Hierauf war kein Gesang mehr und kein Tönen von Pfeifen und Hörnern. Von den Feuern umher waren einige erloschen, andere brannten schwächer.
Wentila erhob sich von ihrem Sitze in der Stube, in welcher alle versammelt waren, reichte Witiko die Hand, und sagte: »Ich suche meine Schlummerstätte. Ruhe in der ersten Nacht hier so sanft, mein Sohn, wie der Schlummergesang der Jungfrauen angedeutet hat.«
Witiko antwortete: »Geliebte Mutter, das Dach unseres Hauses sei zum ersten Male lieb und hold über deinem Haupte.«
Dann verabschiedeten sie sich, und Wentila ließ sich von Marhild und zwei anderen Frauen in ihr Gemach geleiten.
Die Base sagte: »Witiko, wie mußt du gut sein, weil sie dich so lieben, und wie muß es damals in dein Herz gegangen sein, als die schrecklichen Töne der wilden Hörner, die heute hier erschallten, dort erschollen sind, wo die Menschen einander gemordet haben.«
»Das ist dort anders als hier«, sagte Witiko. »Lasse es dir hier wohl sein in der ersten Nacht, und möge es dir sehr lange, und wenn du willst, für immer hier wohl sein.«
»Fast so wohl wie in dem kleinen Häuschen in Landshut, weil wir alle beisammen sind«, sagte die Base.
Dann ließ sie sich in ihr Gemach geleiten.
»Witiko, mein Kind«, sagte Benno, »das ist ein wichtiger Tag gewesen; es beginnt nun eine neue Wirksamkeit. Du hast den Tag ohne Prunk begehen wollen, und die Menschen haben den Prunk ihres Herzens gebracht. Das ist gut. Es wird noch ein zweiter schöner Tag zur Freude deines Gemütes kommen. Beschließe den heutigen Tag mit einem Gebete, und beginne den Schlummer mit der Hoffnung auf jenen zweiten Tag.«
»Gott hat mir so viel Gutes für meine Mutter und für meine Freunde gegeben«, sagte Witiko, »daß ich es nur durch einen dankbaren Wandel gegen Gott werde abtragen können.«
»Du wirst es«, sagte Benno, »gehabe dich wohl.«
»Gehabe dich wohl«, sagte Witiko.
Die Männer reichten sich die Hände.
Dann ging Benno mit Jakob, der ihm eine Lampe trug, in sein Gemach.
Witiko befahl nun, daß die Knechte die Lichter in der Burg auslöschen.
Da dieses geschehen, und ihm die Nachricht davon gebracht worden war, sagte er: »Dienstmannen, Kuto und Beda, weil es der Gebrauch so will, so geleitet mich in meine Stube. Es ist nur dieses Mal, ich werde es dann nie fordern.«
»Wir tun unsers Dienstes jedes Mal«, sagte Beda.
»Wie es die Gepflogenheit fordert«, sprach Kuto.
Die zwei Männer geleiteten Witiko in sein Gemach. Raimund trug eine silberne Lampe. Vier Männer des Gefolges gingen hinter ihnen.
In dem Gemache wurden die Abschiedssprüche gesprochen. Die Männer entfernten sich, und Witiko und Raimund blieben allein. Witiko ließ sich durch die Hilfe Raimunds zum Teile entkleiden, dann sendete er ihn in seine Kammer, die vor dem Schlafgemache war.
Als Witiko nun allein in dem Zimmer weilte, kniete er vor dem Bilde des Heilandes nieder, und verrichtete ein Gebet.
Dann entkleidete er sich vollends, und legte sich zum ersten Male auf das Schlummerbette seiner Burg.
Als der Morgen des anderen Tages angebrochen war, sah Witiko, daß auf dem Anger vor der Burg Menschen über die Nacht geblieben waren. Teils hatten sie Feuer angezündet, um sich zu erwärmen, teils hatten sie, in ihre Gewänder gehüllt, den Frühlingsrasen als Schlummerstätte benützt. In manchen Teilen der näheren und entfernteren Wälder sah er noch Rauch von den Feuern aufsteigen, welche in der Nacht gebrannt hatten. Er befahl Raimund, daß er Huldrik, wenn er noch schlafe, wecke, und ihm sage, er möge Sorge tragen, daß die Leute vor der Burg etwas zu essen und zu trinken bekämen.
Raimund ging fort, und kam wieder, und sagte, Huldrik sei schon unter den Leuten, und habe für sie gesorgt.
Als die Sonne aus dem Walde emporgestiegen war, ging Witiko in die Burgstube, und die Seinigen und Leute des Gefolges kamen auch dahin.
Dann wohnten alle, welche in der Nacht in der Burg gewesen waren, dem Morgengottesdienste bei, welchen Benno zum ersten Male feierte.
Hierauf wurde das Frühmahl gemeinschaftlich in dem Saale verzehrt.
Witiko ordnete nun an, daß jene Dienstmannen und Leute des Gefolges, welche nicht in die Burg gehörten, sondern irgend wo anders ihre Wohnung und ihre Beschäftigung hatten, acht Tage als Gäste in der Burg bleiben sollten. Dann ließ er alle vor sich kommen, denen er einen zeitlichen Dienst in der Burg aufgetragen hatte, und erklärte ihnen den Dienst, und sagte, diese Dinge werden alle später mit Giltigkeit geordnet werden.
Und ehe die Sonne noch hoch gestiegen war, kamen Menschen, und brachten nach dem Brauche, wenn einer in ein neues Haus zieht, Gaben.
Die Gaben sollten zum Bedarfe und zur Zierde des Hauses sein, oder in Werkzeugen zu allerlei Dingen, zur Fischerei, zum Vogelfange, zur Jagd, und selbst zum Kriege bestehen. Der alte Florian brachte ein Salzfaß, welches er aus einem Stücke weißen Ahorns geschnitten hatte, Wenhart aus der Friedau brachte zwei zierliche Fässer für Wein, der Richter aus der Stift brachte Holzteller, von dem kleinsten bis zu dem größten, wie sie in dem Walde gemacht wurden, und seine Gattin brachte eine Sammlung Holzdeckel, um sie auf Milchtöpfe oder andere Gefäße zu legen, Johannes aus dem Wangetschlage brachte Eimer und Zuber, der Richter von Friedberg brachte einen Betschemel, aus dicken Stämmen des Wacholders geschnitzt, und ein himmelblaues Tuch, auf welches die Jungfrauen von Friedberg rote Waldrosen gestickt hatten, Liebhart aus der Steinleithe brachte alle Gattungen Kien aus allen Harzhölzern des Waldes, die Männer aus dem Kirchenschlage brachten sechs kunstreich aus Eschen geschnittene Speere, Gregor vom Rathschlage brachte vier Fischnetze, Thomas von der Waldmoldau brachte zwölf Besen, deren Stiele die zwölf feinsten Hölzer des Waldes waren, deren Bund er mit schimmernden Farbreisern geflochten hatte, und deren Zweige alle Farben zeigten, welche die Ruten im Walde haben, die alte Susanna aus der unteren Moldau brachte zwanzig Eier, und sagte, sie habe nicht mehr.
Die, welche weiter entfernt wohnten, kamen später.
Gegen Abend kamen die von dem oberen Plane, und brachten ein kreisrundes Gitter, das fein aus Eisen geschmiedet war, und einen Boden aus Buchenholz hatte, daß man Töpfe mit Blumen hinein stellen konnte. Und dann brachten sie noch vier junge ganz weiße Milchkühe. Tom Johannes brachte sechs Bogensehnen, die er selber aus Darmsaiten von Geigen gedreht hatte, Stephan, der Wagenbauer, brachte die sechs Bogen aus rotem Eibenholze dazu, und Peter Laurenz, der Schmied, sechs Bündel Pfeile, deren Spitzen er selber geschmiedet hatte. Sebastian brachte Marderverbrämungen und Marderfelle und anderes Pelzwerk des Waldes. Christ Severin brachte ein Stück feinen Tuches.
Den ganzen Tag kamen Leute, und in mehreren folgenden Tagen auch. Sie brachten noch Linnen und Wollstoffe und Felle und Leder und Nahrungsmittel und Tiere. Witiko sprach mit allen, und dankte ihnen. Wentila sprach auch mit den Leuten, und besonders mit den Frauen. Die Männer Witikos waren beschäftiget, die Gaben an ihre Orte zu bringen, besonders die lebenden Tiere.
In der folgenden Zeit kamen die Gaben von Lubomir, von Diet, von Rowno, von Osel und anderen Nachbarn des Waldes, sie bestanden in Schmuck, in Waffen, in Gewändern, in Tieren.
Darauf begann Witiko seine Gegengaben zu versenden.
Dann ritt er zu den Nachbarn, um sie zu besuchen, und nahm sie in seiner Burg auf, wenn sie zu dem Gegenbesuche kamen, und bewirtete sie.
Da dieses geschehen war, ordnete er den Dienst der Burg. Huldrik wurde der Schaffner, um für Fremde und alles, dessen sie bedurften, zu sorgen. Martin hatte die Aufsicht über die Nutztiere. Und so wurde über die Gemächer, über die Gewänder, über die Waffen, über die Küche, über den Keller, und über alles andere jemand gesetzt.
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