hat herausgefunden, dass für eine erfolgreiche Schulbildung eine motivierende, stimulierende Lernumgebung besonders wichtig ist, vor allem dem Lehrer kommt größte Bedeutung zu (Hattie & Zierer 2014).
Auch die berufliche Stellung scheint keinen besonders großen Einfluss auf das Glücksempfinden zu haben. Wichtige Glücksfaktoren im Hinblick auf Arbeit und Beruf sind jedoch die Wertschätzung am Arbeitsort und die Möglichkeit, selbstbestimmt arbeiten zu können. Das ließe sich in allen Branchen und in jeder beruflichen Position ermöglichen. Außerdem fühlen sich Menschen dann zufrieden, wenn sie bei ihrer Tätigkeit gefordert, aber nicht überfordert sind.
Insgesamt hat die Möglichkeit, einer bezahlten Arbeit nachzugehen, einen ganz entscheidenden Einfluss auf die Lebenszufriedenheit der Menschen. Als einer der größten »Glückskiller« wird dagegen die Arbeitslosigkeit beschrieben, die auch bei bestehender finanzieller Unterstützung einen Verlust von Identität, sozialen Beziehungen und Struktur bedeutet (Fedders 2014). Ein frühzeitiger Ausstieg aus dem Berufsleben führt in der Mehrzahl der Fälle zu keinem Anstieg der Lebenszufriedenheit, demgegenüber sind Personen, die über das 65. Lebensjahr hinaus berufstätig sind, überdurchschnittlich glücklich (Raffelhüschen & Güllner 2014).
Beim Faktor Geld ist man sich unsicher. Früher nahm man an, dass Geld keine Rolle für das Glücksempfinden spielt, inzwischen aber hat man herausgefunden, dass die Zufriedenheit mit dem Haushaltseinkommen doch ein wichtiger Faktor ist und vermögende Personen doch etwas glücklicher zu sein scheinen als solche mit geringeren Vermögenswerten. Allerdings scheint ab einem gewissen Einkommen das Glück nicht mehr weiter zuzunehmen. Wichtig ist also insbesondere eine gewisse finanzielle Sicherheit. Existenzängste dagegen stehen dem Glück zweifellos entgegen, so weisen Menschen mit Schulden und ohne jedes Vermögen deutlich niedrigere Zufriedenheitswerte auf (Raffelhüschen & Güllner 2014, Bormans 2012).
Stabilität, aber auch Offenheit für Neues
Um gut leben zu können, ist es wichtig, eine ausreichende Stabilität zu haben. Ein ungefährdeter Arbeitsplatz, eine stabile Partnerschaft, ein sicheres Wohnumfeld und eine gute Gesundheit sind ganz wesentliche Voraussetzungen für ein glückliches Leben. Häufig kommt es vor allem dann zu Krisen, wenn diese Bereiche instabil werden.
Auf der anderen Seite aber gehört aber auch die Offenheit für Neues, für Unterschiede und für andere Menschen und ihre Lebensweisen ganz wesentlich zu den Quellen des Glücks. Hierzu zählen das Interesse und Engagement für andere sowie die Fähigkeit, über den eigenen Tellerrand zu blicken und (kulturelle wie persönliche) Unterschiede als Bereicherung wertzuschätzen. Alles Neue bietet eben auch neue Herausforderungen und Chancen zum Denken, Fühlen und Handeln.
Insgesamt bietet das Leben so viele Möglichkeiten, und jeder einzelne Mensch muss für sich herausfinden, wie weit er gehen kann, wo der für ihn beste Kompromiss liegt zwischen Sicherheit und Stabilität auf der einen Seite sowie Lern- und Veränderungsbereitschaft andererseits.
Eigene Entscheidungen, Erfahrungen und Erlebnisse
Die Möglichkeit, zu wählen und eigene Entscheidungen zu treffen, also gewissermaßen Spezialist für das eigene Leben zu werden, macht glücklich. Dazu gehört auch, diese Entscheidungen dann auch zu akzeptieren und nicht ständig in die Vergangenheit zu blicken. Ein rückblickendes »Hätte ich damals doch nur dieses oder jenes getan« hilft uns nicht weiter. Später ist man immer schlauer, aber die Entscheidungen, die wir im Laufe unseres Lebens getroffen haben, schienen mit der damaligen Erfahrung richtig zu sein. Es ist sinnvoller, nach vorne zu blicken und zu schauen, welche weiteren wichtigen Weichen für das Leben gestellt werden müssen, um gut leben zu können. »Es trägt zum Glücklichsein bei, sich Ziele für sein Leben zu setzen, weil sie eine Richtung und Beschäftigung vorgeben«, betont Meik Wiking, Direktor des Instituts für Glücksforschung in Dänemark. Und dazu gehört es eben auch, sich für den einen oder anderen Weg zu entscheiden.
Das Bedürfnis nach einem Gefühl der Kontrolle über das eigene Verhalten, nach Autonomie und Eigenverantwortung gehört für alle Menschen zu den wichtigsten Anliegen, um glücklich leben zu können. Und auch Emmy Werner ermittelte in ihren Studien, dass Kinder immer dann besonders widerstandsfähig werden, wenn sie schon von klein auf Verantwortung übernehmen müssen (Werner 1992). Dies begünstigt offenbar die Entstehung von Selbstwirksamkeit und Ausdauervermögen, die Kinder erleben schon früh, dass sie mit ihrer Leistung etwas bewirken können, und wagen sich in der Folge auch an schwierigere Anforderungen heran. Die Erwartung, ein Problem lösen zu können, hilft ihnen dabei, die Situation tatsächlich zu meistern. Es ist also falsch, alles Unangenehme von den Kindern fernzuhalten, weil dann das Bedürfnis, selbst etwas zu bewirken, zu kurz kommt. Den Kindern fehlt das Lernen am Erfolg, das sich einstellt, wenn man selber etwas schafft.
Es ist wichtig zu unterscheiden, wann es sinnvoll ist, Hilfe anzubieten, wann andererseits aber ein eigenständiges Ausprobieren besser ist, denn eine psychische Stärke wächst erst durch die Auseinandersetzung mit anderen Menschen und mit Problemen, die es zu meistern gilt. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich die Schwierigkeiten auch wieder legen und nicht zur Katastrophe ausarten.
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