Wir müssen uns Pausen und Erholung nicht »verdienen«. Ebenso wenig, wie wir uns schöne Erlebnisse oder teure Sachen »verdienen« müssen. Wir müssen uns nicht die Massage im Spa »verdienen« oder den Gammel-Nachmittag auf der Couch. Wir müssen uns auch nicht die Liebe und Zuneigung anderer Menschen »verdienen«. Wir müssen nicht hart arbeiten, um die Schönheiten der Welt in Anspruch zu nehmen. Wir dürfen das Leben mit Leichtigkeit leben. Punkt.
Gehst Du zu jedem Networking-Event, zu jeder Party, zu jedem Meeting? Checkst Du minütlich Dein Smartphone, um keine Message zu verpassen? Bekommst Du fast schon körperliche Schmerzen, wenn Du mal an einem Sonntagabend nichts vorhast?
Dann leidest Du an FOMO, der Angst etwas zu verpassen (»Fear of Missing out«). FOMO ist ein Phänomen, das unsere Vorfahren schon kannten. FOMO-Menschen tanzten schon immer gerne auf vielen Hochzeiten, galten als umtriebig, rastlos. Einfach nur, um ja nichts zu versäumen. Dir gefällt das emsige Treiben? Weiter so! Nutz FOMO als Motor, der Dich in Action hält.
Du merkst, dass Du langsam ermüdest? Dass Du zwar »dabei« bist, aber doch nicht mittendrin? Halt Dir vor Augen, dass jedes Mal, wenn Du einer Aktivität zustimmst, obwohl Du lieber auf der Couch liegen würdest, Dich Dein FOMO-Knopf dazu getrieben hat. Nicht Du hast zugesagt, sondern Dein FOMO-Knopf.
Mach heute aus FOMO JOMO: »Joy of Missing out« – die Freude am Verpassen. Geh an einigen Stunden pro Woche ins andere Extrem und genieß so richtig, dass Du nicht nur »nein« zu einer Möglichkeit sagst, sondern Dich regelrecht befreist von Ablenkungen und Erwartungen. Mit JOMO gewinnst Du Freiheit und Raum zum Denken, zum Sein. Stöpsel Dich aus. Igel Dich ein. Und zelebrier, dass die anderen gerade so richtig was verpassen. Nämlich Muße, Chillen und Runterkommen.
JOMO ermöglicht es Dir, eine freie Entscheidung zu treffen, wann Du aktiv sein willst und wann Du verzichtest. JOMO verschafft Dir Gelassenheit und Produktivität. Wo willst Du heute von FOMO auf JOMO umschalten?
Es war einmal ein König. Der liebte sein Volk. Und sein Volk liebte ihn. Eines Tages schenkte ein vorbeiziehender Apfelpflücker ihm einen Wunderkasten, mit dem er überall und jederzeit mit anderen Menschen in Kontakt sein konnte .
Welche Freude! Während die Ministerrunde tagte, konnte der König seinem Freund Prinz Immeron kleine Texte schicken .
Während er mit seiner frischvermählten Frau speiste, konnte er mit den Ministern sprechen. Und während er mit Prinz Immeron telefonierte, konnte er seiner Frau via »Was-los« Gute Nacht sagen. Die Jahre zogen ins Land und der König war glücklich .
Doch eines Morgens stand er einer wütenden Ministerrunde gegenüber. »Unsere Kornkammern bleiben auch heuer wieder leer – weil du die Samenlieferungen aus unseren Kolonien nicht rechtzeitig freigegeben hast. Wir werden hungern!« Erschrocken lief der König zu seiner Frau. Doch das Gemach war verlassen. Hastig scrollte der König durch seine Textnachrichten und fand eine Botschaft seiner Liebsten. »Seit Jahren wünsche ich mir einen Thronfolger mit Dir – doch Dein Wunderkasten hat Dich immer davon abgehalten, zu mir zu kommen. Ich gehe.«
Da warf der König den Wunderkasten in den tiefsten Brunnen auf dem Schlossberg, suchte seine Liebste, fand sie – und ließ sich nie wieder stören . 15
Welche Ernte kannst Du nicht einbringen, weil Du vor lauter Ablenkung nicht zum Säen gekommen bist? Welche Menschen haben sich von Dir abgewendet, weil Du nie für sie da warst, obwohl Du körperlich anwesend warst?
Wir denken häufig, dass wir produktiv und erfolgreich sind, wenn wir jederzeit auf das anspringen, was gerade kommt. Doch wir lügen uns in die eigene Tasche. Denn vor lauter Adhoc-Aktionen verlieren wir aus den Augen, was uns wirklich wichtig ist. Was uns wirklich voranbringt. Was uns wirklich am Herzen liegt.
Wie oft wirst Du aus der Konzentration gerissen? Im Schnitt haben wir gerade mal drei Minuten, bevor Telefon, E-Mail oder Kollegen »in persona« uns aus der Arbeit holen. Und wenn wir nicht von außen gestört werden, stören wir uns eben selbst: 63-mal pro Tag schauen einige von uns auf Handy. Alle 18 Minuten werfen wir einen Blick in die Postings der Sozialen Medien. Dummerweise benötigen wir rund 64 Sekunden, um nach dem Lesen einer Mail wieder zurück zur Arbeit zu finden. Rund vier bis acht Minuten brauchen wir, um nach einer (themenfremden) Störung den roten Faden wieder zu haben. Produktivität? Fehlanzeige! 16
Wir haben mit Internet, Smartphone & Co. ganz wunderbare Hilfsmittel für einen engen Austausch rund um den Globus erhalten. Nur leider haben wir nie gelernt, damit umzugehen. Ich plädiere dafür, dass Fächer wie »Deep Work: störungsfreies Arbeiten« oder »Digital Detox« in den Stundenplan der Schulen aufgenommen werden. Viele Unternehmen haben bereits erkannt, wie krank und unproduktiv uns die ständige Erreichbarkeit macht, und steuern dagegen. Sie richten E-Mail-freie Freitage ein, schaffen Ruhezonen in den Büros, fördern teamweite »Zeitinseln für konzentriertes Arbeiten« oder stellen radikal nachts oder an den Wochenenden den Firmen-E-Mail-Server ab. 17
Wie erreichbar »musst« Du sein? Häufig glauben wir, dass unsere Arbeitgeber, Kollegen oder Bekannten erwarten, dass wir permanent erreichbar sind. Wir wissen es aber nicht. 38 Prozent der Teilnehmer einer Studie der Uni Freiburg wussten beispielsweise nicht, ob ihr Chef außerhalb der Arbeitszeiten eine Reaktion auf arbeitsbezogene Anrufe, Mails oder Kurznachrichten erwartet. 18
Resultat: Sie waren immer »on«, um nichts zu verpassen. Der Ausweg: Besprecht im Team ganz klar, wer wann für was erreichbar sein muss. Und dann mach Deine Schotten dicht und entspann Dich.
Du glaubst, berufliche Rückfragen in Deiner Freizeit stressen Dich nicht? Die Freiburger Studie zeigte, dass selbst kurze Fragen an einem Sonntagnachmittag die Zufriedenheit mit dem Wochenende spürbar senken. Bei mir kommt noch erschwerend hinzu, dass ich nach negativen Mails oder Messages mit einem To-do für mich gedanklich nicht mehr abschalten kann. Die Erholung ist gelaufen!
Seit Jahren bin ich deshalb nur erreichbar, wenn ich wirklich erreichbar sein will. Der Anfang war leicht. 1995 kaufte ich mein erstes Handy, das ich jedoch häufig daheim vergaß oder dessen Akku ständig leer war. So lernten meine Familie und meine Freunde: »Cordula kannst du eh nie erreichen!« Wie praktisch! Diese Nicht-100%ige-Erreichbarkeit habe ich beibehalten.
Mach Dich nicht zum Sklaven Deiner technischen Geräte. Sag Deinem Umfeld, dass Du ab sofort »Digital Detox« betreibst und Phasen der Nicht-Erreichbarkeit zelebrierst. Sei erreichbar, wenn Du erreichbar sein willst. Und sag in anderen Momenten: LMAA!
»Life was much easier when apple
and blackberry were just fruits.«
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NORWEGISCHER MUSIKER 19
11. Die Löffelliste abarbeiten? LMAA!
Kennst Du die Idee der Löffelliste? Den Sinn einer »Bucket List«? Vielleicht hast Du den Film »Das Beste kommt zum Schluss« gesehen, in dem die beiden krebskranken Männer Edward und Carter aufschreiben, was sie noch erleben wollen, bevor sie den Löffel abgeben. Viele Amerikaner erstellen seit Langem eine Bucket List mit Dingen, die sie unbedingt machen wollen, bevor sie abtreten. »Kick the bucket« heißt wörtlich »den Eimer treten« und frei übersetzt »den Löffel abgeben«.
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