John kletterte in den Wagen und betätigte den Zündmechanismus. Ein schwaches Wimmern ertönte. Archie hatte die Diagnose genauso schnell wie der Monteur. „Batterie“, murmelte er.
Der Monteur erhob sich.
„Das ist kein Problem“, sagte er, „die Batterie ist am Ende. Der Wagen braucht nur eine neue. Glücklicherweise habe ich daran gedacht, eine mitzubringen.“
Er wollte zu seinem Wagen gehen, aber John kam ihm dazwischen.
„Nicht so eilig, Meister. Meines Wissens steht eine nagelneue Ersatzbatterie in der Garage. Mr. Freeman hat sie vor ein paar Tagen mitgebracht.“
Der Monteur kratzte sich enttäuscht am Hinterkopf.
„Warum hat er sie dann nicht selbst eingebaut? Und ist die überhaupt bei uns gekauft?“
Archie grinste breit.
„Natürlich“, erwiderte John, „schließlich kauft der Chef alles bei Ihnen. Außerdem fällt mir jetzt ein, daß er die Batterie selbst in diesen Wagen einbauen wollte. Er hat es wohl vergessen. Er ist in letzter Zeit ziemlich zerstreut.“
„Und seine Gattin, die holde Mondkuh, läßt deswegen mich aus der Stadt kommen“, brummte der Monteur, „‘s ist ‘ne Schande. Sowie die Leute so viel Geld haben, daß sie nicht mehr sparen brauchen, lassen sie ihre verrückten Launen an anderen aus. Ich habe fünf Aufträge in der Werkstatt liegengelassen, dringende Aufträge, um das kaputte Autochen der Prinzessin wieder heil zu machen — und dann ist es solch eine Lappalie.“
„Schimpfen Sie nicht so viel“, sagte John begütigend, „ich würde Ihnen gerne zustimmen, aber ich bin hier angestellt. Kommen Sie!“
Er ging zur Garage und wollte die Tür öffnen. Zu seiner Ueberraschung war sie verschlossen.
„Das tut doch Mr. Freeman nie, wenn beide Autos draußen sind“, murmelte er und ging in das Haus, um die Ersatzschlüssel zu holen. Der Monteur begleitete ihn.
Archie ballte die Fäuste. Gleich war es soweit. Warum rührte sich Freeman nicht, warum verhinderte er nicht, daß die Garagentür geöffnet wurde? Er mußte im Haus sein. Wenn die beiden Männer den gestohlenen Wagen sahen, würden sie sofort die Polizei benachrichtigen, und dann war hier der Teufel los. Es war doch unmöglich, daß Freeman sich das nicht sagte. Er mußte wissen, daß der Monteur da war. Er mußte. Er mußte. Archie hämmerte vor Wut mit der Faust auf das Fensterbrett.
Links von sich hörte er wieder Stimmen.
„Sie wissen jetzt Bescheid!“ Das war Johns Stimme. „Melden Sie sich bei mir, wenn Sie fertig sind.“
Der Kies knirschte, und der Monteur kam mit einem Schlüsselbund in der Hand. Er lief so dicht am Kellerfenster vorbei, daß Archie ihn hätte mit der Hand berühren können. Dann stand er vor der Garagentür, Schlüssel klirrten, die Tür bewegte sich nach oben.
Die Garage war so gebaut, daß zwei Wagen darin hintereinander Platz hatten. Freeman hatte den Chevrolet bis ans hintere Ende gefahren, während die Ersatzbatterie unmittelbar neben dem Eingang stand. Es sah so aus, als bemerkte der Monteur den Wagen gar nicht. Er nahm die Batterie hoch und trug sie hinaus. Dann machte er sich daran, die Tür wieder zu schließen.
Archie atmete auf und ließ die Hand mit dem Revolver sinken. Das war noch einmal gutgegangen. Plötzlich stutzte er. Was war das?
Noch während er die Tür schloß, schien der Monteur sich an etwas zu erinnern. Er ließ die Tür wieder hochgleiten und betrat die Garage. Dort stand ein Preßluftbehälter, wie er an allen Tankstellen zum Füllen der Reifen mit Luft verwandt wird. Der Monteur rollte ihn hinaus.
Ach so, dachte Archie, er will die Reifen aufpumpen, damit die Rechnung etwas höher wird.
Aber plötzlich sah der Monteur den Chevrolet. Er blieb nicht etwa stehen oder ging gar näher heran, nein, er zögerte nur ein, zwei Sekunden, während er sich über das Gerät beugte, und in diesen wenigen Sekunden starrte er verblüfft auf das New Yorker Nummernschild. Dann rollte er den Luftapparat hinaus.
Trotzdem wußte Archie, was er zu tun hatte.
Als der Monteur eine halbe Stunde später wieder seinen Wagen bestieg, um zur Stadt zurückzufahren, wußte er nicht, welch unheimlichen Beifahrer er hatte.
Der Weg machte ein Stück hinter dem Haus eine Biegung; dichte Bäume verhinderten, daß er hier vom Haus aus eingesehen werden konnte. Die Stadt wiederum war zu weit weg, als daß man schon die Häuser gesehen hätte. Die Dämmerung war schon hereingebrochen. Schwer und regennaß hingen die Zweige von den Bäumen herunter.
Archie richtete sich auf und drückte dem Fahrer seinen Revolver ins Genick.
„Bleib stehen, mein Junge“, sagte er.
Der Monteur wurde fast ohnmächtig vor Schreck. Er wagte nicht, den Kopf zu wenden, aber er konnte im Rückspiegel Archies verbissenes Gesicht sehen. Gehorsam trat er auf die Bremse, und der Wagen hielt.
„Was wollen Sie von mir, Mister?“ fragte er mit zitternder Stimme.
„Schnauze“, sagte Archie und wies mit dem Kopf nach rechts, „fahr dort hinein.“
„In den Wald?“ fragte der Monteur ungläubig.
Der Druck der kalten Revolvermündung verstärkte sich.
„Tu schon, was ich dir sage“, befahl Archie ungeduldig.
Langsam kam das Fahrzeug wieder in Bewegung, verließ die feste Straße, schwankte bedrohlich an dem Abhang, welcher sich seitlich der Straße befand, und kämpfte sich seinen Weg durch die Bäume. Die Räder pflügten sich schwerfällig durch den dichten Morast aus nassem Laub, Schlamm und Lehm.
„Hören Sie“, sagte der Monteur mit belegter Stimme, „ich hab’ bestimmt nichts gesehen.“
„Halťs Maul“, befahl Archie.
„Ich werde bestimmt niemandem etwas verraten“, versprach der Mann, dem der Schweiß ausbrach.
„Fahr da links ’rüber“, befahl Archie, ohne den Revolver vom Genick des Fahrers zu nehmen.
Der Wagen schwenkte in die angegebene Richtung. Hinter einer dichten Gruppe von Bäumen begann ein ziemlich steiler Abhang, der in eine Zementböschung auslief. Diese fiel unter einem steilen Winkel in den Meldrum River hinab, einen Fluß, der im Sommer nur ein kleines Rinnsal war, aber durch die Regenfälle der letzten Wochen stark angeschwollen war und jetzt Hochwasser führte. Die schmutzigen, gelben Fluten wirbelten schnell vorbei.
„Nimm den Gang ‘raus“, befahl Archie, „mach die Bremse los.“
Sie hatten jetzt den Abhang erreicht, und der Monteur hatte angehalten.
„Was haben Sie vor?“ fragte der Mann mit angstverzerrtem Gesicht.
„Das wirst du gleich sehen“, sagte Archie.
In diesem Augenblick warf sich der Monteur in einem verzweifelten Entschluß zur Seite. Seine Hand flog nach hinten. Archie drückte ab, doch die Kugel durchschlug nur die Hand des Mannes. Zwischen ihnen befand sich die Rückenlehne der vorderen Sitzbank.
Archie beugte sich vor, um zu schießen, aber sein Gegner umklammerte mit eisernem Griff seine Hand, und die Kugel schlug in die Decke. Verbissen kämpften die beiden Männer miteinander.
Keiner von beiden hatte bemerkt, daß der Wagen sich durch die heftigen Bewegungen in seinem Innern in Bewegung gesetzt hatte. Erst langsamer, dann schneller rollte er den Abhang hinunter, auf die Böschung und die gurgelnden Fluten des Meldrum River zu.
Plötzlich erkannte Archie die Gefahr. Im gleichen Augenblick sah auch der Monteur schreckerstarrt auf. Diese Pause benützte Archie. Mit einem Ruck riß er seine Hand los und drückte den Revolver ab. Die Kugel traf den Monteur in den Kopf. Lautlos sackte er zusammen.
Sekundenbruchteile später knallte der Wagen auf die Zementböschung auf. Sein Vorderteil wurde in die Höhe gerissen. Das Auto sprang wie ein Skispringer in die Luft, legte sich etwas zur Seite und tauchte dann mit dumpfem Aufklatschen in das schäumende Wasser ein.
Archie bemühte sich verzweifelt, über die Sitzbank hinweg zu einem der vorderen Fenster zu gelangen. Der Laderaum hatte ja keine Fenster.
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