Monika Hinterberger
Eine Spur von Glück
Lesende Frauen in der Geschichte
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© Wallstein Verlag, Göttingen 2020
www.wallstein-verlag.de
Umschlaggestaltung: Marion Wiebel, Wallstein Verlag
Umschlagbild: Asta Norregaard, Lesende Frau, 1889,
Quelle: PR Archive / Alamy Stock Foto.
ISBN (Print) 978-3-8353-3799-2
ISBN (E-Book, pdf) 978-3-8353-4538-6
ISBN (E-Book, epub) 978-3-8353-4539-3
Vorwort
1. Eine lesende Frau
Eine Athenerin• Mütter und Töchter• Lesen und Schreiben• Eine Welt der Bücher• In Frauenräumen• Außerhalb des Hauses• Weibliche Lebenswelten• Literatur
2. Zwei Frauen im Gespräch über ihre Lektüre
Colloquio di donne• Geschichtliche Streifzüge• Frauen aus Pompeji• »Kennen sollst du auch Sappho …«• Weibliche Vorbilder• Bildungsbewusst und ambitioniert• Literatur
3. Disputierende Frauen mit Büchern
Religiosität und Gelehrsamkeit• Historische Spurensuche• Vita religiosa• Studium und Gebet• Bücher zum Lobe Gottes• Schreibende Frauen• »… aus dem Becher irdischer Weisheit«• Literatur
4. Die heilige Anna lehrt ihre Tochter Maria das Lesen
Ein beredtes Bild• Annen- und Marienverehrung• »Höre Tochter, und sieh …«• Weibliche Bildung – weibliche Selbstbestimmung• Klosterfrauen und weltliche Dichterinnen• Literatur
5. Die lesende Maria
Ave Maria• Ein weiblicher Kosmos• Sancta Colonia• Psalter lesen und anderes• Die Geburt des Buchdrucks• Maria – Königin der Stadt der Frauen• Literatur
6. Christine de Pizan in ihrer Studierstube
»Je, Christine …«• »Ganz allein bin ich …«• Dornige Rosen• »Hinaus aufs Feld der Literatur …«• In kommenden Zeiten• Le Livre de la Paix – Das Buch vom Frieden • Literatur
7. Lesestunde
Sieh mal, ich bringe ihr das Lesen bei …• Bildung, Gewandtheit und edle Gesinnung• Eine lebendige Malerei• Weibliche Traditionen• Licht und Schatten• Il merito delle donne – Das Verdienst der Frauen • Fraueneigene Räume• Literatur
8. Stille Lektüre
Aura des Geheimnisvollen• Ein Goldenes Zeitalter• Nicht Samt und Seide• Lesen für sich allein• Schönschreiben und mehr• Im Namen der Gleichheit• Ein Kaleidoskop weiblicher Lebensentwürfe• Und wieder: die lesende Frau• Literatur
9. Élisabeth Ferrand meditiert über Newton
Liebe zur Wissenschaft• Discours sur le bonheur – Rede vom Glück • Bildung und weibliches Selbstverständnis• Les Conversations d’Emilie – Aemiliens Unterredungen • Briefe• Romane• »… entworfen von einem Frauenzimmer«• Die Lust zu lernen – Therese Huber• Die Lust zu lesen• »Lesende Frauenzimmer«• Journale von Frauen für Frauen• Avantgarde des femmes• »Femme, réveille-toi!« – »Frau, erwache!«• Literatur
10. Die Lesende
Eine Spur von Glück• Das Morgenlied der Freiheit • »Jetzt, wo der Schnee hinwegthaut …«• Elementare Mädchenbildung• Höhere Mädchenbildung• Reifezeugnis – ein Meilenstein• Freien Geistes• Lebensentwürfe – ein Gespräch mit Marie Fantin-Latour• »Als eine Frau lesen lernte …«• Literatur
Dank
Bildnachweis
Dieses Buch ist ein sehr persönliches. Es erzählt von meiner Begegnung mit Bildern lesender Frauen.
Kunstvollen Darstellungen, die von der Antike bis zur Gegenwart reichen und mich bewogen, den Spuren lesender Frauen in der Geschichte zu folgen, ihre Lebenswelten und insbesondere ihre Bildungswege zu ergründen. Wo lernten Frauen in der Antike zu lesen? Im Mittelalter, in der Frühen Neuzeit und den Jahrhunderten danach? Welche Bücher lasen sie? Mit welchem Interesse? Welchen Erwartungen? Wie kamen sie in den Besitz von Büchern? Und vor allem: Was bedeutete es für sie, lesen zu können?
Fragen dieser Art begleiteten meine Annäherungen an lesende Frauen. Ich suchte den Dialog mit ihnen, suchte historische Zeiträume zu erschließen und vorhandene Quellen zu befragen, suchte auf diese Weise ein Bild von ihnen zu gewinnen. Nicht selten überwogen Fragen mögliche Antworten, besonders wenn es um lesende Frauen weit zurückliegender Zeiten ging, wenn weibliche Lebenswelten und -bedingungen heutigen Vorstellungen sehr fernstehend erschienen. Wer hat vor Augen, dass etwa das Lesen jahrhundertelang an Tageslicht gebunden war? Dass Kerzen vor allem in Kirchen und Adelshäusern brannten, aber ansonsten unerschwinglich waren? Wer ermisst, dass zwischen den ersten Darstellungen des lesenden Menschen in der griechischen Antike und der Erfindung des Buchdrucks ein Zeitraum von zweitausend Jahren liegt? Zweitausend Jahre lang lasen Frauen ausschließlich Handschriftliches – geschrieben auf Papyrus, Pergament und Papier –, bis der Buchdruck in der Mitte des 15. Jahrhunderts eine neue Periode der Lesekultur einleitete. Und auch da sind sie als Lesende präsent.
Wie konnte angesichts der Fülle an Bildern lesender Frauen der Eindruck entstehen, dass Frauen, von Angehörigen des Adels und des gebildeten Bürgertums abgesehen, über lange Zeiten hinweg großenteils des Lesens unkundig, von Bildung ausgeschlossen waren? Ein Vorurteil, wie sich zeigte. Eine Auffassung, der ich mit diesem Buch ein Bild lesender Frauen entgegensetze, das ich von ihnen gewann – wohl wissend, dass sich schwerlich von den Frauen sprechen lässt.
Zehn Bilder wählte ich aus. Sie markieren meine Spurensuche. Begleiteten meine geschichtlichen Streifzüge. Weckten meine Imaginationen. Bewegten mich, mit lesenden Frauen ins Gespräch zu kommen, ihnen Raum zu geben, sie zu Wort kommen zu lassen. Ich begegnete mutigen Frauen, erkenntnis- und urteilsfähigen. Ich nahm ihre gesellschaftliche Präsenz in den Blick, ihre Stärke, ihr Sosein, auch ihre Nöte. Es zeigte sich: Lesen war Teil weiblichen Lebens. Lesen zu können, schuf Frauen Voraussetzungen, selbstbestimmt zu handeln. Es gab ihnen die Freiheit zu lernen, sich Bildung anzueignen, ihr Leben zu gestalten, Wege neu abzustecken. Sie liebten Bücher und liebten das Lesen. Es barg die Möglichkeit, über die eigene Wirklichkeit hinauszudenken, sich schöpferisch zu erleben, auf Neues zu treffen, Unerwartetes zu erkunden. Und im Lesen Glück zu erfahren. Eine Spur von Glück.
Eine Frau liest in einer Buchrolle. Rotfigurige »Lekythos« aus Attika,
Höhe 22 cm, um 440-430 v. Chr..
Musée du Louvre, Paris.
1. Eine lesende Frau
Eine Athenerin
Eine Lesende. Dargestellt auf einer attischen Vase des 5. vorchristlichen Jahrhunderts. Das Haar zu einem Knoten hochgebunden. Bekleidet mit einem Chiton aus feiner Baumwolle oder feinem Leinen und einem darüber liegenden Tuchmantel, dem Himation . Ihre Haartracht und die Kleidung deuten auf eine vornehme Herkunft hin. Mit beiden Händen hält sie eine geöffnete Buchrolle vor sich. Sie ist in die Lektüre eines Textes vertieft. Vor ihr am Boden befindet sich eine Büchertruhe, der sie die Schriftrolle entnommen haben mag. Das Möbel und die Tänie , eine festliche Kopfbinde, lassen erkennen, dass sie sich im Innern eines Hauses aufhält. Allein. In einem Moment innerer Ruhe, so scheint es.
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