Abschließend wird noch ein Blick auf die Evaluation von Sprachmittlungsaufgaben geworfen; ein Aspekt, der vor allem im praktischen Feld einen wichtigen Faktor für Lehrkräfte und Lernende darstellt. Dies zeigt auch die häufige Argumentation für die Offenlegung der Bewertungskriterien (vgl. exemplarisch Pfeiffer 2013; Philipp, Rauch 2010).
Beleuchtet man die bildungspolitischen Dokumente näher, fällt auf, dass dort bisher nur wenige Vorgaben bzw. Raster zur Bewertung vorhanden sind. So werden in den Bildungsstandards der KMK für die allgemeine Hochschulreife (2012: 32f.) nur wenige Angaben zur Bewertung vorgestellt, indem etwa einige mögliche Antworten der Schülerinnen und Schüler aufgelistet werden und die Vergabe der Punkte erfolgen könnte. Dabei lassen sich vor allem gängige Formulierungen wie ‚Es werden X Punkte vergeben, wenn …‘ finden, die erfreulicherweise für alle einzelnen Teilaspekte der jeweiligen Aufgabe formuliert worden sind und so eine mögliche Orientierungshilfe bieten. In den Beispielaufgaben für Englisch und Französisch sind ebenfalls Hinweise zur Diagnose von Lernendenprodukten sowie Möglichkeiten zur Weiterarbeit aufgezeigt, so dass Lehrkräfte eine praktische Anleitung erhalten (vgl. exemplarisch KMK 2012: 219). Der GeR hingegen macht dazu in seiner Fassung aus dem Jahr 2001 überhaupt keine Angaben und stellt auch keine Entwürfe oder Anregungen zur Bewertung zur Verfügung. Die Erweiterung, die im Jahr 2018 publiziert wurde, greift unter anderem dieses Desiderat auf und legt für den Bereich der Sprachmittlung detailliert ausgearbeitete Skalen für verschiedene Aktivitäten und Strategien der Mittlung vor, die wiederum auch als Grundlage für die Erstellung von Bewertungs- oder Evaluationsaufgaben herangezogen werden können (vgl. Abbildung 2.1 sowie Teilkapitel 2.2.2).
Diverse Bundesländer haben bereits Bewertungsraster für Sprachmittlungsaufgaben erstellt, die sich allerding mehrheitlich auf die Sekundarstufe II bzw. die Abiturvorbereitung oder -prüfung beziehen. Exemplarisch sei hier auf das Bundesland Bremen verwiesen (vgl. Tabelle 2.8); es werden vor allem inhaltliche und sprachliche Kriterien bewertet, wobei den Lehrkräften nach eigenem Ermessen ein gewisser Spielraum zur Verfügung steht, so dass sie einzelne Aspekte stärker oder schwächer gewichten können. Auch andere Bundesländer wie Bayern, Berlin, Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen haben solche Raster vorgelegt; „es sind jedoch Unterschiede in deren analytischer Ausprägung erkennbar“ (Krogmeier 2017: 83), die sich meist auf schriftliche Sprachmittlungsaufgaben beziehen.
Für die inhaltliche und sprachliche Leistung werden unter Berücksichtigung des jeweiligen Erwartungshorizontes und der folgenden Kriterientabelle Bewertungseinheiten vergeben. Die Berücksichtigung bzw. Gewichtung der einzelnen Kategorien wird durch die jeweilige Aufgabenstellung vorgegeben und unterliegt somit der fachlichen Entscheidung.
1 – 0 BE |
die im Sinne der Aufgabenstellung relevanten Aussagen nicht erfasst bzw. falsch und überwiegend unverständlich wiedergegeben |
kein Adressatenbezug und nicht situationsangemessen keine Textsortenmerkmale |
keine bzw. irrelevante kulturspezifische Erläuterungen |
zusammenhangslose Darstellung; Lesbarkeit sehr stark beeinträchtigt |
unverständliche, schwerwiegend fehlerhafte Zielsprache |
nahezu wörtlich übersetzter und unverständlicher Text, keine Kompensationsstrategien |
3,5 – 1,5 BE |
die im Sinne der Aufgabenstellung relevanten Informationen ansatzweise erfasst und lückenhaft, falsch oder sinnentstellend wiedergegeben |
weitgehend fehlender Adressatenbezug und weitgehend fehlende Situationsangemessenheit weitgehend fehlende Textsortenmerkmale |
kulturspezifische Erläuterungen missverständlich formuliert bzw. nicht zielführend |
wenig zusammenhängende Darstellung/Gliederung; an zahlreichen Stellen stark beeinträchtigt |
sehr einfache und häufig fehlerhafte sprachliche Strukturen und Konnektoren, deutlich begrenzte Wortwahl |
stellenweise wörtlich übersetzter und somit sprachuntypischer Text, kaum Kompensationsstrategien |
5 – 4 BE |
einige im Sinne der Aufgabenstellung relevanten Informationen erfasst und wiedergegeben, z.T. ungenau bzw. unvollständig |
Adressatenbezug und Situationsangemessenheit ansatzweise erkennbar im Ansatz vorhandene Umsetzung der Textsortenmerkmale |
relevante kulturspezifische Erläuterungen ansatzweise gegeben, teils missverständlich bzw. nicht zielführend |
im Ansatz logische und zusammenhängende Darstellung/Gliederung; stellenweise schwer lesbar |
teils fehlerhafte, einfache, wenig variable sprachliche Strukturen und Konnektoren, begrenzte und fehlerhafte Wortwahl |
im Ansatz eigenständig produzierter Text, ansatzweise gelungene Nutzung von Kompensationsstrategien |
6,5 – 5,5 BE |
die im Sinne der Aufgabenstellung relevanten Informationen mehrheitlich erfasst und überwiegend treffend wiedergegeben |
Adressatenbezug und Situationsangemessenheit im Wesentlichen berücksichtigt teilweise gelungene Umsetzung der Textsortenmerkmale |
relevante kulturspezifische Erläuterungen im Wesentlichen nachvollziehbar formuliert, teils zielführend |
meist logische und zusammenhängende Darstellung/Gliederung; zumeist problemlos lesbar |
größtenteils korrekte sprachliche Strukturen und Konnektoren, einfache und verständliche Wortwahl |
zumeist eigenständiger produzierter Text, im Wesentlichen gelungene Nutzung von Kompensationsstrategien |
8 – 7 BE |
alle im Sinne der Aufgabenstellung relevanten Informationen nahezu vollständig erfasst und treffend wiedergegeben |
Adressatenbezug treffend und überwiegend situationsangemessen überwiegend überzeugende Umsetzung der Textsortenmerkmale |
relevante kulturspezifische Erläuterungen nachvollziehbar formuliert, zielführend |
weitgehend logische und zusammenhängende Darstellung/Gliederung; problemlos lesbar |
weitgehend korrekte und abwechslungsreiche sprachliche Strukturen und Konnektoren, zumeist treffende Wortwahl |
weitgehend eigenständig produzierter und idiomatischer Text, überwiegend geschickte Nutzung von Kompensationsstrategien |
10 – 8,5 BE |
alle im Sinne der Aufgabenstellung relevanten Informationen vollständig erfasst und präzise wiedergegeben |
Adressatenbezug äußerst treffend und durchgängig situationsangemessen besonders überzeugende Umsetzung der Textsortenmerkmale |
relevante kulturspezifische Erläuterungen präzise formuliert, überaus zielführend |
klare und logische Darstellung/Gliederung; hervorragend lesbar |
ahezu durchgängig korrekte, variable sprachliche Strukturen und Konnektoren, differenzierte, präzise und idiomatische Wortwahl |
überaus eigenständiger idiomatischer Text, besonders geschickte Nutzung von Kompensationsstrategien (Paraphrasen, Hyperonyme etc.) |
Bewertungs- einheiten |
Informationsverarbeitung |
Adressatenbezug /Situationsangemessenheit Textsortenmerkmale |
kulturspezifische Erläuterungen |
Textorganisation und Lesbarkeit |
Korrektheit der Zielsprache |
Strategien/Umgang mit der Textvorlage |
Tabelle 2.8: Bewertungsraster Sprachmittlung des Bundeslandes Bremen (Senatorin für Kinder und Bildung 2015b: 12f.)
Das Bundesland Bayern ist hier hervorzuheben, da für die Niveaustufen A1 bis B2 differenzierte Bewertungskriterien vorgelegt werden, auch wenn dies zunächst nur für das mündliche Dolmetschen bzw. schriftliche Zusammenfassen erfolgt ist (vgl. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildugsforschung (ISB) 2004). Es fällt dabei auf (vgl. Tabelle 2.9), dass das vom Bundesland Bayern vorgelegte Raster deutlich weniger Teilaspekte mit in die Bewertung einschließt und im Vergleich zum Bremer Bewertungsraster dabei deutlich unübersichtlicher gestaltet ist, so dass den Lehrkräften dort viel weniger Freiraum geboten wird, im Rahmen ihrer Möglichkeiten oder je nach Gestaltung des Unterrichts, bestimmte Punkte hervorzuheben.