Wenn man zu bestimmen sucht, ob die angenommenen Varietäten einer und derselben Form von domesticierten Thieren als solche oder als specifisch verschieden classificiert werden sollen, d. h. ob einige von ihnen von verschiedenen wilden Species abgestammt sind, so würde jeder Zoolog viel Gewicht auf die Thatsache legen, wenn sie sich ermitteln ließe, ob ihre äußeren Parasiten specifisch verschieden sind. Es würde nur um so mehr Gewicht auf diese Thatsache gelegt werden, als sie eine ausnahmsweise sein würde; denn Mr. Denny hat mir mitgetheilt, daß die verschiedensten Arten von Hunden, Haushühnern und Tauben in England von denselben Species von Pediculinen oder Läusen heimgesucht werden. Nun hat Mr. A. Murrey sorgfältig die in verschiedenen Ländern von den verschiedenen Menschenrassen abgesuchten Pediculinen untersucht, 361und er findet, daß sie nicht bloß in der Farbe, sondern auch in der Structur ihrer Kiefern und Gliedmaßen von einander abweichen. In jedem Falle, wo zahlreiche Exemplare erlangt wurden, waren die Verschiedenheiten constant. Der Arzt eines Walfischfängers im Stillen Ocean hat mir versichert, daß wenn die Läuse, welche einige Sandwich-Insulaner an Bord dieses Schiffes zahlreich bedeckten, sich auf die Körper der englischen Matrosen verirrten, sie im Verlauf von drei oder vier Tagen starben. Diese Pediculinen waren dunkler gefärbt und schienen von denen verschieden zu sein, welche den Eingeborenen von Chiloë in Südamerika eigenthümlich waren und von welchen man mir einige Exemplare gab. Diese wiederum scheinen viel größer und weicher zu sein als europäische Läuse. Mr. Murrey verschaffte sich vier Arten aus Afrika, nämlich von den Negern der Ost- und Westküste, von den Hottentotten und von den Kaffern, zwei Arten von den Eingeborenen von Australien, zwei von Nord-Amerika und zwei von Süd-Amerika. In diesen letzten Fällen darf vermuthet werden, daß die Läuse von Eingeborenen kamen, welche verschiedene Districte bewohnten. Bei Insecten werden unbedeutende Verschiedenheiten des Baues, wenn sie nur constant sind, allgemein als von specifischem Werthe angesehen, und die Thatsache, daß die Menschenrassen von Parasiten heimgesucht werden, welche specifisch verschieden zu sein scheinen, könnte ganz ruhig als Argument betont werden, daß die Rassen selbst als distincte Species classificiert werden sollen.
Wäre unser angenommener Zoolog in seiner Untersuchung bis hierher gekommen, so würde er zunächst untersuchen, ob die Menschenrassen, wenn sie sich kreuzen, in irgend einem Grade steril seien. Er dürfte das Werk eines vorsichtigen und philosophischen Beobachters, Professor Broca, 362zu Rathe ziehen, und darin würde er gute Belege dafür finden, daß einige Rassen völlig fruchtbar unter einander sind, aber in Bezug auf andere Rassen auch Belege einer entgegengesetzten Natur. So ist behauptet worden, daß die eingeborenen Frauen von Australien und Tasmanien selten mit europäischen Männern Kinder hervorbrächten; indessen sind die Angaben gerade über diesen Punkt jetzt als fast werthlos erwiesen worden. Die Mischlinge werden von den reinen Schwarzen getödtet; so ist kürzlich ein Bericht veröffentlicht worden über einen Fall, wo elf junge Leute einer Mischlingsrasse zu gleicher Zeit ermordet und verbrannt wurden, deren Überbleibsel dann von der Polizei gefunden wurden. 363Ferner ist oft gesagt worden, daß, wenn Mulatten unter einander heirathen, sie wenig Kinder erzeugen. Auf der andern Seite behauptet aber Dr. Bachman von Charlestown 364positiv, daß er Mulattenfamilien gekannt habe, welche mehrere Generationen hindurch unter einander geheirathet hatten und im Mittel genau so fruchtbar waren wie sowohl rein Weiße als rein Schwarze. Früher von Sir C. Lyell angestellte Untersuchungen über diesen Gegenstand haben ihn, wie er mir mittheilt, zu derselben Schlußfolgerung geführt. 365
Die Volkszählung für das Jahr 1854 in den Vereinigten Staaten umfaßte Dr. Bachman zufolge 405751 Mulatten, und diese Zahl scheint unter Berücksichtigung aller bei dem Falle in Frage kommenden Umstände gering zu sein; sie dürfte aber zum Theil durch die herabgekommene und anomale Stellung der Classe und durch das ausschweifende Leben der Frauen zu erklären sein. In einem gewissen Grade muß eine Absorption von Mulatten rückwärts in die Neger immer im Fortschreiten begriffen sein, und dies würde zu einer offenbaren Verringerung der Zahl der Ersteren führen. Die geringere Lebensfähigkeit der Mulatten wird in einem zuverlässigen Werke 366als eine wohlbekannte Erscheinung besprochen; doch wäre dies eine von der verringerten Fruchtbarkeit etwas verschiedene Thatsache und könnte kaum als ein Beweis für die specifische Verschiedenheit der beiden elterlichen Rassen vorgebracht werden. Ohne Zweifel sind sowohl thierische als pflanzliche Bastarde, wenn sie von äußerst verschiedenen Species hervorgebracht sind, einem frühzeitigen Tode ausgesetzt; aber die Eltern der Mulatten können nicht in die Kategorie äußerst verschiedener Species gebracht werden. Das gewöhnliche Maulthier, dessen langes Leben und Lebenskraft und doch so große Unfruchtbarkeit notorisch sind, zeigt, wie wenig nothwendig bei Bastarden eine Verbindung zwischen verringerter Fruchtbarkeit und Lebensfähigkeit besteht, und andere analoge Fälle könnten noch angeführt werden.
Selbst, wenn später noch bewiesen werden sollte, daß alle Menschenrassen vollkommen fruchtbar unter einander wären, so dürfte doch derjenige, welcher aus anderen Gründen geneigt wäre, sie für distincte Species zu halten, mit vollem Rechte schließen, daß Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit keine sicheren Kriterien specifischer Verschiedenheit darbieten. Wir wissen, daß diese Eigenschaften durch veränderte Lebensbedingungen oder durch nahe Inzucht leicht afficiert und daß sie von sehr complicierten Gesetzen beherrscht werden, z. B. von dem der ungleichen Fruchtbarkeit wechselseitiger Kreuzungen zwischen denselben zwei Species. Bei Formen, welche als unzweifelhafte Species classificiert werden müssen, besteht eine vollkommene Reihenfolge von denen an, welche bei einer Kreuzung absolut steril sind, bis zu denen, welche fast ganz oder vollkommen fruchtbar sind. Die Grade der Unfruchtbarkeit fallen nicht scharf mit den Graden der Verschiedenheit im äußeren Bau oder in der Lebensweise zusammen. Der Mensch kann in vielen Beziehungen mit denjenigen Thieren verglichen werden, welche schon seit langer Zeit domesticiert worden sind, und eine große Menge von Belegen kann zu Gunsten der Pallas 'schen Theorie 367vorgebracht werden, daß die Domestication die Unfruchtbarkeit, welche ein so allgemeines Resultat der Kreuzung von Species im Naturzustande ist, zu eliminieren strebt. Nach diesen verschiedenen Betrachtungen kann man mit Recht betonen, daß die vollkommene Fruchtbarkeit der mit einander gekreuzten Rassen des Menschen, wenn sie festgestellt wäre, uns nicht absolut daran hindern könnte, sie als distincte Species aufzuführen.
Abgesehen von der Fruchtbarkeit hat man zuweilen geglaubt, daß die Charaktere der Nachkommen aus einer Kreuzung Beweise dafür darböten, ob die elterlichen Formen als Species oder als Varietäten einzuordnen seien; aber nach einer sorgfältigen Erwägung der Belege bin ich zu der Folgerung gekommen, daß keiner allgemeinen Regel dieser Art getraut werden kann. Das gewöhnliche Resultat einer Kreuzung ist die Erzeugung einer gemischten oder intermediären Form; in gewissen Fällen schlagen aber manche der Nachkommen auffallend nach dem einen Erzeuger, und manche nach dem anderen. Dies tritt dann besonders gern ein, wenn die Eltern in Charakteren von einander verschieden sind, welche zuerst als plötzliche Abänderungen oder Monstrositäten aufgetreten sind. 368Ich erwähne diesen Punkt, weil mir Dr. Rohlfs mittheilt, daß er in Afrika häufig gesehen habe, wie die Nachkommen von Negern, die sich mit Menschen anderer Rassen gekreuzt hatten, entweder vollkommen schwarz oder vollkommen weiß, und nur selten gescheckt waren. Andererseits ist es aber notorisch, daß in Amerika die Mulatten gewöhnlich ein intermediäres Aussehen darbieten.
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