In anderen Fragen der Glücksforschung sind sich die Wissenschaftler aber nicht einig. So glauben manche, vor allem die Gene seien entscheidend für das Erleben von Glück, andere sind überzeugt, es hänge vor allem von den ganz eigenen Erwartungen ab, also davon, was man sich vom Leben erhofft. Und wieder andere Forscher halten die Lebensumstände oder auch den Zufall für besonders wichtig. Gerade in den letzten Jahren aber haben sie entdeckt, dass Glück und Wohlbefinden in weit geringerem Ausmaß als zunächst gedacht von äußeren Einflüssen abhängen. Viel wichtiger für das Wohlergehen sind erfüllte Erwartungen, gute zwischenmenschliche Beziehungen, ein Ziel im Leben und ein positives Selbstwertgefühl. Heidl et al. (2012) definierten als Determinanten von Lebenszufriedenheit den Gesundheits- und Erwerbsstatus sowie die Häufigkeit von Glücksgefühlen. Sie stellten zudem die Vermutung auf, dass die psychische Gesundheit einen höheren Einfluss hat als die körperliche. Fahrenberg et al. (2000) beschreiben insbesondere den positiven Einfluss einer aktiven Gestaltung der Freizeit (Hobbys, Veranstaltungen, Vereine, körperliche Aktivitäten) auf die Lebenszufriedenheit, und nach Mayring (1991) spielt der Familienstand eine große Rolle, so sind verheiratete oder in einer Partnerschaft lebende Menschen signifikant zufriedener als Alleinstehende. Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, dass diese Signifikanz schwindet, hier zeigten sich in einer festen Beziehung lebende Menschen nur noch leicht glücklicher, allerdings gaben die alleinstehenden Befragten hier an, dass sie ersatzweise viele Freunde hätten und deshalb partnerschaftliche Kontakte nicht vermissten (Hartmann-Wolff & Reinhard 2015).
Sehr wichtig sind auch die Erwartungen, die eine Person an ihr Leben hat. Menschen, die die Möglichkeiten, die ihnen selbst nicht offenstehen, bei anderen erfüllt sehen, hadern offenbar besonders stark mit ihrem Schicksal. Diese Überlegungen wurden schon vor Jahrzehnten als Hypothese formuliert. Erkenntnisse hinsichtlich des Einkommens stützen diese; ab einem Einkommen von etwa 30 000 Euro entsteht plötzlich Raum für unerfüllte Wünsche und Neid – man will noch mehr verdienen, ein noch besseres Auto oder ein ebenso großes Haus wie die Nachbarn haben. Und in Skandinavien sind die Menschen vermutlich auch deshalb so glücklich, weil es hier weit flachere Hierarchien gibt als in anderen Ländern. »Rangordnungen« kennt man hier kaum, die Menschen müssen sich nicht mit den anderen vergleichen, sie können sich als gleichwertig betrachten und fühlen sich deshalb glücklicher.
Insgesamt bezeichnen sich die meisten Menschen der westlichen Länder als glücklich, wenn sie (u. a. Bormans 2012, Frank 2007)
in einer stabilen Beziehung leben
nur einige wenige, dafür aber enge und vertraute Freunde haben
eine angemessene (Aus-) Bildung erlangen können und schließlich eine Arbeitsstelle finden, die ihre Fähigkeiten berücksichtigt und die ihnen Wertschätzung vermittelt
mit ihrer Arbeit etwas Nützliches tun können
eigene Ziele haben, selbst Einfluss nehmen können auf die Gestaltung ihres Lebens und einen Sinn in ihrem Dasein sehen
die Anforderungen des Alltags bewältigen können
sich selbst als Person akzeptieren und auch von anderen akzeptiert werden
genug Geld haben, um ihre Grundbedürfnisse zu stillen
in Gesundheit und Freiheit leben können.
Die Fähigkeit, zu lieben und sich lieben zu lassen, gehört zu den wichtigsten Voraussetzungen für ein glückliches Leben (u. a. Romberg 2011). Freundschaft bietet die Möglichkeit, glückliche Momente zu teilen und von der Unterstützung anderer zu profitieren, wenn es uns nicht gut geht. Freunde geben uns die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, und sie helfen uns, glücklicher zu leben. Menschen mit engen sozialen Kontakten haben wohl deshalb auch einen niedrigeren Cortison-Spiegel (ein Maß für Stress) als Personen, denen dies nicht gelingt.
Experten gehen dabei davon aus, dass der Mensch insbesondere für ein Leben in kleinen, überschaubaren Gruppen geschaffen ist. Nötig sind also nur einige wenige stabile Beziehungen, um glücklich zu sein, um sich sicher und geborgen fühlen zu können. Tatsächlich aber leben immer mehr Menschen in großen Städten, mit vielen eher lockeren Bekanntschaften, aber oft weit entfernt von Familie und Freunden.
Überhaupt ist die Familie von unschätzbarem Wert. Jeder Mensch braucht jemanden, der ihm ein Gefühl von Sicherheit und liebevoller Fürsorge vermittelt, ein Bewusstsein dafür, dass er so akzeptiert wird, wie er ist, mit allen guten und auch ungünstigen Eigenschaften.
Der einzelne Mensch gilt umso weniger, je größer die Gruppe ist, in der er sich bewegt. Viele Angestellte arbeiten in Unternehmen mit Hunderten oder Tausenden Kollegen, sie spüren täglich, dass sie problemlos und jederzeit zu ersetzen sind. Nach Ansicht von Forschern ist das ein sehr entscheidender Punkt. Zu erfahren, dass die eigene Arbeit wertgeschätzt wird, ist ihrer Meinung nach für die Psyche des Menschen überlebenswichtig.
Wenn man nun diese Aspekte analysiert und davon ausgeht, dass das Wohlbefinden entscheidend davon abhängt, tiefe, enge Bindungen zu haben und ein wertgeschätztes Mitglied einer Gruppe zu sein, dann muss man eben auch erkennen, dass die Bedingungen des modernen Lebens menschliches Glück offenbar geradezu verhindern. Forscher fanden jüngst heraus, dass die sozialen Medien ihre Nutzer tendenziell unglücklich machen, da sie dafür sorgen, dass wir uns permanent mit anderen Menschen messen und mit ihnen wetteifern.
Wer also immer einer Vorstellung vom vollkommenen Glück hinterherjagt, der macht sich leicht unglücklich und kann den eigentlichen Moment immer weniger genießen.
Insgesamt sind gute Beziehungen zur Familie, zum Partner und zu Freunden sehr wichtig für das Empfinden von Glück. Aber die aktuellen Scheidungsraten belegen natürlich auch, dass für sehr viele Menschen dieses Glück nicht ewig anhält. Und auch Kinder sind offenbar kein Garant für ein erfülltes Leben, was oft mit falschen Erwartungen zu tun hat. So kommen etwa viele Menschen, die erst relativ spät Kinder bekommen haben, nicht mit dem Verlust ihrer persönlichen Freiheit zurecht.
Wer aber mit den ganz persönlichen Lebensumständen umgehen kann, der kann auch glücklich werden, auch dann, wenn die Bedingungen ganz objektiv betrachtet nicht die besten sind. Dabei können gerade in schwierigen Zeiten Religion und Glaube hilfreich sein. Aktiv religiöse Menschen fühlen sich signifikant glücklicher als andere und können Krisen besser bewältigen.
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