Vergleichbar ist das mit der Situation beim Hausbau. Wenn ein Haus gebaut wird, ist der Architekt oder der Generalunternehmer immer eingebunden. Beim Hausbau ist das gar keine Frage. Beim Thema Marke sehen das noch nicht alle so, obwohl etliche Begriffe an den Bau erinnern, zum Beispiel »Markendach« oder »Markenkonstruktion«. Hier muss also bei den Unternehmen noch Überzeugungsarbeit geleistet werden. Die Agenturen müssen sich klar ausdrücken, wenn es um Markenarbeit geht. So manch einer verkauft lieber die »Fenster« (etwa eine Broschüre oder Facebook-Seite), statt zu sagen: »Ich muss erst mal wissen, auf welchem Fundament ich bauen will.« Das ist der Weg in die Zukunft.
Die Investition in Marke ist also genauso entscheidend wie gutes Werkzeug. Es geht um mehr als um ein Werkzeug. Es geht um die Basis eines Unternehmens. Marke definiert das Vorgehen im geschäftlichen Alltag wie im Umgang mit Mitarbeitern, sie spiegelt sich im Markenauftritt wider und ist die Motivation für ein Unternehmen, sich für eine bestimmte Agentur zu entscheiden.
Es gibt inzwischen Anzeichen für ein Umdenken in diese Richtung. Immer mehr Auftraggeber akzeptieren die neuen, geänderten Rollen, wenn man sie ihnen erklärt. Mehr noch, sie agieren nicht mehr als Kunde, der möglichst viele Leistungen zu einem niedrigen Preis einkauft und das Ergebnis bewertet. Sie arbeiten aktiv als Partner an Lösungen mit (vgl. Kapitel: Prinzip »Geiler Content«). Einige Beispiele solcher Auftraggeber werden Sie in diesem Buch kennenlernen. Sie werden erfahren, was diese Auftraggeber motiviert und was ihre Denk- und Umsetzungsweisen sind.
Schrittweise werde ich Sie nun an das Thema Marke unter dem Gesichtspunkt des »Bewussten« und der »Erlebbarkeit« heranführen. Sie werden erfahren, wie man bewusst zur Marke wird, wie man sich vom Markt differenziert, sich also abgrenzt, warum es sinnvoll ist, als Marke Regeln zu brechen, und Sie werden meine Prinzipien kennenlernen, auf welche Weise man anders sein kann und mit welchen Konsequenzen.
Mit diesem Einstieg in das Buch wünsche ich mir, dass bei Ihnen Fragen entstanden sind. Fragen, die nachdenklich und neugierig machen. Um Marke zu werden oder eine Marke zu schaffen, müssen Sie Folgendes tun:
→ Umdenken
→ Eingeführte Muster bewusst hinterfragen
→ Ein Bewusstsein dafür entwickeln, was der Ausgang für Erkenntnis ist
→ Lust an der Neugierde gewinnen
→ Einfach etwas probieren … machen!
Entwickeln Sie ein Bewusstsein für das, was Sie sind und machen.
Ich mache Sachen. Manche Sachen klappen sofort, manche erst später – manche auch nicht. Aber solange mein Machen etwas mit mir macht und ich mit meinem Machen etwas bewirke, macht es auch nichts, wenn etwas mal nicht funktioniert. Ich habe durch das Machen gewonnen: Erkenntnis. Aber: Ohne ein Ziel und ohne Vision ist alles für die Katz!
1 »Wir stopfen den Menschen so lange Werbung in den Hals, bis sie uns hassen.« 1 1 Frédéric Winckler, vgl. http://www.wuv.de/digital/wir_stopfen_den_menschen_so_lange_werbung_in_den_hals_bis_sie_uns_hassen – Wollen Sie das? Nein, Sie mögen es weder als Verbraucher noch möchten Sie als Unternehmer so Ihr Geld verschwendet sehen. Und doch passiert es Tag für Tag! Wir werden mit Werbung überflutet, die wir gar nicht mehr wahrnehmen wollen. Wir haben schon vielfach einen Schutzmechanismus aufgebaut: Kommt uns Werbung ungelegen oder ist sie in dem Moment nicht relevant, landet diese gleich unbeachtet in der Tonne. Dabei könnte sogar ein Angebot darunter sein, das uns eigentlich interessiert. Doch es kommt entweder zeitlich ungünstig oder ist so schlecht »verpackt« oder »aufgemacht«, dass die Botschaft unserem Schutzmechanismus zum Opfer fällt. Geld und Arbeit werden mit einem Handgriff entsorgt. Es geht aber auch anders. Das ist ein weiterer Grund, warum ich dieses Buch schreibe. Aber welchen Nutzen habe ich davon, Markenwerbung zu machen, wenn’s eh »kein Schwein sieht« oder interessiert? Warum betreibe ich Markenführung? Um einen hohen Bekanntheitsgrad zu bekommen? Wenn dem so wäre, warum sollte ein Unternehmen werben, das bereits eine hohe Bekanntheit hat? Ich erwähnte schon Opel als Beispiel. Bekannt ist Opel, aber die Erlebbarkeit fehlt. Vor allem durch das interne Hin und Her fehlt der Marke Opel die Erlebbarkeit. Wie soll ich für jemanden erlebbar sein, wenn ich selbst nicht weiß, wer ich bin, wenn ich mir meines Wesens nicht bewusst bin? Was ist an einer Bekanntheit erlebbar? Es gibt viele, die wissen, wer der Bundespräsident ist. Der hat also eine hohe Bekanntheit. Ist er erlebbar? Die Mädchen in Thailand, die meinen Bekannten und mich nach Feuer für eine Zigarette fragten, das war ein pures Erlebnis. Ich muss erst ein Bewusstsein haben, bevor ich für andere erlebbar werde. Warum Marke? Ja, weil es schick aussieht. Weil ich Geld verdienen will, ich will auffallen, ich will mehr vom Kuchen haben als alle anderen, ich will Marktanteile haben. Deswegen bin ich Marke und habe eine Vision; aber ohne Bewusstsein für die eigene Sache, für die eigene Motivation kann ich meine Vision für andere kaum erlebbar umsetzen.
Frédéric Winckler, vgl. http://www.wuv.de/digital/wir_stopfen_den_menschen_so_lange_werbung_in_den_hals_bis_sie_uns_hassen
»Wenn alle das Gleiche machen, fällt es nicht auf.«
VOM BEWUSSTSEIN ZUM MACHEN
Verschicken Sie doch mal eine Karte zu Ostern. Fast alle verschicken zu Weihnachten Karten, sodass wir alle jedes Weihnachtsfest einen ganzen Stapel Karten mit guten Wünschen zum Fest und zum Jahreswechsel bekommen. Wissen Sie am nächsten Tag noch, von wem Sie eine Karte bekommen haben? Einige werden da schon nachdenken müssen. Und wie sah die Karte aus? Jetzt kommen noch mehr ins Grübeln. Dieses einfache Beispiel zeigt: Wenn alle das Gleiche machen, fällt es kaum auf.
Kauf mich!
Haben Sie schon einmal eine Karte zu Ostern bekommen? Nein? Warum nicht? Es macht eben keiner. Eine einleuchtende Begründung habe ich noch nicht gefunden. Es scheint gesellschaftliche Konvention zu sein, zu Ostern keine Geschäftsgrüße zu verschicken. Steht irgendwo, dass dies verboten ist? Nein! Man macht es nur nicht. Wenn ich Ihnen zu Ostern eine Karte schicke, falle ich in der üblichen Post auf. Auf Nachfrage würden Sie sich vermutlich daran erinnern: Ja, da war etwas Ungewöhnliches. Warum fällt das auf? Es ist anders; ein Bruch einer Kommunikationsregel. Ich habe etwas gewagt, was andere nicht machen. Ich habe mich differenziert – abgesetzt von der Masse.
Dabei braucht es für diese Aktion wenig. Alles, was Sie benötigen, sind eine Karte, ein geiler Spruch und eine Briefmarke. Anschließend versenden Sie diese Karte zu einem Datum oder zu einem Ereignis, zu dem das nicht erwartet wird. Der Empfänger wird überrascht sein (vgl. Kapitel: Prinzip »Unberechenbar«). Machen kann das jeder. Es ist keine Frage des Budgets. Man muss nur die Idee dazu haben und sie dann umsetzen – einfach machen!
Warum macht man solche Aktionen? Es geht um Aufmerksamkeit. Werbung hat wie auch Kommunikation im Allgemeinen eine beabsichtigte und beeinflussende Wirkung auf uns Menschen. Das heißt, wir wollen mit Kommunikation ein ganz bestimmtes Ziel erreichen. Dafür müssen bestimmte Reize eingesetzt werden, um eine Handlung auszulösen. Die Macht der Werbung liegt darin, zum richtigen Zeitpunkt unser Unterbewusstsein anzusprechen. Das ist kein Selbstzweck. Der Zweck ist es, eine Kaufentscheidung herbeizuführen. Dabei sind im Prinzip fast alle Vorgehensweisen erlaubt.
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