HANS BÜRGER
IST NICHTS MEHR
Sinnfindung in Zeiten von Arbeitsverknappung, Künstlicher Intelligenz und Pandemien
Aus Gründen der Lesbarkeit wurde in diesem Buch darauf verzichtet, geschlechtsspezifische Formulierungen zu verwenden. Der Autor möchte jedoch ausdrücklich festhalten, dass die gebrauchten maskulinen Formen für beide Geschlechter zu verstehen sind.
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1. Auflage 2020
© 2020 by Braumüller GmbH
Servitengasse 5, A-1090 Wien
www.braumueller.at
Grafik Seite 96: basierend auf https://www.sinnforschung.org/wp-content/uploads/2010/10/lebe_grafik-1.jpg
Bild Seite 216: © wikimedia commons, public domain
ISBN 978-3-99100-311-3
eISBN 978-3-99100-312-0
Für Taddeo und Benno
Über die Arbeit und den Sinn eines Buches über den Sinn
VORARBEIT
Der Wert der Arbeit
DAS GUTE LEBEN
Versuch zum „objektiv“ Guten
GLÜCK
Weshalb immer mit dem Unglück befassen?
Die sinnlose Suche nach dem Glück
SINN
Sinn schlägt Glück
Der Fragebogen zum Sinn
Das Bauchgefühl
Der Sinn von „Geschichten“
Sinnsuche ist sinnlos
Der Sinn hat keine Faustregel
WEISHEIT
Weisheit für dich und mich
Die moderne Weisheitsforschung
Zur Weisheit in Gesellschaft und Staat
ARBEIT
Bedingungsloses Grundeinkommen
Weniger Arbeitszeit pro Kopf?
Lebensarbeitszeit und Lebenseinkommen im Sinne eines guten Lebens
Arbeit neu denken
Muss die Arbeit überhaupt gerettet werden?
„Robot tax“
Was Künstliche Intelligenz können wird
Arbeitsverknappung durch Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Robotik
Die Gemeinwohlökonomie
Die Donut-Ökonomie
Arbeit in Zeiten der Globalisierung
DIE ZUKUNFTSGESELLSCHAFT
Im Zeitalter der Authentizität
Zeit – das kostbarste Lebensgut
Erzwungener Stillstand in der Zeit der Pandemie: Aufbruch oder (nur) Zwischenstopp?
Weniger Arbeit – weniger arbeiten
Nach der Arbeit – Danke
Witerführende Literatur
Quellenverzeichnis
Vorwarnung
Das ist kein Buch für Philosophen .
Sie wissen schon alles .
Nur sagen sie es uns nicht .
Einige von ihnen schon – nur denen hören wir meist nicht zu .
Wenn wir die Philosophie als den uns permanent innewohnenden Wunsch nach Erkenntnis über den Sinn des Lebens definieren und den damit verbundenen Herausforderungen für jeden von uns, ist dann nicht nahezu jeder Zweifler ein „Philosoph“?
„Nein, ist er nicht“, meint der deutsche Philosoph Wolfram Eilenberger. Und er begründet es auch. Wer gar nichts „Neues“ denkt und nur wiederholt, der ist kein Philosoph.
Und deshalb: Das ganz Neue werden Sie hier nicht finden. Allerdings neue Zugänge, Überlegungen und Gedankengänge von zwei Seiten, einerseits aus dem journalistischen und andererseits dem ökonomischen Blickwinkel.
Und so darf der Autor Sie zu einer kleinen Reise auf der Suche nach Zutaten für ein zufriedenstellendes Leben einladen – unter Berücksichtigung politischer und ökonomischer Aspekte.
Über die Arbeit und den Sinn eines Buches über den Sinn
Begonnen hatte alles im hohen Alter von 33 Jahren. Jemand hatte das Buch „Sofies Welt“ unter den Weihnachtsbaum gelegt. Obwohl eigentlich als Buch für Kinder und Jugendliche gedacht, konnte einen dieses Kultbuch auch als Erwachsenen ins Staunen versetzen. Mehr als 40 Millionen Exemplare in fast 60 Sprachen sollen verkauft worden sein, der Anteil der erwachsenen Leser soll den der jüngeren bei Weitem übersteigen. Denn was ist im Leben schöner, intensiver und auf die momentane Stimmung wirkmächtiger als das – nur fälschlicherweise ausschließlich der Kindheit zugeschriebene – Staunen.
Wir haben es nur verlernt, weil wir uns zu oft ablenken lassen. Der Blick auf einen Baum mit Hunderten leuchtenden Herzchen am Wiener Christkindlmarkt ist eben bei gleichzeitigem Blick nach unten – auf das Smartphone – schwierig.
Das Staunen sollte aber wieder in unseren Alltag zurückkehren. Und nicht die Ansichten unseres gehetzten Arbeitslebens auf die Kinder übertragen werden, wie folgende Anekdote zeigt.
Es war im Frühjahr vor einiger Zeit. Mein älterer Sohn war eben neun Jahre alt geworden, und die Vorentscheidung, welches Gymnasium er auswählen solle, beschäftigte die ganze Familie. Er bat unter anderem die 14-jährige Schwester eines Klassenfreundes um Rat, die ihm eine bekannte Privatschule in Wien empfahl. Ich wollte es genauer wissen und fragte das junge Mädchen und ihren Vater, ob denn der Ruf stimme, der dieser Schule vorausseile. Streng, reiche Eltern und eher schnöselig. Das Mädchen antwortete sofort: „Überhaupt nicht, es ist wirklich eine Schule fürs Leben.“ – „Warum?“, fragte ich nochmals nach, und die Antwort erstaunt mich bis heute: „Dort kann man die tollsten Netzwerke für sein Berufsleben aufbauen.“
Dieser Satz lässt mich seitdem nicht mehr los. Was geht einer 14-Jährigen, die am Ende der späteren Kindheit an das Netzwerken denkt, wohl durch den Kopf? Wobei sie da nicht Freundschaftskreise zum Austausch von Musiktiteln oder Videofilmen im Hinterkopf hat. Nein, es geht ihr darum, berufliche Netzwerke für die Zeit nach dem Studium zu flechten, also für eine Zeit rund zehn Jahre später, wenn sie dann vielleicht 24 Jahre alt ist und wohl längst einen akademischen Titel vorweisen kann.
Was passiert da gerade in der westlichen Wohlstandsgesellschaft? Wie werden Kinder in diesem 21. Jahrhundert erzogen? Was ist und wofür steht Bildung? Ist Bildung tatsächlich nur noch Aus bildung? Und dient Bildung mittlerweile nur mehr als reines Werkzeug zum beruflichen Erfolg?
Abseits dieser philosophischen Nachdenklichkeit noch eine ganz andere Frage: Was werden all jene Menschen in nicht mehr ferner Zukunft machen, wenn die Arbeit geht? Weg von uns. Schritt für Schritt. In Richtung Roboter, in Richtung Künstliche Intelligenz. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts warnen Psychologen, Philosophen und Soziologen vor dieser Entwicklung. Was macht der Mensch, wenn ihm die Arbeit davonläuft? Wirklich ernst genommen wurden die Warner nicht. Jede neue technische Entwicklung habe schließlich immer noch neue, wenn auch komplexere, Aufgabengebiete geschaffen, denn ausschließlich Arbeitsplätze vernichtet. Das ewige Gejammer sei kontraproduktiv, und die meisten Skeptiker seien ohnehin zu faul, um sich durch effiziente Fortbildung an die neue Arbeitswelt anzupassen.
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