Kleine Unternehmen sind anfälliger für das Scheitern als größere.
Für eine Volkswirtschaft ist das gut, für den einzelnen Unternehmer eher nicht.
Wenn Eigentümer kleinerer Unternehmen geschäftlich erfolgreich sind, zahlen sie oft einen hohen persönlichen Preis dafür.
Es kann jeden erwischen. Erfolg heute schützt nicht vor Schwierigkeiten morgen.
Überraschungen sind willkommen. Wenn Sie unerwartete Ereignisse erfolgreich bewältigen, dann macht Sie das stärker, besser und robuster.
2 Komplexität – verloren in der Vielfalt der Vielfalt
Es ist kompliziert – die Vielfalt als Herausforderung
Ein Unternehmer unternimmt etwas. Das macht ihn aus. Das ist schließlich das Wesen des Unternehmers. Und er tut das, was er macht, immer und vollständig auf eigenes Risiko. »He has skin in the game«, würde der Amerikaner das sehr treffend ausdrücken. Dabei sollten wir nicht vergessen: Gerade in kleinen Unternehmen kann die gesamte Anzahl der Aufgaben, die ein Unternehmer tagein, tagaus zu erledigen hat, überwältigend groß sein. Sehen Sie sich dazu doch einmal die folgende Liste mit den vielfältigen »To‐dos« an, die für alle Unternehmer regelmäßig abzuarbeiten sind.
Kontakt zum Steuerberater halten, Steuerfragen klären, Jahresabschluss organisieren und besprechen, dafür sorgen, dass die benötigten Unterlagen regelmäßig und pünktlich zur Verfügung stehen.
Werkzeuge und sonstige Materialien besorgen und instand halten.
Genehmigungen organisieren und verwalten.
Stakeholder betreuen (Bürgermeister, Gemeinde, Banken, Nachbarn, Schulen).
Verkaufen, neue Kunden akquirieren, bestehende Kunden bei Laune halten.
Geld eintreiben und auf die Liquidität achten.
Büroarbeiten diverser Natur erledigen: sich um administrative Tätigkeiten kümmern, die Arbeit der Mitarbeiter kontrollieren.
Mitarbeiter einschulen.
Betriebsmittel besorgen und verwalten.
Kunden besuchen.
Kundenprobleme lösen und vorher über die Lösungen nachdenken.
Neue Produkte und Lösungsansätze entwickeln.
Lieferanten finden, pflegen und betreuen.
Mitarbeiter suchen, finden, einstellen, verwalten.
Kalkulieren, Angebote erstellen und versenden, neue Verträge verhandeln.
Werbemaßnahmen ergreifen, um das Unternehmen bekannt zu machen.
Social‐Media‐Aktivitäten nachgehen.
Homepage pflegen.
Bankengespräche führen, um die Finanzierung kümmern, Kreditlinien überwachen.
Fahrzeuge kaufen, verwalten und servicieren.
Krankenkassenangelegenheiten erledigen, Mitarbeiter anmelden und abmelden, eventuelle Stundungen beantragen.
Nachdenken und kreativ überlegen, was könnte morgen für die Firma wichtig sein?
Buchhaltung erledigen, Unterlagen zusammenstellen, Belege sammeln, Rechnungen korrekt ausstellen, den Jahresabschluss begleiten.
Mit den Kammern Kontakt halten und deren Veranstaltungen besuchen.
Hobbys pflegen, und zwar die eigenen! (Speziell dieses »To‐do« sollte niemals an letzter Stelle stehen!)
Ein offenes Ohr für die Mitarbeiter haben, disziplinäre Probleme lösen.
Reklamationen bearbeiten, Kunden besänftigen, Mitarbeiter bei der Stange halten, Probleme analysieren.
Administrative Tätigkeiten und den gesamten Schriftverkehr erledigen, E‐Mails lesen und verfassen.
Mitarbeiter einteilen, Planungen erstellen.
Steuern rechtzeitig begleichen und als Ansprechpartner im Falle von Finanzamtsprüfungen fungieren.
Investitionen kalkulieren, die Anschaffungen durchführen und die Finanzierung sicherstellen.
Kontakte zur Gewerbebehörde herstellen, Anlagengenehmigungen einholen, die entsprechenden Bescheide und Auflagen verwalten.
Kontakt zum Arbeitsinspektorat halten.
Qualitätskontrolle sicherstellen und überwachen.
Einkaufsabläufe optimieren und Einsparungspotenziale identifizieren und realisieren.
Geschäftslokal gestalten, pflegen, erneuern.
Regelmäßige Besprechungen und Meetings abhalten.
Uff! Da wird mir selbst beim Schreiben ganz anders ob dieser unendlich scheinenden Vielfalt an Aufgaben. Im Laufe der Zeit häuft sich auf diese Weise eine Liste an Tätigkeiten an, die für eine Person kaum zu bewältigen sind, geschweige denn überhaupt noch im Überblick gehalten werden können. Und diese Liste erhebt noch lange keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sie ließe sich noch endlos lange fortführen.
Dazu kommt, dass sich jedes Unternehmen in einer anderen Lebensphase befindet und je nachdem zusätzliche und andere »Tasks« anfallen, wie zum Beispiel:
Das Unternehmen wurde erst kürzlich gegründet und ist rasch gewachsen.
Es handelt sich um ein etabliertes Unternehmen, das schon lange Jahre existiert, nun aber ein wenig stagniert und frische Impulse braucht.
Das Unternehmen existiert schon lange und steht nun vor einem Generationswechsel.
Es gibt natürlich noch viele andere Phasen und Situationen, in denen sich ein Unternehmen befinden kann. Jede dieser Lebensphasen erfordert andere Herangehensweisen und Maßnahmen, damit das Unternehmen robust bleibt oder den Zustand der Robustheit erlangen kann. Schließlich geht es darum, dass das Unternehmen lange überlebt und dabei vielen Widrigkeiten trotzt. Sie sind als Inhaber ja kein Investor. Sie sind gekommen, um zu bleiben. Wenn aber Ihre gesamte Energie durch die Erledigung der täglichen Aufgaben verbraucht wird, dann bleibt nur wenig Kraft, Zeit und Energie übrig, um sich mit jenen Maßnahmen zu beschäftigen, die notwendig sind, damit sich das Unternehmen auf dem Pfad der Robustheit weiterentwickeln kann.
Unternehmen mit über 50 Mitarbeitern haben in der Regel bereits Strukturen geschaffen, in denen die vorhandene Arbeitslast vernünftig delegiert werden kann. Dort gibt es dann zumindest für Teilbereiche Spezialisten, die den Unternehmer oder die Unternehmerin unterstützen können. Kleinere Unternehmen tun sich da schon wesentlich schwerer. Und so kommt es, dass die meisten Unternehmer schon lange nicht mehr das machen, was sie eigentlich am besten können und was sie ja am liebsten tun. Der Grund, warum sie überhaupt Unternehmer geworden sind: nämlich um etwas zu unternehmen, das ihre Firma und damit andere Menschen weiter voranbringt!
Aus dem (Unternehmer)Leben
Melanie soll in weniger als zwei Jahren das erfolgreiche Handelsunternehmen ihrer Eltern übernehmen. In ihrem Lebensplan ist das aber eigentlich so gar nicht vorgesehen.
Melanie hatte mit großer Freude Wirtschaftsinformatik studiert und danach ihren erfolgreichen beruflichen Werdegang in die Selbstständigkeit gestartet. Eines Tages ersuchten ihre Eltern sie, ein EDV‐Problem im Familienbetrieb zu lösen. Da eine Familie selbstverständlich zusammenhält, sich gegenseitig unterstützt und hilft, wenn Not am Mann oder der Frau ist, war es für Melanie eine Selbstverständlichkeit, ihre Expertise einzubringen. Sie war gerne bereit, sich mit dem Problem des ERP‐Systems, mit dem die Geschäftsprozesse im elterlichen Unternehmen gesteuert werden sollten, kurz auseinanderzusetzen. Zumal es so aussah, als müsste sie nur an einigen Schrauben im ERP‐System drehen, um die Problematik in den Griff zu bekommen. Schnell fand sie jedoch heraus, dass sich dieses spezifische Problem nicht innerhalb weniger Tage lösen lassen würde. Denn je tiefer sie in die Materie eindrang, desto klarer erkannte Melanie, dass im Grunde gar nicht das EDV‐System das wahre Problem darstellte.
Melanie hatte während ihres Studiums das familieneigene Unternehmen kaum besucht und war deswegen mit dessen Abläufen nicht allzu sehr vertraut. Im Rahmen ihrer Rettungsaktion für das ERP‐System fiel ihr jedoch eine gewisse hektische Betriebsamkeit im Unternehmen von Anfang an unangenehm auf. Immer wieder liefen Administrationskräfte oder Verkaufsmitarbeiter mit rotem Kopf hektisch durch die Räumlichkeiten. Es dauerte ein wenig, bis Melanie verstand, dass sich diese aufgeregten Menschen auf der Suche nach bedeutsamen Notizen befanden! Auf zahlreichen losen Zetteln waren scheinbar wichtige Informationen vermerkt, die dringend benötigt wurden, um akute Kundenfragen am Telefon oder an der Kasse beantworten zu können! Am Telefon konnten ja zumindest noch Rückrufe vereinbart werden. Standen die Kunden aber bereits im Verkaufsraum und wollten ungeduldig wissen, wann sie denn mit der bestellten Ware rechnen könnten, entwickelte sich ordentlicher Druck auf die Verkaufsmitarbeiter, der eben zu der von Melanie wahrgenommenen Hektik führte. Melanie spürte, dass sie dem Geheimnis dieser »Zettelwirtschaft« auf die Spur kommen musste, und begann zu recherchieren.
Читать дальше