1 ...7 8 9 11 12 13 ...16 Oh, also hatte Delilah doch geredet. Plötzlich war ich gar nicht mehr so erpicht auf das Eis und wollte nur noch verschwinden. Ich war schon fast die Stufen runtergesprungen, da stellte er sich mir in den Weg und lehnte sich an die Hauswand.
»He, wo willst du denn hin? Ich schulde dir doch ein Eis.« Er grinste immer noch.
Ich zögerte, entweder wollte er sich über mich lustig machen oder er meinte es ernst. Wenn ich in etwas noch schlechter war, als in Mädchenfreundschaften, dann darin Männer zu durchschauen. Ich hielt sie lieber auf Abstand, doch vielleicht sollte ich bei Grayson eine Ausnahme machen. Womöglich war es an der Zeit, meine Aversionen seiner Spezies gegenüber zu überwinden. Aber vielleicht auch nicht. Nach dem was Jenna und Megan mir über ihn erzählt hatten, schien er nicht das richtige Exemplar für meinen Versuch zu sein. Ich merkte, dass ich schon wieder alles ins Unendliche durchdachte und er immer noch auf eine Antwort wartete. Bevor ich mir jedoch eine passende Antwort überlegen konnte, wurde hinter uns die Tür geöffnet und Delilahs Stimme nahm mir die Entscheidung ab.
»Grayson Darling, wo bleibst du denn, wir warten schon auf dich!«
»Sorry, komme gleich«, sagte Grayson, ohne dabei den Blick von mir abzuwenden. »Wie sieht‘s aus? Willst du mit reinkommen? Ich lade dich ein, Iris.«
Er zwinkerte mir zu. Wow, er hatte meine Anspielung wohl wirklich verstanden. Ich überlegte gerade noch, ob ein Eis mit ihm so schlimm sein würde, da funkte Delilah dazwischen.
»Ich glaube nicht, dass Clara für uns Zeit hat. Sie wollte gerade nach Hause gehen. Nicht wahr, Schwesterchen?«
Oh, wie gern hätte ich ihr jetzt den Rest von meinem Eis ins Gesicht geschmiert. Stattdessen schenkte ich ihr einfach keine Aufmerksamkeit und lächelte Grayson an.
»Ein andermal vielleicht, aber ich muss jetzt wirklich gehen. Bye.« Auf einen Nachmittag mit Delilah verzichtete ich lieber. Die letzten Tage waren einfach zu entspannt und ruhig gewesen, als dass ich jetzt einen Streit mit ihr provozieren wollte. Ich schob mich an Grayson vorbei, wobei ich darauf achtete, ihn nicht wieder zu berühren und sah wie Delilah sich bei ihm unterhakte.
»Komm jetzt, mit der müssen wir uns nicht abgeben.«
Sie hatte es leise gesagt und in Grayson Richtung, aber ich hatte es trotzdem gehört. Und da tat ich es. Ich dachte nicht weiter nach, sondern reagierte einfach nur, wie auf Autopilot. Später fragte ich mich, was mich in diesem Augenblick geritten hatte, aber in dem Moment war mir alles egal. Mit großen Schritten ging ich zurück, auf Delilah zu, und ohne ein Wort zu sagen hob ich die linke Hand, mit der ich immer noch die halb leere Waffel umklammerte. Sie schaute mich mit großen Augen an, als ich die Waffel seitlich an ihrem Kopf zerdrückte. Sie konnte wohl selbst nicht glauben, dass ich ihr die pinke Masse im Haar verteilte, sonst hätte sie sich bestimmt gewehrt. So aber blieb sie stocksteif stehen. Die Zeit schien zu gefrieren und es war als würde die Welt selbst den Atem anhalten. Bis Delilah anfing zu schreien. Die Erde bewegte sich wieder, spulte vor und mir stellten sich die Härchen am Arm auf. Delilah hatte Grayson losgelassen und tobte. Wütend schrie sie mich an und gestikulierte heftig in meine Richtung. Ich nahm sie nur unscharf wahr und blinzelte ein paar Mal.
Oh mein Gott, hatte ich das gerade wirklich getan? Entsetzen machte sich in mir breit und ich war kurz davor mich zu entschuldigen, doch da sah ich Grayson aus dem Augenwinkel grinsen. In mir stieg ein hysterisches Kichern empor und drohte als Lachanfall aus mir herauszublubbern.
Rasch wand ich mich ab und verbarg mein Gesicht hinter meinen Haaren. Ich schluckte das Lachen runter, mit einem letzten Blick auf Grayson, der neben seiner tobenden Freundin stand, drehte ich mich um und ging. Sollte er sich doch um sie kümmern. Ich hatte genug, genug von ihr, von ihrer zickigen Art und genug von diesem Nachmittag.
Das Lachen war mir wieder vergangen, es ärgerte mich, dass ich mich von ihr hatte so provozieren lassen. So kannte ich mich gar nicht. Nicht, dass sie es nicht verdient hatte, aber es würde unangenehme Konsequenzen haben, dessen war ich mir sicher. Den Ärger war es eigentlich nicht wert, sie war es nicht wert.
Seufzend trat ich gegen eine leere Dose auf dem Bürgersteig und überlegte, wie ich aus diesem Schlamassel rauskommen sollte. Sie würde es bestimmt unseren Eltern erzählen und es würde an ein Wunder grenzen, wenn sie mich nicht zurück in die Psychiatrie schickten. Ich hatte es verbockt, hatte mich nicht zusammenreißen können. Niemand anderem als mir konnte ich die Schuld geben.
Delilah war eine egoistische Tussi, aber die Beherrschung hatte ich ganz alleine verloren. Was war nur los mit mir?
Der Abend konnte nur ein Albtraum werden! Den ganzen Weg nach Hause, den ich mittlerweile gut kannte, machte ich mir abwechselnd Vorwürfe, war enttäuscht und stocksauer auf Delilah und Grayson. Und auf mich!
Bis zum Abendessen saß ich in meinem Zimmer und versuchte zu lesen, Schularbeiten zu erledigen oder die Kleider in meinem Schrank nach Farben zu sortieren, aber der Gedanke alles zu verlieren, schlich sich wie ein ungebetener Gast in meinen Kopf.
Unruhig lauschte ich den Geräuschen und Stimmen im Haus. Dan kam als erstes nach Hause und machte sich in der Küche zu schaffen, er kochte und kümmerte sich auch ansonsten um den Haushalt. Mom war die typische Businessfrau, immer top gestylt und ständig unterwegs.
Die Minuten schienen dahin zu kriechen und ich wurde immer nervöser. Ich behielt die Uhr auf meinem Nachttisch im Blick, so ein altmodischer Wecker der fürchterlichen Lärm am Morgen machte. Vintage, so nannte man das, nicht alt. Aber was wusste ich schon. Kurz vor Sieben kam Delilah endlich nach Hause. Sie musste gar nichts sagen, allein die Art wie sie ihre Tür zudonnerte, verriet sie. Stocksteif saß ich auf meinem Bett und belauschte das Gespräch unten in der Küche. Ich löste die verkrampften Finger von der weichen Tagesdecke und stand leise auf, schlich zu meiner Zimmertür und öffnete sie einen spaltbreit, um die Worte besser zu verstehen. Einige Minuten verharrte ich und hörte einfach nur zu. Das Gespräch drehte sich natürlich um Delilah und um irgendeinen Ausflug, den sie für das Wochenende geplant hatte. Bisher hatte sie mich nicht verpetzt. Noch nicht!
»Sehr schön, Darling. Aber würde es dir viel ausmachen, deine Schwester mitzunehmen? Sie sitzt hier doch sonst so einsam rum.«
Verflucht! Das war Dan gewesen, ganz väterliche Fürsorge. Danke auch.
Jetzt war es nur eine Frage von Sekunden, bis Delilah die Bombe platzen ließ.
»Die ist nie und nimmer meine Schwester!«, fauchte Delilah böse und ich hörte, wie etwas in der Küche klappernd auf den Boden fiel.
Delilah schien sich zu fangen, denn dann sagte sie zuckersüß:
»Es geht hier ja gar nicht um mich. Wenn ich das zu entscheiden hätte, würde ich sie natürlich mitnehmen, aber meine Freunde… Ach, die mögen sie nicht so gerne. Ich kann da gar nichts für. Wirklich.«
Wer‘s glaubt. Doch Mom und Dan schienen auf ihr feines Töchterchen reinzufallen.
»Ach Liebling, versuch es doch mal. Bestimmt haben deine Freundinnen nichts dagegen«, sagte Mom sanft.
Damit war das Thema für sie wohl beendet, denn sie verließ die Küche und verschwand im Bad.
Doch Delilah hatte dazu sehr wohl noch etwas zu sagen. Natürlich.
»Ach Daddylein, was soll ich denn machen? Sie ist einfach komisch, Demi und Bea würden niemals zulassen, dass sie mitkommt. Kannst du nicht mit Mom reden. Bitte?«
Ich sah ihre Schmollschnute bildlich vor mir und schnaubte - was für eine hinterhältige Person.
Beinahe wünschte ich mir, eine andere Familie gefunden zu haben, ohne eine Delilah, aber um Brenda und auch um Dan würde es mir leidtun.
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