VISIONEN & WIRKLICHKEIT

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"Rainer Eisfeld ist das Paradebeispiel dafür, dass Hobby und Beruf – seien sie noch so unterschiedlich – durchaus unter einen Hut zu bringen sind. Zielstrebig und mutig war sein Vorgehen, der Erfolg lässt sich sehen." (Jörg Weigand)
"Seine Bücher zeugen von seinen weit gespannten Interessen, zeichnen sich durch eine stilistisch glänzende, überzeugende, faktenreiche Darstellung und eine humanistische Grundhaltung aus. Für viele ältere SF-Leser sind seine drei Bücher über Science-Fiction Erinnerungsstücke an die eigene Jugend, an eine Zeit, als wir die Science-Fiction nicht nur erstmals entdeckten, sondern vom viel zitierten ›Sense of Wonder‹ förmlich in den Bann geschlagen wurden. Aber jene Jugendtage kehren nicht wieder, heute nähern wir uns der SF eher desillusioniert, vielleicht sogar etwas blasiert. Rainer Eisfelds Ausführungen zur SF, die bei aller Kritik liebevoll sind, vermitteln neben aller kritischen Analyse auch einen Hauch jener verzauberten Jugendzeit." (Franz Rottensteiner)

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Michael Haitel & Jörg Weigand (Hrsg.)

Visionen & Wirklichkeit

Rainer Eisfeld zum 80. Geburtstag

AndroSF 139

Michael Haitel & Jörg Weigand (Hrsg.)

VISIONEN & WIRKLICHKEIT

Rainer Eisfeld zum 80. Geburtstag

AndroSF 139

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© dieser Ausgabe: 04. April 2021

p. machinery Michael Haitel

Titelfoto: Heinz J. Galle

Fotografien: Robert Christ, Gustav R. Gaisbauer, Beistellungen von Gustav R. Gaisbauer, Dieter von Reeken

Layout & Umschlaggestaltung: global:epropaganda

Lektorat & Korrektorat: Michael Haitel

Herstellung: global:epropaganda

Verlag: p. machinery Michael Haitel

Norderweg 31, 25887 Winnert

www. p machinery.de

für den Science Fiction Club Deutschland e. V., www.sfcd.eu

ISBN der Printausgabe: 978 3 95765 232 4

ISBN dieses E-Books: 978 3 95765 863 0

Jörg Weigand: Zielstrebig und mutig

Rainer Eisfeld – Science-Fiction-Fan und engagierter Politikwissenschaftler

Meine Frau Karla und ich hatten in der zweiten Hälfte des Jahres 2002 die Freude, eine Woche mit Walter Ernsting in Salzburg verbringen zu können. Thema war das Gästebuch, das die Familie Ernsting seit 1956 ihren Gästen für einen Eintrag präsentiert hatte. Dankenswerterweise hat der Erste Deutsche Fantasy Club das einzigartige, z. T. schwer entzifferbare Dokument über die Fan-Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland ein Jahr später in Faksimile und kommentiert herausgebracht.

Wer darin blättert, findet die Unterschrift des gerade einmal fünfzehnjährigen Rainer Eisfeld direkt unter der Signatur von Wolfgang Jeschke. Anlass war der sogenannte Zwischencon des SFCD vom 1. bis 3. April 1956 in der Nähe von Bayrischzell, nach dem ersten Haupttreffen der Fans in Wetzlar. Ein anderer, damals prominenter Gast war Ernst H. Richter, der unter eigenem Namen wie auch unter den beiden Pseudonymen »William Brown« und »Ernest Terridge« bereits etliche Science-Fiction-Romane im Leihbuchformat veröffentlicht hatte.

Einschub: Ich gestehe, dass ich sehr neidisch wurde, als ich diesen Eintrag zum ersten Mal las. Welche Entschlusskraft bei einem so jungen Mann, von Bonn aus (wo Eisfeld damals zu Hause war) bis nach Oberbayern zu fahren, um sich mit (bislang unbekannten) Gleichgesinnten zu treffen. Und (Überraschung!) – diese Eltern. Bei meiner Familie wäre das nicht möglich gewesen. Wie viel Vertrauen müssen Eisfelds Eltern in ihren Sohn gehabt haben!

Umgeblättert, findet sich noch einmal Eisfelds Name. Der Eintrag lautet:

»Als mein hungriger Magen durch ein Mittagessen bei W. E. besänftigt war, stieg im Geiste eine Zukunftsvision vor mir auf:

We fly to the neverending space,

We fly to eternity,

But happy are our faces,

For we’ll conquer infinity!«

Worauf sich der Nachsatz: »Na, Mr. Parr, was sagen Sie nun?« bezieht, kann ich nicht deuten. Der Engländer Julian Parr war 1955 Mitbegründer des Science Fiction Clubs Deutschland. Rainer Eisfeld selbst notiert bei diesem Eintrag seine Mitgliedsnummer beim SFCD mit Nr. 106.

Die Faszination, der »sense of wonder«, wie er in den Anfangsjahren, quasi während der Aufbruchszeit der Science-Fiction in der Bundesrepublik Deutschland, die Fans auszeichnete, spricht eindrucksvoll aus dem Gedicht des jungen Eisfeld. Kein Wunder also, dass er sich selbst auch als Autor von Science-Fiction versuchte, nachzulesen in der 1957 von »Henry Bings« alias Heinz Bingenheimer zusammengestellten und herausgegebenen utopischen Anthologie »Lockende Zukunft«. Der Band erschien in dem auf Titel für gewerbliche Leihbüchereien spezialisierten Bewin-Verlag, angesiedelt im sauerländischen Menden. Während diese billig ausgestatteten und produzierten Romane gemeinhin einen Kunststoffeinband erhielten, Supronyl genannt, wurde die Bingenheimer-Anthologie für Sammler nicht nur mit Schwarz-Weiß-Zeichnungen versehen, sondern erhielt auch einen Leineneinband. Unter den Autoren finden sich zu späterer Zeit so bekannte Namen wie Clark Darlton alias Walter Ernsting, Jay Grams alias Jürgen Grasmück, Wolfgang Jeschke, Ernst H. Richter, Karl Herbert Scheer, Willi Voltz und eben auch Rainer Eisfeld.

Seine kurze Erzählung »Die Hölle auf Erden«, illustriert von Jan Groenmeyer, greift ein nach den Schrecken von Hiroshima und Nagasaki in der SF der Fünfzigerjahre gängiges Schreckensmotiv vom Untergang der Menschheit nach einem weltumspannenden Atomkrieg auf. Und ist – gemessen an so manchem anderen Beitrag in dieser Anthologie – für einen Fünfzehn-, Sechzehnjährigen überraschend gut, ja geradezu professionell geschrieben. Man kann sagen, der junge Mann traute sich etwas zu.

Das Selbstvertrauen des jungen Rainer Eisfeld war sehr ausgeprägt: Auf seine Nachfrage mit dem Hinweis, dass er inzwischen Science-Fiction in der Originalsprache lese, hatte ihm Walter Ernsting bereits ein Jahr zuvor eine Probeübersetzung für das von ihm herausgegebene »Utopia-Magazin« anvertraut. Es handelte sich um die im November 1950 in »Galaxy Science Fiction« veröffentlichte Erzählung »Misbegotten Missionary« von Isaac Asimov; die Übersetzung erschien in der fünften Ausgabe des »Utopia-Magazins«. Offensichtlich war Ernsting von Eisfelds Übersetzungsfähigkeiten so beeindruckt, dass in der nächsten Ausgabe bereits die zweite Eisfeld-Übersetzung erschien: eine Erzählung von Murray Leinster (diesmal freilich, zum Leidwesen des jungen SF-Schaffenden, ohne Angabe des Übersetzers).

Im gleichen Jahr wie Bingenheimers Anthologie »Lockende Zukunft« erschien auch Eisfelds erste Romanübersetzung als »Utopia Kriminal« Band 25: »Ingenieure des Kosmos« von Clifford D. Simak (Originaltitel »Cosmic Engineers«). In den nächsten Jahren folgten weitere Romane im Romanheft wie im Leihbuch, unter anderen solche von Isaac Asimov, Jon J. Deegan, Raymond F. Jones, A. E. van Vogt und Jack Williamson, zum Teil unter dem von Ernsting verwendeten Pseudonym »Armin von Eichenberg«.

Einschub: Die Arbeit als Übersetzer hat dem jungen Rainer offenbar nicht nur willkommenes Honorar eingebracht, sondern auch Spaß gemacht. Bis Mitte der Sechzigerjahre war Eisfeld auf diesem Arbeitsfeld aktiv und übersetzte neben nicht wenigen Science-Fiction-Titeln auch Western (etwa von Louis L’Amour »The Tall Stranger«, veröffentlicht im Jahre 1963 unter dem Titel »Der fremde Reiter« im Leihbuchverlag Balowa), aber auch Kriminalromane. Für den Ullstein-Verlag übertrug er 1965/66 mehrere Titel des Autors W. T. »Todhunter« Ballard ins Deutsche, etwa »Feuerwasser«, »Mörderische Stadt«, »Fahrt in den Tod« oder »Gefährliche Erbschaft«. Auch ein Erle-Stanley-Garner-Titel kommt dazu (möglicherweise gibt es mehrere, die ich nicht identifiziert habe): »The Case of Lazy Lover«, erschienen als »Perry Mason und der lustlose Liebhaber«.

Zurück zu den ersten Jahren des R. E.:

Auch sonst war der Fan Rainer Eisfeld sehr aktiv. Er hatte in Bonn die Ortsgruppe des SFCD gegründet und wurde anlässlich des Neubaus seines Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums initiativ. Walter Ernsting hat Eisfelds Bericht an ihn über das Ereignis in einem Beitrag über »SFCD und die Öffentlichkeit« im Utopia-Magazin Nr. 5, wo auch auf eine Veranstaltung in Recklinghausen hingewiesen wurde, auf Seite 123, zitiert:

»Mir bot sich eine gute Gelegenheit, als am 1. Oktober 1956 das neue Schulgebäude eingeweiht werden sollte, und einige Ausstellungen unter dem Motto: ›Freizeitbeschäftigungen der Schüler‹ gestartet wurden. Ich schnappte mir kurzentschlossen meinen SFCD-Freund Volkhard Peters und erklärte ihm: ›Wir machen eine Ausstellung über Science-Fiction!‹

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