In diesem Werk sind die folgenden Bücher enthalten:
Hannes Lindemann, Ein Mann, ein Boot, zwei Kontinente
Ernst-Jürgen Koch, Hundeleben in Herrlichkeit
(© by Ernst-Jürgen Koch, 1968 / Fotos: Elga Koch, Zeichnungen: Ernst-Jürgen Koch)
Karl Vettermann, Barawitzka – Lauter Kapitäne, keine Matrosen
(Zeichnungen: Karl Vettermann)
Burghard Pieske, Shangri-La
(Fotos: Burghard Pieske)
Arved Fuchs, Abenteuer zwischen Tropen und ewigem Eis
(Fotos: Arved Fuchs und Till Gottbrath, Karten: Karin Buschhorn)
1. Auflage
© Delius Klasing & Co. KG, Bielefeld
Folgende Ausgaben dieses Werkes sind verfügbar:
ISBN 978-3-667-10407-6 (PDF)
ISBN 978-3-667-10408-3 (E-Pub)
Umschlaggestaltung: Felix Kempf, www.fx68.de
Datenkonvertierung E-Book: HGV Hanseatische Gesellschaft für Verlagsservice, München
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INHALT
Hannes Lindemann EIN MANN, EIN BOOT, ZWEI KONTINENTE
Flitterwochen im Zyklon ERSTES KAPITEL FLITTERWOCHEN IM ZYKLON Schlafwagen Madrid – Vigo. Durch eine kahle, karstige und öde Landschaft brauste breitspurig der Expreß. Plötzlich klopfte es an die Tür unseres Abteils. „Pasaportes!“ forderte eine Stimme im Amtston. Meinen Paß bewahrte in Vigo die Hafenpolizei auf, die mir indessen eine Genehmigung für die Reise nach Madrid ausgestellt hatte. Der Grund war auch aufgeführt: zwecks Heirat. Als der Hüter der Ordnung das las, zwinkerte er mir verständnisvoll zu und verschwand. Mir fiel ein Schild ein, das ich einmal in den USA an einem Schlafwagenabteil gesehen hatte: „Frisch verheiratet.“ Auch hier wäre es am Platze gewesen. Ilse und ich waren vor wenigen Stunden getraut worden, nachdem wir ein Labyrinth von Amts wegen passiert hatten. Und nun wartete in Vigo eine schwere Aufgabe auf meine frischgebackene Frau: sich mit meiner zweiten großen Liebe anzufreunden.
Auf den Inseln der Glückseligen ZWEITES KAPITEL AUF DEN INSELN DER GLÜCKSELIGEN „LIBERIA! Buenos dias!“ riß uns in aller Frühe ein Störenfried aus unserer wohlverdienten Nachtruhe. Schlaftrunken steckte ich den Kopf aus der Luke und erkannte auf dem Nachbarschoner einen spanischen Seglerfreund. Für die Segler von Las Palmas ist der Name LIBERIA ein vertrauter Begriff: in Las Palmas hatte ich mich auf meine beiden ersten Fahrten in Einbaum und Faltboot mehrere Monate lang sorgfältig vorbereitet, und die Segler hatten daran Anteil genommen, als sei ich einer der ihren. „Ich dachte, Sie seien gestorben?“ empfing mich der Bekannte. „Noch nicht ganz“, rief ich hinüber und rieb mir den Schlaf aus den Augen. „Aber amerikanische Segler haben uns doch erzählt, daß Sie nach der Ankunft in diesem … diesem Kanu lange Zeit krank waren und dann verstorben sind …“ „Und jetzt bin ich gerade von den Toten auferstanden“, unterbrach ich ihn. „No Sefior, todo va bien! Mir ging es während meiner Faltbootüberquerung relativ gut, und krank war ich nach der Fahrt überhaupt nicht!“ Der Segler betrachtete mich kopfschüttelnd. Wie so viele andere konnte auch er es nicht fassen, daß ich ohne irgendwelchen körperlichen Schaden mit meinem fünf Meter langen Faltboot heil über den Atlantik gekommen war. Wie die anderen vergaß auch er, daß ich jahrelang trainiert hatte und erst losgefahren war, als ich von einem „kosmischen Sicherheitsgefühl“ erfüllt war und wußte, daß ich ankommen würde …
Aufruhr in der Sahara DRITTES KAPITEL AUFRUHR IN DER SAHARA Ich nahm direkten Kurs auf die Spanische Sahara. Nachdem die LIBERIA IV die ruhigen Gewässer des Hafens verlassen hatte, dümpelte sie bei flauen Winden in der hohen Atlantikdünung von einer Seite auf die andere. Wer das schön findet, muß seltsam veranlagt sein. Alle Eingeweide – nicht nur die des Bootes – werden so erbarmungslos durcheinander geschüttelt, daß selbst die härtesten Seeleute ein leises Unbehagen in der Magengegend verspüren. Der Hafen verschwand in einer Regenboe, als ich heimkehrenden Fischern zuwinkte. Obwohl sie beide Hände voll zu tun hatten, grüßten sie freundlich wieder. Nach einem alten Seemannsglauben bedeutet das für ausgehende Boote Glück und gute Fahrt. Ich brauchte beides. Denn die Küstenfahrt von über 4000 Seemeilen, die mir bevorstand, erforderte mehr als gutes seemännisches Können und starke Nerven. Nachmittags besuchten mich mehrere erschöpfte Landvögel, die anscheinend ihre Kräfte überschätzt hatten: Rotschwänzchen, Schwalben und ein graugrüner Kanarienvogel, dem gar nicht nach Singen zumute war. Eine Rauchschwalbe übernachtete sogar in meinem Boot; sie war stracks in die Kajüte geflogen und hatte sich auf das Radio gesetzt. Ich brachte sie in die Vorderkajüte, wo ein paar Gnitzen meine Obst- und Gemüsevorräte umschwirrten; hier konnte sie sich als lebender Fliegenfänger die Passage nach der Sahara verdienen. Am nächsten Tage kamen – vollkommen ermattet – wieder mehrere Vögel an Bord; auch sah ich im Meer unzählige Heuschrecken, Falter und Schmetterlinge flooten, die wohl von der Sahara und der Insel Fuerteventura herübergetrieben worden waren.
Von der Wüste in den Regenwald VIERTES KAPITEL VON DER WÜSTE IN DEN REGENWALD Port Etienne lag hinter mir. Kap Blanc mit seinem Leuchtturm verschwand im orangefarbenen Horizont, den die Sahara bildete. Man könnte direkten Kurs von Kap Blanc nach Dakar nehmen, wenn es nicht die berüchtigte Bank von Arguin geben würde, die weit ins Meer hineinragt. Diese Bank müssen die Dampfer noch mehr meiden als ich es mußte. Meine LIBERIA hielt sich zwischen Bank und Dampferstraße. Seit hier Schiffe segeln, seit also die Portugiesen unter dem Patronat Heinrich des Seefahrers diese Küste erobert haben, ist die Bank ein Seemannsgrab gewesen. In den letzten fünf Jahren haben zwei deutsche Yachten mit ihr unangenehme Bekanntschaft gemacht: die eine war nachts in die Brecher hineingeraten, konnte sich aber im letzten Augenblick wieder retten. Die andere wurde von den Franzosen aus Port Etienne wieder flott gemacht. Es ist ein verlassenes Stück Erde hier. Sand, Sand und nochmals Sand! Die Untiefen wechseln von Woche zu Woche, reißende Priele bilden die einzigen Bootswege, die nur wenigen maurischen Lotsen bekannt sind. Aber diese Gegend ist reich: eine Unmenge von Fischen und Vögeln kommt hier zusammen, um zu laichen, beziehungsweise zu nisten. Ich befand mich mit meinem Boot etwa fünf Meilen von den westlichsten Bänken. Mehrere Dampfer waren mir auf der Ozeanseite schon begegnet. Ich hatte die beiden Focks ausgebaumt, so daß mein Boot für Minuten allein lief, ohne daß ich mich an die Pinne klammern mußte. Jedoch die Angst, in die Dampferstraße oder auf die Bänke zu geraten, ließ mich alle Augenblicke den Kurs überprüfen. Hier gerät die hohe Atlantikdünung, die einen ganzen Ozean überquert hat, auf die flachen Sandbänke und bricht sich mit riesigem Getöse. Wehe den Schiffen, die auf diese Bänke geraten! Endlich lag die Gefahr hinter mir. Die See jedoch wurde so grob, daß ich mich nicht mehr von der Pinne rühren konnte. Einmal stieg Rasmus 1 so unerhört gemein in meine Kabine und in das Cockpit ein, daß ich später glaubte, ich hätte mindestens eine Tonne Wasser aus dem Boot herausgepumpt.
Liberia: Können Afrikaner kolonisieren? FÜNFTES KAPITEL LIBERIA: KÖNNEN AFRIKANER KOLONISIEREN? Die Navigation an Bord der LIBERIA IV stimmte genau; ich lief die Boje am Rande der gefährlichen Sandbänke weit draußen im Meer an und konnte beruhigt Kurs auf die liberianische Küste nehmen. Wie es beinahe schon zur Regel auf meiner Fahrt geworden war, traf ich erst nachts im Hafen von Monrovia, der Hauptstadt von Liberia, ein. Von der Pier her leuchteten die Lichter mehrerer Dampfer, außerdem lagen noch einige Schiffe draußen auf Reede – ein Zeichen, daß die älteste Negerrepublik Afrikas regen Handel treibt. Mit raumem Wind 1 war ich bald vor dem Kai. Am Steuerbord machte ich eine Ketsch aus. Ich hielt auf sie zu und warf neben ihr Anker. Kaum lag das Boot still, als sein Rumpf von allen Seiten überfallen wurde, es knackte und knirschte, knisterte und krispelte, daß man glauben konnte, eine Armee von Bohrwürmern hätte zum Großangriff geblasen. Aber Bohrwürmer, die gefürchteten Teredos, arbeiten lautlos und in aller Heimlichkeit. Was sich hier an meinem Boot zu schaffen machte und sich ungebeten an seinem Rumpf festsetzte, war harmloseres, „krebsiges“ Getier.
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