»Was schulde ich euch?«, versuche ich mit dem internationalen Zeichen zweier sich reibender Finger zu fragen. »Testing«, kommt als Antwort, und kurz darauf probieren wir tatsächlich, wie viele Crewmitglieder des Rettungskreuzers in MAVERICK TOOS Maschinenraum passen. Es wird wieder gefummelt, heiß gemacht und angepasst. Sogar der Kapitän bleibt da, will zuschauen, ob die Lösung funktioniert. Schließlich ist unser Provisorium gebaut. »Nicht für ewig, nur zur Überführung«, erklärt man mir. Klar, ich will ja nur in die nächste Marina. Hier an der Pier müsste ich in der Nacht jede Stunde die Leinen verlängern, damit wir uns nicht aufhängen. »Fünf Meter Tidenhub«, hat mir die Crew erklärt. Die nächste Marina in der Zivilisation liegt 17 Seemeilen entfernt im Osten, in Viveiro. Das sollte doch zu schaffen sein.
Aber da wäre noch die Bezahlung der Rettungsaktion. »¿Cuánto cuesta?«, versuche ich, die Summe in Erfahrung zu bringen. »1.443 €!« Und die Versicherungsnummer braucht er immer noch. »Das zahle ich selber«, sage ich und schlucke. Der Kapitän ist verblüfft, nimmt mich mit in sein Büro und kontaktiert erst mal das Hauptquartier, denn er hat vergessen, wie das Kreditkartengerät funktioniert. Privatzahlung, das kam lange nicht mehr vor. Schließlich spuckt der Drucker die Quittung aus. »For insurance«, sagt der Kapitän. Na ja, mal sehen. Wir schütteln uns die Hände, man klopft mir auf die Schulter und sagt, ich solle gut aufpassen. Dann laufe ich zurück zur MAVERICK TOO. Schnell weiter, endlich zu einem richtigen Hafen, in dem wir sicher liegen. Endlich schlafen.
Kurz hinter der Hafeneinfahrt wird die Maschine jedoch wieder zu heiß. Wir kehren um, lassen uns treiben, bis die Maschine wieder abgekühlt ist, und laufen erneut in Cariño ein. Als wir in der Abenddämmerung an der hohen Kaimauer anlegen, kommt uns die Crew des Rettungsbootes samt Skipper schon entgegen, in Ausgehuniform. »¿Problema?«, fragen sie. Ich erkläre die Lage und dass wir noch eine Nacht bleiben müssen. Der Kapitän überlegt kurz, telefoniert und hat dann eine Lösung: »Geht doch an meinem Schiff längsseits. Wenn wir heute Nacht nicht rausmüssen, könnt ihr endlich mal durchschlafen und braucht keine Leinen zu verändern.« Was für ein unheimlich nettes Angebot! Wir verholen und fallen nach dem Abendessen sofort todmüde in die Koje.
Doch eine Sorge drückt noch: Morgen früh landet das Kamerateam vom ZDF und will mit uns drehen. Ich habe ihnen zwar schon geschrieben, dass wir hier bei den Seenotrettern längsseits liegen und es ziemlich blöd wäre, wenn sie hier auftauchten. »Kein Problem«, meinte der Regisseur. »Dann können wir die gleich interviewen. Der Kameramann kann hervorragend Spanisch!« Doch uns ist das unangenehm. Vor allem kommen wir dann nicht weiter mit dem Schiff und dem Motorproblem. Deshalb sage ich dem Filmteam, dass wir uns morgen um 11 Uhr in Viveiro treffen.
Am nächsten Morgen klingelt der Wecker um 6:30 Uhr. Um 7 Uhr schalte ich das Handy ab und baue bei einer Tasse Kaffee den gesamten Kühlkreislauf der Maschine auseinander. Impellerpumpe, Wärmetauscher, alle Schläuche. Sogar das Seeventil. Alles in Ordnung. Eigentlich fiele bei einer Überhitzung ja sofort der Verdacht auf das Thermostat, aber da der Wassersammler im Seewasserkreislauf zu heiß geworden ist, muss es ja an der Seewasserzufuhr liegen. Oder war es eine Kettenreaktion? Inzwischen wird es hell. Ich versuche es, baue das Thermostat aus und werfe es in einen Topf mit kochendem Wasser. Bei 74 °C sollte es öffnen, das Wasser hat 100 °C. Keine Reaktion. Ich kann es kaum fassen. Das Thermostat ist tatsächlich kaputt. Das ist die Lösung!
Als ich die Maschine angemacht habe und sie auf Temperatur kam, hat das Thermostat den großen Kühlkreislauf nicht geöffnet. Dadurch ist die Maschine zu heiß geworden, der Kühlwasserschlauch des Seewassers ist weich geworden und dann vom Anschlussstutzen gerutscht. Das Abgas wurde nicht mehr gekühlt, und der Wassersammler ist geschmolzen. Völlig logisch. Ein Testlauf von über einer Stunde lässt die Motortemperatur bis auf 70 °C steigen. Kein Grad wärmer. Es funktioniert. Wir verabschieden uns bei unseren Seenotrettern mit drei Dosen Bier und einer Flasche Osteland-Aquavit aus unserem Heimatdorf und schauen in freudige Gesichter. Dann geht es los. Mit offener Motorluke und zehnminütlichen Temperaturkontrollen tuckern wir durch die bleierne Flaute hinaus aus der Bucht, vorbei an der pittoresken Felsküste. 4,5 Knoten Fahrt, mehr möchte ich dem Provisorium nicht zumuten. Doch die Abgasanlage aus Regenrohren hält stand, und nach vier Stunden Fahrt erreichen wir die Marina in Viveiro. Das Kamerateam hat uns auf halber Strecke aus den Bergen heraus entdeckt und mit dem Teleobjektiv gefilmt. Dabei entstehen fantastische Aufnahmen.
Die windige Biskaya ist längst vergessen, doch erst mit der Ankunft fällt die Last der vergangenen Tage wirklich ab. Es ist gut, an einem sicheren Steg zu liegen. Nur die Belastung der Kreditkarte liegt noch schwer im Magen. Wieder solch eine große Summe. Doch beim Archivieren der Hafenquittung fällt mir die Pantaenius-Police in die Hand, und ich kippe fast aus den Latschen: Ich habe mich geirrt. Der Versicherungsschutz schließt die gesamte europäische Küste ein, mit Ausnahme des Seegebiets nördlich von Bergen. Ist das tatsächlich wahr? Zwei Stunden nach meiner Mail an die Versicherung kommt bereits eine Antwort: »In Deutschland ist ›Hanseboot‹, deshalb finde ich die Mail erst jetzt. Das Abschleppen zahlen wir. War genau richtig, was ihr gemacht habt. Können wir sonst noch was tun?« Eine kurze Mail, die so viel ausmacht: Unsere Reise kann weitergehen!
VIVEIRO – GALICIEN
FÜR LIEBHABER
Von Johannes
La Coruña ist bekannt. Aber nach Viveiro verirrt sich hingegen kaum ein Mensch. Schade eigentlich, denn der kleine Fischerort ist toll, um nach einer anstrengenden Biskaya-Überquerung Kräfte zu sammeln. Die Liegegebühren sind günstig, die Altstadt ist wunderschön, das Internet schnell und die Bäder hervorragend. Es gefällt uns hier. Und das ist auch gut so, denn es wird fast vier Wochen dauern, bis wir weiterkönnen.
Die ersten Tage verbringen wir damit, das Schiff aufzuklaren. Wieder sind mehrere Lecks an Deck aufgetaucht, die eine Menge Wasser ins Innere gelassen haben. Polster, Bezüge, Decken, Bettzeug – alles nass. Da es in der Marina keine Waschmaschine gibt, kramen wir die von Burghard Pieske geliehene Kurbelwaschmaschine aus der Hundekoje und waschen wie zu Großmutters Zeiten.
Schnell lernen wir unsere deutschen Stegnachbarn Ulrike und Norbert kennen. Die beiden wohnen einen Großteil des Jahres auf ihrem Stahlschiff PALOMA und sind eher gemächlich unterwegs. Vor vier oder fünf Jahren sind sie in Deutschland gestartet, dachten sich aber, dass sie erst mal die Ostsee richtig kennenlernen müssen, bevor sie woanders hinsegeln. Eigentlich wollen sie nach Griechenland, machen sich aber Sorgen, ob sie das noch schaffen: »Wir haben nur noch acht Jahre Zeit.« Die beiden sind zu beneiden.
Die beiden laden uns ein, mit ihnen am Abend durch die Innenstadt zu laufen, ein paar Bier zu trinken und was zu essen. Bisher waren wir selten auswärts essen, um Geld zu sparen. Aber das kann man sich in Spanien – und vor allem nach Überquerung der Biskaya – ruhig einmal gönnen. Also landen wir am Marktplatz in einer typisch galicischen Kneipe. Das Standardgericht dort sind … Burger! Wir bestellen jeder einen und Cati und ich auch je eine Portion Pommes. Die Kellnerin fragt: »Seid ihr sicher? Wollt ihr nicht lieber nur eine?« Wir nehmen daher nur eine und sind froh darüber. Denn die Schüsseln sind riesig. Davon hätten wir auch zu dritt essen können. Und das Schöne: Für zwei Burger, Pommes satt und ein paar Bier reicht ein Zehneuroschein, Trinkgeld inklusive. So gefällt uns Spanien, fernab der Touristenecken.
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