88Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. 2. Aufl. Bd. II, S. 9.
89Säugethiere von Paraguay, p. 8, 10. Ich habe reichlich Gelegenheit gehabt, das außerordentliche Sehvermögen der Feuerländer zu beobachten, s. auch Lawrence (Lectures on Physiology etc. 1822, p. 404) über denselben Gegenstand. Mr. Giraud-Teulon hat neuerdings (Revue des Cours scientifiques, 1870, p. 625) eine große und werthvolle Zahl von Beweisen gesammelt, welche zeigen, daß die Ursache der Kurzsichtigkeit »c'est le travail assidu, de près«
90 Prichard , Physic. Hist. of Mankind (nach der Autorität von Blumenbach ). Vol. I. 1851, p. 311; die Angabe von Pallas ebenda. Vol. IV. 1844, p. 407.
91Citiert v. Prichard , Researches into the phys. hist. of Mankind. Vol. V, p. 463.
92Mr. Forbes' werthvolle Arbeit ist jetzt publiciert in: Journal of the Ethnological Soc. of London. New Ser. Vol. Tl. 1870, p. 193.
93Dr. Wilckens (Landwirthschaftliches Wochenblatt, No. 10, 1869) hat vor Kurzem eine interessante Abhandlung veröffentlicht, worin er zeigt, wie domesticierte Thiere, welche in bergigen Gegenden leben, einen modificierten Körperbau haben.
Entwicklungshemmungen . – Entwicklungshemmungen sind verschieden von Wachsthumshemmungen; denn Körpertheile, die sich im Zustand der Entwicklungshemmung finden, fahren zu wachsen fort, während sie noch immer ihre frühere Beschaffenheit beibehalten. Verschiedene Monstrositäten fallen unter diese Kategorie und einige sind bekanntlich gelegentlich vererbt worden, wie z. B. die Gaumenspalte. Für unsern Zweck wird es genügen, auf die Entwicklungshemmung des Gehirns bei mikrocephalen Idioten hinzuweisen, wie sie Vogt in seiner größeren Abhandlung beschrieben hat. 94Ihre Schädel sind kleiner und ihre Hirnwindungen weniger compliciert als beim normalen Menschen. Die Stirnhöhlen oder die Vorsprünge über den Augenbrauen sind bedeutend entwickelt und die Kiefer sind prognath in einem »effrayanten« Grade, so daß diese Idioten gewissermaßen den niederen Typen des Menschen ähnlich sind. Ihre Intelligenz und die meisten ihrer geistigen Fähigkeiten sind äußerst schwach. Sie sind nicht im Stande, die Fähigkeit der Sprache zu erlangen, und sind einer fortgesetzten Aufmerksamkeit völlig unfähig, aber sehr geneigt, nachzuahmen. Sie sind kräftig und merkwürdig lebendig, beständig herumtanzend und springend und Grimassen schneidend. Sie kriechen oft Treppen auf allen Vieren hinauf und klettern merkwürdig gern an Möbeln oder Bäumen in die Höhe. Wir werden hierdurch an das Entzücken erinnert, mit welchem beinahe alle Knaben Bäume erklettern; und dies wiederum erinnert uns an junge Lämmer und Zicken, welche, ursprünglich alpine Thiere, sich daran ergötzen, auf jeden Hügel, wie klein er auch sein mag, zu springen. Blödsinnige ähneln niederen Thieren noch in andern Beziehungen; so hat man mehrere Fälle berichtet, wo sie jeden Bissen Nahrung erst sorgfältig berochen, ehe sie ihn in den Mund steckten. Einen Idioten hat man beschrieben, der zur Unterstützung der Hände oft seinen Mund gebrauchte, wenn er Läuse suchte. Sie sind oft schmutzig in ihrem Benehmen und haben kein Gefühl für Anstand; mehrere Fälle sind endlich beschrieben worden, wo ihr Körper merkwürdig haarig war. 95
Rückschlag . – Viele der nun mitzutheilenden Fälle hätten schon unter der letzten Überschrift gegeben werden können. Sobald irgend eine Bildung in ihrer Entwicklung gehemmt ist, aber noch fortwächst, bis sie einer entsprechenden Bildung bei einem niedrigeren und erwachsenen Gliede derselben Gruppe genau ähnlich wird, können wir sie in gewissem Sinne als einen Fall von Rückschlag betrachten. Die niederen Glieder einer Gruppe geben uns eine Idee, wie der gemeinsame Urerzeuger der Gruppe wahrscheinlich gebildet war; und es ist kaum glaublich, daß ein auf einer früheren Stufe der embryonalen Entwicklung stehen gebliebener Theil im Stande sein sollte, in seinem Wachsthum so weit fortzuschreiten, daß er schließlich seine besondere Function verrichten kann, wenn er nicht diese Fähigkeit des Fortwachsens während eines früheren Zustandes seiner Existenz, wo der gegenwärtig ausnahmsweise oder gehemmte Bildungszustand normal war, erlangt hätte. Das einfache Gehirn eines mikrocephalen Idioten kann, insoweit es dem eines Affen gleicht, in diesem Sinne wohl als ein Fall von Rückschlag bezeichnet werden.
Es giebt aber andere Fälle, welche noch strenger in das vorliegende Capitel des Rückschlags gehören. Gewisse Bildungen, welche regelmäßig bei den niederen Thieren der Gruppe, zu welcher der Mensch gehört, vorkommen, treten gelegentlich auch bei ihm auf, wenn sie sich auch nicht an dem normalen menschlichen Embryo vorfinden, oder sie entwickeln sich, wenn sie normal am menschlichen Embryo vorhanden sind, in einer abnormen Weise, obschon diese Entwicklungsweise für die niedrigeren Glieder derselben Gruppe normal ist. Diese Bemerkungen werden durch die folgenden Erläuterungen noch deutlicher werden. 96
Bei verschiedenen Säugethieren geht der Uterus allmählich aus der Form eines doppelten Organs mit zwei getrennten Öffnungen und zwei Canälen, wie bei den Beutelthieren, in die Form eines einzigen Organes über, welches mit Ausnahme einer kleinen inneren Falte kein weiteres Zeichen der Verdoppelung zeigt; so bei den höheren Affen und dem Menschen. Die Nagethiere bieten eine vollständige Reihe von Abstufungen zwischen diesen beiden äußersten Formenzuständen dar. Bei allen Säugethieren entwickelt sich der Uterus aus zwei primitiven Tuben, deren untere Theile die Hörner bilden, und mit den Worten des Dr. Farre : »der Körper des Uterus bildet sich beim Menschen durch die Verwachsung der beiden Hörner an ihren unteren Enden, während bei denjenigen Thieren, bei welchen kein mittlerer Theil oder Körper existiert, die Hörner unvereint bleiben. In dem Maße, als die Entwicklung des Uterus fortschreitet, werden die beiden Hörner allmählich kürzer, bis sie zuletzt verloren oder gleichsam in den Körper des Uterus absorbiert werden.« Die Winkel des Uterus sind noch immer, selbst so hoch in der Stufenreihe wie bei den niederen Affen und ihren Verwandten, den Lemuren, in Hörner ausgezogen.
Nun finden sich nicht selten bei Frauen anormale Fälle vor, wo der reife Uterus mit Hörnern versehen oder theilweise in zwei Organe gespalten ist; und derartige Fälle wiederholen nach Owen die Entwicklungsstufe »der allmählichen Concentration«, welche gewisse Nagethiere erreichen. Wir haben vermuthlich hier ein Beispiel einer einfachen Hemmung der embryonalen Entwicklung vor uns mit nachfolgendem Wachsthum und völliger functioneller Entwicklung; denn beide Seiten des theilweise doppelten Uterus sind fähig, die ihm eigenen Leistungen während der Trächtigkeit zu vollziehen. In noch andern und selteneren Fällen sind zwei getrennte Uterinhöhlen gebildet, von denen jede ihre eigene Öffnung und ihren Canal besitzt. 97Während der gewöhnlichen Entwicklung des Embryo wird kein derartiger Zustand durchlaufen und es ist schwer, wenn auch vielleicht nicht unmöglich, anzunehmen, daß die beiden einfachen kleinen primitiven Tuben (wenn der Ausdruck gestattet ist) wissen sollten, wie sie in zwei getrennte Uteri auszuwachsen haben, – jeder mit einer wohlgebildeten Öffnung und einem Canal und jeder mit zahlreichen Muskeln, Nerven, Drüsen und Gefäßen versehen, – wenn sie nicht früher einmal einen ähnlichen Verlauf der Entwicklung, wie bei den noch jetzt lebenden Beutelthieren, durchschritten hätten. Niemand wird behaupten mögen, daß eine so vollkommene Bildung wie der abnorme doppelte Uterus bei Frauen das Resultat bloßen Zufalls sein könne. Aber das Princip des Rückschlags, durch welches lange verloren gewesene Bildungen von Neuem in's Leben gerufen werden, mag als Führer für die volle Entwicklung des Organs dienen, selbst nach dem Verlauf einer enorm langen Zeit.
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