Bert Bell hat das nicht mehr miterlebt. Der NFL Commissioner verstarb am 11. Oktober 1959. Tragischer- oder passenderweise – je nachdem, wie man mag – in einem Stadion. Football war sein Leben. Während unten auf dem Rasen die Philadelphia Eagles gegen die Pittsburgh Steelers spielten, »seine« zwei Teams also, erlitt Bell in den Schlussminuten dieses Duells einen Herzinfarkt. Die Trauer war groß. Die Liga hatte ihren Visionär verloren. Wie sollte es nun weitergehen? Aber Bell hatte der NFL ein mehr als ordentliches Erbe hinterlassen. Denn er erkannte früh, was die wichtigste Einnahmequelle für die NFL in den kommenden Jahren sein wird: das Fernsehen. Nach der Übernahme der AAFC steckte Bell viel Energie in seinen Plan, die TV-Entscheider von seinem Produkt zu überzeugen. Er hatte Erfolg und bald den ersten Fünfjahresvertrag in der Tasche. DuMont Television biss an und übertrug das NFL-Endspiel 1951 zwischen den Browns und den Rams live in die gesamte USA. Der Sender zahlte 75.000 Dollar für dieses Recht. Auch die nächsten vier Meisterschaftsduelle durfte dieser TV-Sender ausstrahlen.
Zeitgleich ermutigte Bell die Teambesitzer, eigene TV-Deals abzuschließen, installierte bereits 1950 aber auch die »Blackout Rule«. Diese untersagte den Klubs, Livebilder ihrer Spiele auf TV-Bildschirme übertragen zu lassen, die in einem Radius von 75 Meilen (ca. 120 Kilometer) zu ihrem Stadion standen. Egal, ob diese ausverkauft waren oder nicht. »The greatest Game ever played« 1958 zum Beispiel war im Großraum New York im TV nicht zu sehen. Bell war halt ein Fuchs. Er wusste, dass der Mensch faul ist. Er wollte aber gewährleisten, dass die Leute trotzdem weiter ins Stadion gehen und sich Tickets für die Spiele kaufen. Denn auch auf diese Erlösquelle waren die NFL-Teams angewiesen. Außerdem wollte Bell nicht, dass leere Tribünen im Stadion zu sehen sind. Das wäre ja geschäftsschädigend und könnte dem guten Ruf der Liga schaden. »Man kann den Fans kein kostenloses Spiel im Fernsehen ermöglichen und zeitgleich erwarten, dass sie auch ins Stadion gehen«, erklärte Bell seine Maßnahme.
Nach der Saison 1951 vereinbarte Bell mit DuMont Television, dass der Sender nicht nur das Finale, sondern ab sofort auch jede Woche ein reguläres Saisonspiel übertragen darf. Die Einnahmen sollten zu gleichen Teilen auf alle Teams verteilt werden. Dieses Prinzip wird auch heute noch in der Liga angewandt. Bell war es wichtig, dass alle davon profitieren. Er wollte wirtschaftliche Stabilität erzeugen, damit nicht wieder eine der zwölf NFL-Franchises in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Zudem begann DuMont ab 1953 damit, die NFL zur besten Sendezeit zu zeigen: Am Samstagabend. Ab 1955 wurde DuMont von der NBC abgelöst. Dieser Kanal blätterte bereits 100.000 Dollar für die Übertragung des Meister-Duells auf den Tisch. Ab 1956 stieg auch Columbia Broadcasting System (CBS) als TV-Partner ein. Die NFL hatte endlich ihre ganz große Bühne.
DIE AFL:
EINE NEUE GEFAHR
Ab Januar 1960 trat Pete Rozelle (*1926, †1996) die Nachfolge von Bert Bell als NFL Commissioner an. Der damals erst 33-Jährige war bis 1959 der General Manager der Los Angeles Rams. Er verlegte die Ligazentrale von Philadelphia nach New York City. Dort ist sie bis heute. Genau wie Bell erkannte auch er die Bedeutung der Fernsehvermarktung. Rozelle trieb das TV-Geschäft während seines Wirkens in der Zentrale bis 1989 weiter extrem voran. Doch zunächst musste er sich der bislang größten Herausforderung der NFL stellen: der AFL.
Zehn Jahre nach dem Ende der AAFC entstand die nächste Konkurrenzliga. Die »American Football League«, kurz AFL. Die AAFC und die jüngsten TV-Verträge hatten viele geschäft stüchtige Unternehmer aufh orchen lassen. Sie merkten, dass es im Profifootball plötzlich sehr viel Geld zu verdienen gab, und wollten auch ein Stück vom Kuchen abhaben. Einen Fuß in die Tür der NFL bekamen sie aber nicht. Obwohl es ein Leichtes gewesen wäre, die Liga aufzustocken, blieb man lieber unter sich. Zwölf Teams in elf Städten (Chicago hatte mit den Bears und den Cardinals bis 1959 zwei) erschien den Besitzern genug. Nach teils aufreibenden Jahren, in denen viele um ihre Existenz bangten, war man froh, dass nun endlich mal Ruhe eingekehrt war. Außerdem war man nicht bereit, das nun endlich fließende Geld durch noch mehr Köpfe zu teilen. Man blieb lieber ein kleiner, sehr exklusiver Kreis.
Nun schlug die große Stunde von Lamar Hunt (*1932, †2006). Auch der Sohn eines Öl-Milliardärs hatte im Laufe der 1950er Jahre versucht, eine NFL-Lizenz zu bekommen. Er war stark an den Chicago Cardinals interessiert und wollte das Team nach Texas lotsen. Aber die Liga-Oberen ließen ihn abblitzen. Aus Frust traf er die Entscheidung, dann halt eine eigene Liga als Konkurrenz zur NFL ins Leben zu rufen. Einen Verbündeten fand er in Bud Adams (*1923, †2013), ebenfalls Sohn eines Öl-Magnaten. Auch der hatte zuvor ein Auge auf die Cardinals geworfen und wollte sie nach Texas holen. Genauso erfolglos. Daher schlossen Adams und Hunt eine Allianz. Die beiden tüft elten erst mal im Verborgenen und gaben dann im Spätsommer 1959 die Gründung der »American Football League« bekannt, die ab 1960 an den Start gehen sollte. Dieser Name war bekannt. Im Laufe der letzten Jahrzehnte gab es bereits dreimal von unterschiedlichen Leuten den Versuch, unter dieser Bezeichnung in Rivalität zur NFL zur treten. Aber jedes Mal scheiterte der Plan relativ schnell. Diesmal jedoch nicht.
Ähnlich wie damals in der AAFC war es Hunt und Adams gelungen, einflussreiche Investoren von ihrem Vorhaben zu überzeugen und mit ins Boot zu holen. Darunter unter anderem Barron Hilton (*1927), Erbe der Hilton-Hotelkette und Großvater von »It-Girl« Paris Hilton, Ralph Wilson (*1918, †2014), ein Großindustrieller, und Billy Sullivan (*1915, †1998), ein Journalist. Zur Saison 1960 sollten acht AFL-Teams an den Start gehen: die Boston Patriots, die Buffalo Bills, die New York Titans und die Houston Oilers in der Eastern Division. Sowie die Dallas Texans, die Denver Broncos, die Los Angeles Chargers und die Oakland Raiders in der Western Division. Hunt steckte hinter den Dallas Texans (nicht zu verwechseln mit dem Team selben Namens, das 1952 krachend in der NFL gescheitert war). Adams hinter den Houston Oilers. Hunt war der festen Meinung, dass eine regionale Rivalität zwischen seinen Texans und Adams’ Oilers entscheidend zum schnellen Wachstum der Liga beitragen wird. Auch, wenn die beiden AFL-Gründungsväter nun im selben US-Bundesstaat nach Aufmerksamkeit und Sponsoren buhlten. Rückblickend ein Trugschluss. Hilton war Mitgründer der Los Angeles Chargers. Wilson übernahm die Buffalo Bills, die er bis zu seinem Tod 54 Jahre in eigener Hand behielt, und Sullivan die Patriots (mehr zu diesen beiden Teams in Kapitel #6).
Die NFL hatte aus ihren Fehlern im Umgang mit der AAFC gelernt. Statt die neue Liga lange mit Nichtachtung zu bestrafen, suchte man diesmal den schnellen Austausch, um der aufkommenden Gefahr möglichst schnell Herr zu werden. Rozelle bot Hunt und Adams nun doch den Besitz eines NFL-Franchise an. Kein bestehendes, sondern ein neues. Aber die lehnten aus Solidarität zu ihren neuen Geschäftspartnern ab. Die NFL entschied sich trotzdem zu einer Expansion, obwohl die bisherigen zwölf Teambesitzer ja eigentlich kein Verlangen danach spürten. Aber nun sah man sich angesichts der aufkommenden Konkurrenz dazu gezwungen. 1960 nahmen die Dallas Cowboys ihren Spielbetrieb auf, die von Clint Murchison (*1923, †1987) gegründet wurden, Sohn eines Öl-Oligarchen. Heute sind die Cowboys bekannt als »Americas Team« (mehr dazu in Kapitel #3). Zudem wurden die Cardinals, die von 1920 bis 1959 in Chicago beheimatet waren, aber schon länger am finanziellen Abgrund standen, 1960 nach St. Louis verfrachtet. Ab 1961 kam mit den Minnesota Vikings ein weiteres neues Team dazu. Interessant dabei: Federführend daran beteiligt war Max Winter (*1903, †1996). Der gehörte eigentlich zu den Männern um Hunt und Adams. Als die NFL mit dem Angebot um die Ecke kam, ein Team in Minneapolis installieren zu können, knickte Winter aber ein und schlug zu. Ihm war Loyalität offenbar nicht so wichtig Statt aus zwölf bestand die NFL nun aus 14 Mannschaften.
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