Ekkehard
Eine unerfüllte Liebesgeschichte aus dem 10. Jahrhundert
Joseph Victor von Scheffel
Texte: © Copyright by Joseph Victor von Scheffel
Umschlag: © Copyright by Adolf Karpellus
Illustrator: © Copyrighby Karl Jauslin
Verlag:
Das historische Buch, Dresden / Brokatbookverlag
Gunter Pirntke
Altenberger Straße 47
01277 Dresden
gunter.50@gmx.net
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Erstes Kapitel: Hadwig, Herzogin von Schwaben
Zweites Kapitel: Die Jünger des heiligen Gallus
Drittes Kapitel: Wiborada Reclusa
Viertes Kapitel: Im Kloster
Fünftes Kapitel: Ekkehards Auszug
Sechstes Kapitel: Moengal
Siebentes Kapitel: Virgilius auf dem hohen Twiel
Achtes Kapitel: Audifax
Neuntes Kapitel: Die Waldfrau
Zehntes Kapitel: Weihnachten
Elftes Kapitel: Der Alte in der Heidenhöhle
Zwölftes Kapitel: Der Hunnen Heranzug
Dreizehntes Kapitel: Heribald und seine Gäste
Vierzehntes Kapitel: Die Hunnenschlacht
Fünfzehntes Kapitel: Hadumoth
Sechzehntes Kapitel: Cappan wird verheiratet
Siebzehntes Kapitel: Gunzo wider Ekkehard
Achtzehntes Kapitel: Herrn Spazzo, des Kämmerers, Gesandtschaft
Neunzehntes Kapitel: Burkard, der Klosterschüler
Zwanzigstes Kapitel: Von deutscher Heldensage
Einundzwanzigstes Kapitel: Verstoßung und Flucht
Zweiundzwanzigstes Kapitel: Auf dem Wildkirchlein
Dreiundzwanzigstes Kapitel: Auf der Ebenalp
Vierundzwanzigtes Kapitel: Das Waltharilied
Fünfundzwanzigstes Kapitel: Ausklang und Ende
Dies Buch ward verfasst in dem guten Glauben, dass es weder der Geschichtsschreibung noch der Poesie etwas schaden kann, wenn sie innige Freundschaft miteinander schließen und sich zu gemeinsamer Arbeit vereinen.
Seit Jahrzehnten ist die Hinterlassenschaft unserer Vorfahren Gegenstand allseitiger Forschung; ein Schwarm fröhlicher Maulwürfe hat den Boden des Mittelalters nach allen Richtungen durchwühlt und in fleißiger Bergmannsarbeit eine solche Masse alten Stoffes zutage gefördert, dass die Sammelnden oft selber davor erstaunten; eine ganze schöne, in sich abgeschlossene Literatur, eine Fülle von Denkmälern bildender Kunst, ein organisch in sich aufgebautes politisches und soziales Leben liegt ausgebreitet vor unseren Augen. Und doch ist es all der guten auf diese Bestrebungen gerichteten Kraft kaum gelungen, die Freude am geschichtlichen Verständnis auch in weitere Kreise zu tragen; die zahllosen Bände stehen ruhig auf den Brettern unserer Bibliotheken, da und dort hat sich schon wieder gedeihliches Spinnweb angesetzt, und der Staub, der mitleidlos alles bedeckende, ist auch nicht ausgeblieben, so dass der Gedanke nicht zu den undenkbaren gehört, die ganze altdeutsche Herrlichkeit, kaum erst ans Tageslicht zurückbeschworen, möchte eines Morgens, wenn der Hahn kräht, wieder versunken sein in Schutt und Moder der Vergessenheit, gleich jenem gespenstigen Kloster am See, von dem nur ein leise klingendes Glöcklein tief unter den Wellen dunkle Kunde gibt. Es ist hier nicht der Ort zu untersuchen, inwiefern der Grund dieser Entscheidung dem Treiben und der Methode unserer Gelehrsamkeit beizumessen.
Das Sammeln altertümlichen Stoffes kann wie das Sammeln von Goldkörnern zu einer Leidenschaft werden, die zusammenträgt und zusammenscharrt, eben um zusammenzuscharren, und ganz vergisst, dass das gewonnene Metall auch gereinigt, umgeschmolzen und verwertet werden soll. Denn was wird sonst erreicht?
Ein ewiges Befangenbleiben im Rohmaterial, eine Gleichwertschätzung des Unbedeutenden wie des Bedeutenden, eine Scheu vor irgend einem fertigen Abschließen, weil ja da oder dort noch ein Fetzen beigebracht werden könnte, der neuen Aufschluss gibt, und im ganzen – eine Literatur von Gelehrten für Gelehrte, an der die Mehrzahl der Nation teilnahmslos vorübergeht und mit einem Blick zum blauen Himmel ihrem Schöpfer dankt, dass sie nichts davon zu lesen braucht.
Der Schreiber dieses Buches ist in sonnigen Jugendtagen einstmals mit etlichen Freunden durch die römische Campagna gestrichen. Da stießen sie auf Reste eines alten Grabmals, und unter Schutt und Trümmern lag auch, von graugrünem Akanthus überrankt, ein Haufe auseinandergerissener Mosaiksteine, die ehedem in stattlichem Bild und Ornamentenwerk des Grabes Fußboden geschmückt. Es erhub sich ein lebhaftes Gespräch darüber, was all die zerstreuten gewürfelten Steinchen in ihrem Zusammenhang dargestellt haben mochten. Einer, der ein Archäolog war, hob die einzelnen Stücke gegen's Licht und prüfte, ob weißer, ob schwarzer Marmor; ein anderer, der sich mit Geschichtsforschung plagte, sprach gelehrt über Grabdenkmale der Alten – derweil war ein dritter schweigsam auf dem Backsteingemäuer gesessen, der zog sein Skizzenbuch und zeichnete ein stolzes Viergespann mit schnaubenden Rossen und Wettkämpfern und viele schöne jonische Ornamentik darum; er hatte in der Ecke des Fußbodens einen unscheinbaren Rest des alten Bildes erschaut: Pferdefüße und eines Wagenrades Fragmente, da stand das Ganze klar vor seiner Seele, und er warf's mit kecken Strichen hin, derweil die andern in Worten kramten...
Bei jener Gelegenheit war einiger Aufschluss zu gewinnen über die Frage, wie mit Erfolg an der geschichtlichen Wiederbelebung der Vergangenheit zu arbeiten sei.
Gewiss nur dann, wenn einer schöpferisch wiederherstellenden Phantasie ihre Rechte nicht verkümmert werden, wenn der, der die alten Gebeine ausgräbt, sie zugleich auch mit dem Atemzug einer lebendigen Seele anhaucht, auf dass sie sich heben und kräftigen Schrittes als auferweckte Tote einherwandeln.
In diesem Sinn nun kann der historische Roman das sein, was in blühender Jugendzeit der Völker die epische Dichtung: ein Stück nationaler Geschichte in der Auffassung des Künstlers, der im gegebenen Raume eine Reihe Gestalten scharfgezeichnet und farbenhell vorüberführt, also dass im Leben und Ringen und Leiden der einzelnen zugleich der Inhalt des Zeitraumes sich wie zum Spiegelbild zusammenfaßt.
Auf der Grundlage historischer Studien das Schöne und Darstellbare einer Epoche umspannend, darf der Roman auch wohl verlangen, als ebenbürtiger Bruder der Geschichte anerkannt zu werden, und wer ihn achselzuckend als das Werk willkürlicher und fälschender Laune zurückweisen wollte, der mag sich dabei getrösten, dass die Geschichte, wie sie bei uns geschrieben zu werden pflegt, eben auch nur eine herkömmliche Zusammenschmiedung von Wahrem und Falschem ist, der nur zu viel Schwerfälligkeit anklebt, als dass sie es, wie die Dichtung, wagen darf, ihre Lücken spielend auszufüllen.
Wenn nicht alle Zeichen trügen, so ist unsere Zeit in einem eigentümlichen Läuterungsprozess begriffen.
In allen Gebieten schlägt die Erkenntnis durch, wie unsäglich unser Denken und Empfinden unter der Herrschaft der Abstraktion und der Phrase geschädigt worden; da und dort Rüstung zur Umkehr aus dem Abgezogenen, Blassen, Begrifflichen zum Konkreten, Farbigen, Sinnlichen, statt müßiger Selbstbeschauung des Geistes Beziehung auf Leben und Gegenwart, statt Formeln und Schablonen naturgeschichtliche Analyse, statt der Kritik schöpferische Produktion, und unsere Enkel erleben vielleicht noch die Stunde, wo man von manchem Koloss seitheriger Wissenschaft mit der gleichen lächelnden Ehrfurcht spricht wie von den Resten eines vorsündflutlichen Riesengetiers, und wo man ohne Gefahr, als Barbar verschrien zu werden, behaupten darf, in einem Steinkrug alten Weines ruhe nicht weniger Vernunft als in mancher umfangreichen Leistung formaler Weisheit.
Zur Herstellung fröhlicher, unbefangener, von Poesie verklärter Anschauung der Dinge möchte nun auch die vorliegende Arbeit einen Beitrag geben, und zwar aus dem Gebiet unserer deutschen Vergangenheit.
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