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Ursache und Wirkung. Uns bleibt das Bemühen, es das nächste Mal besser zu machen und die Verantwortung für das zu übernehmen, was wir tun und getan haben. Aus der Verantwortung entsteht eine neue Handlung, die eine Tat nicht ungeschehen machen muss, aber eine Änderung in weiteren Taten bewirken soll.
Daraus geht hervor, dass wir uns selbst ändern müssen, wenn wir wollen, dass etwas anderes in unserem Leben passiert. Wie oft hört man von Menschen, „dass die anderen schuld sind“, wenn es einem nicht gut geht, oder „dass man ja nichts dafür kann, was passiert ist“. Wie viele Menschen leiden unter ihrem Schicksal, weil sie glauben, nichts verändern zu können. Sie glauben nicht daran, dass ihre Handlungen Veränderung erschaffen, dass ihre Gedanken bereits alles verändern können, ihre persönliche Einstellung und ihr Gefühl für eine bestimmte Lebenslage. Alleine die innere und äußere Haltung kann alles verändern. Denken Sie etwa an die Situation, wenn Sie wollen, dass ein Pferd stehen bleibt. Ihre Körperhaltung macht den Unterschied:
Dabei beginnt jede Tat als Gedanke im Kopf, wie ein Samenkorn, welches sich zu einer großen Pflanze auswachsen kann, oder eben nicht. Es liegt an uns, ob wir den Gedanken nähren, ihn gießen und weiterwachsen lassen, oder ob wir uns mit unserer inneren Haltung dagegen entscheiden.
Zusammenfassend kann man sagen, dass man sein Dharma kennen muss, um ein gutes Karma zu haben. Wir wissen, wer wir sind und entscheiden uns dann für ein bestimmtes Leben, zum Beispiel ein Leben mit Frau und Kind. Die Entscheidung ist Karma und sobald ich diese treffe, übernehme ich die Verantwortung für meine Handlung! Karma und Dharma!
Die upanischadischen Seher haben ein Vokabular entwickelt, um ihre Entdeckungen zu beschreiben. Diese Begriffe wurden später von den Mystikern und Weisen aufgegriffen. Sie stammen aus dem Sānkhya (sānkhya, neutral, wörtlich „Klassifizierung“, „Aufzählung“, „Auflistung“), einem philosophischen System. Sein Gegenstück ist der Yoga (yoga, maskulin, wörtlich „Joch“, „Verbindung“), ein praxisbezogenes System der Meditation.
Ein alter Ausspruch besagt: „Keine Theorie kommt dem Sānkhya gleich, keine Praxis dem Yoga.“
Die Gita zählt nicht zur Sānkhya-Schule, doch bedient sie sich deren Vokabular.
Die Sānkhya-Philosophie sagt, dass es zwei prinzipielle Unterscheidungen gibt: den Puruṣa, die Seele, und die Prakṛti, quasi der Rest. Prakṛti (prakṛti, feminin) ist alles, was erkannt werden kann, was Form und Namen hat. Im Anfang und bereits davor war Puruṣa, den wir ja bereits mit Ātman, dem unsterblichen Selbst, gleichgesetzt haben. Aus Puruṣa ist dann alles andere hervorgegangen. Das Sānkhya beschreibt also eine Art Urgrund, welches weder Substanz noch Energie ist, als Quelle und Baumaterial des gesamten für uns realen Universums. EINZIG der Puruṣa weiß, wie alles gebaut wurde. Die Baupläne kennt nur der Puruṣa. Dabei ist Puruṣa sowohl der Erbauer als auch das Baumaterial.

Wenn man also wissen will, wie etwas funktioniert, fragt man den Puruṣa. Er hat die Baupläne für ALLES. Und da auch wir aus ihm hervorgehen, ist unser Selbst, Ātman, dasselbe wie Puruṣa. Ich muss also die Antworten nicht irgendwo im Weltall vor dem Urknall suchen, sondern sehe einfach in mir selber nach! So die Theorie. Wie mache ich das? Dafür gibt es die Praxis, und diese lautet YOGA!
Sānkhya liefert eine Liste von 24 Prinzipien oder Tattvas (tattva, neutral, wörtlich „So-Sein“: Wahrheit, wahres Wesen, Grundprinzip, Tatsache), welche erklären, wie die Prakṛti zu all ihren Formen in Körper und Geist, der Materie und der Energie, gekommen ist. Sie erklären, wie wir die Welt, in der wir leben, wahrnehmen und diese dadurch entsteht. Diese 24 werden in der Gita im 13. Gesang aufgelistet:
„Der Körper wird als Feld bezeichnet, Arjuna. Das Feld besteht aus Folgendem: den fünf Bereichen der Sinneswahrnehmung; den fünf Elementen; den fünf Sinnesorganen und den fünf Handlungsorganen; den drei Komponenten des Geistes: Manas, Buddhi und Ahaṃkāra; und der undifferenzierten Energie (Prakṛti), aus der sich diese allesamt herausbildeten.“
Manas entspricht etwa dem englischen Wort „mind“, dem Geist als Denken und Empfinden, Buddhi ist das Unterscheidungsvermögen, der Verstand, der differenzieren kann. Ahaṃkāra heißt wörtlich „Ich-Macher“ und meint das Ich-Gefühl.
Wir können das auf unsere Darstellung der Bewusstseinsebenen anwenden, die ich für die Katha-Upanischad erstellt habe:

Sānkhya möchte damit nicht die Welt erklären, sondern, wie die Welt für uns in unserem Bewusstsein entsteht! Das Ziel von Sānkhya ist es, die wahre Identität des Menschen zu erkennen. Es setzt daher die Sinne gleich mit dem, was die Sinne wahrnehmen: die Welt da draußen. Die Welt entsteht (für jeden von uns) durch unsere Wahrnehmung.
Dazu ein Ausschnitt aus der „Bhagavad Gita“-Übersetzung von Robert Boxberger, einem Realgymnasiallehrer aus Erfurt, welche erstmalig 1870 erschienen ist und heute bei Reclam, bearbeitet von Helmuth von Glasenapp, erhältlich ist. Das Schöne an dieser Übersetzung: Sie versucht, die Poesie, die in der Gita steckt, durch Reim und überwiegend in Shloken wiederzugeben. Ein Shloka (Sanskrit śloka, maskulin, wörtlich „Ruf“, „Schall“) besteht aus zwei Verszeilen, jede Verszeile aus zwei achtsilbigen Reihen:
Verbindung mit dem Stofflichen
Schafft Glut und Kälte, Lust und Schmerz,
Die gehen und kommen dauerlos,
Ertrage sie mit starkem Herz.
Denn wer sie duldet unberührt,
Wer standhaft ist in Freud´ und Leid,
Wer gleich sich bleibt zu jeder Frist,
Der reift für die Unsterblichkeit.
(2. Gesang, Vers 14 und 15)
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, auf zwei weitere Übersetzungen der Gita hinzuweisen. Mittlerweile gibt es weltweit tausende Übersetzungen, alleine ins Englische hunderte. Der spirituelle Lehrer Eknath Easwaran hat dieses Werk in eine klare Sprache ins Amerikanische übersetzt, Peter Kobbe danach ins Deutsche, im Goldmann Verlag erschienen. Hier die gleiche Stelle in dieser Übersetzung:
Wenn die Sinne mit Sinnesobjekten in Berührung kommen, erfährt der Mensch Kälte oder Hitze, Lust oder Schmerz. Diese Erfahrungen sind flüchtig; sie kommen und gehen. Ertrage sie geduldig, Arjuna. Jene, die von diesen Veränderungen unbeeinflusst sind, die dieselben sind in Lust und Schmerz, sind wahrhaft weise und taugen für die Unsterblichkeit.
(2:14-15)
Ebenfalls im Goldmann Verlag ist das Buch „Bhagavad Gita, Der Gesang Gottes“ von Jack Hawley, aus dem Amerikanischen ins Deutsche von Peter Kobbe übersetzt, erschienen. Diese Übersetzung versucht vor allem für uns Westler so einfach und verständlich wie möglich zu sein, setzt sich aber der Gefahr aus, zu interpretieren und uns die Interpretation vorwegzunehmen. Wenn man Sanskrit nicht versteht, muss man sich auf gute Übersetzungen verlassen. Hier nun das Beispiel zu dieser Stelle:
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