Bevor die AAFC 1946 – ein Jahr später als geplant – ihren Spielbetrieb aufnahm, war erneut ein Wettbieten um die besten Football-Spieler des Landes entbrannt. Die Gehälter explodierten. Die Profis konnten nun zwischen mehreren Angeboten auswählen und nutzten das aus, um die Preise hochzutreiben. Viele von ihnen wechselten in die AAFC. Deren erster Geschäft sführer war der frühere College-Football-Star Jim Crowley (*1902, †1986), der als Running Back 1925 auch zu drei Einsätzen für die Green Bay Packers in der NFL kam. Später wechselte Crowley als Head Coach zu den Chicago Rockets. Die Rockets bildeten 1946 gemeinsam mit den Brooklyn Dodgers (nicht zu verwechseln mit dem NFL-Team selben Namens, das 1945 von der Bildfläche verschwand), Buffalo Bisons, Cleveland Browns, Los Angeles Dons, Miami Seahawks, New York Yankees und San Francisco 49ers die acht Teams in der Premierensaison der AAFC. Die Miami Seahawks wurden 1947 durch die Baltimore Colts ersetzt.
„Automatic Otto“ führte die Browns zu vier AAFC-Titeln.
Das Maß aller Dinge in der AAFC waren die Cleveland Browns. Sie wurden von Mickey McPride gegründet und nach ihrem langjährigem Head Coach Paul Brown (*1908, †1991) benannt. Die Browns gewannen bis 1949 in allen vier AAFC-Spielzeiten die Western Division und auch die jeweiligen Endspiele. Insgesamt kassierten sie nur vier Niederlagen. Das lag auch daran, dass sie mit Otto Graham (*1921, †2003) den besten Quarterback der Liga in ihren Reihen hatten. Der wurde aufgrund seiner präzisen Pässe ehrfürchtig »Automatic Otto« genannt. Seine Rückennummer 14 wird bei den Browns bis heute nicht mehr vergeben. Das zweiterfolgreichste Team der AAFC waren die San Francisco 49ers. Sie hob Tony Morabito aus der Taufe. Gemeinsam mit den Los Angeles Dons, bei denen unter anderem die US-Unterhaltungsgrößen Bob Hope und Bing Crosby als Miteigentümer dabei waren, zählten die 49ers zu den ersten Profiteams, die sich an der Westküste der USA niederließen. Um sich in diesem Teil der USA nicht abhängen zu lassen, hatte die NFL 1946 die Cleveland Rams nach Los Angeles entsandt (siehe Kapitel #1). Die 49ers erreichten einmal das Finale der AAFC, in dem sie im Dezember 1949 aber den Browns unterlagen. Dieses Spiel war gleichzeitig das letzte in der Geschichte der AAFC.
Wenige Tage zuvor hatten NFL und die AAFC beschlossen, in Zukunft gemeinsame Sache zu machen. Der Spuk war vorbei. NFL Commissioner Bell, der die AAFC lange ignorierte und öffentlich kein Wort zu ihr verlor, hatte die Nase voll. Die AAFC konnte über die letzten Jahre bessere Zuschauerzahlen als seine NFL aufweisen, weil Journalist Ward seine Kontakte genutzt hatte, um großflächig in den Medien zu erscheinen. So kamen beispielsweise zum AAFC-Eröffnungsspiel 1946 zwischen den Cleveland Browns und den Miami Seahawks 60.000 Fans. Das war damals eine Rekordkulisse für ein reguläres Profi-Football-Spiel. Trotzdem klagte auch diese Liga – genau wie die NFL – über leere Kassen. Die AAFC litt zu sehr unter der Dominanz der Browns. Am 9. Dezember 1949 verkündete Bell den Zusammenschluss beider Ligen, man wollte nun unter dem Namen National-American Football League zusammen statt gegeneinander arbeiten. Mit Bell als Commissioner. Diese Fusion beinhaltete die drei sportlich und wirtschaftlich erfolgreichsten AAFC-Teams Cleveland Browns, San Francisco 49ers und Baltimore Colts sowie die zehn NFL-Teams. Die anderen AAFCTeams wurden aufgelöst, deren Spieler auf die weiterbestehenden 14 Teams aufgeteilt. Bereits im Frühjahr 1950 kehrte man der Bezeichnung National-American Football League den Rücken und nannte sich nun fortan auch offiziell wieder National Football League.
DIE BROWNS
DOMINIEREN
Die AAFC war tot, die NFL hatte den Machtkampf gewonnen und war wieder Monopolist. Während sie sich bis 1949 noch in die NFL West und NFL East aufgeteilt hatte, gab’s von nun an zwei Divisionen: Die American Conference (mit den Cleveland Browns, New York Giants, Philadelphia Eagles, Pittsburgh Steelers, Chicago Cardinals und Washington Redskins) und die National Conference (mit den Los Angeles Rams, Chicago Bears, New York Yanks, Detroit Lions, Green Bay Packers, San Francisco 49ers und Baltimore Colts). Ab 1953 kehrte man aber schon wieder zur Titulierung NFL West und NFL East zurück.
Was viele nicht für möglich hielten: Die Browns konnten ihre sportliche Überlegenheit auch unter dem neuen Dach fortsetzen. Vorm Auftakt der Spielzeit 1950 gab es das heiß erwartete Duell der Browns als amtierender AAFC-Meister gegen den amtierenden NFL-Meister Philadelphia Eagles, vorher vollmundig und werbewirksam als The World Series Of Pro Football tituliert. Die Browns gewannen mit 35:10. In dieser Saison führte ihr Weg bis ins Finale, das sie ebenfalls für sich entscheiden konnten. Sie bezwangen die Los Angeles Rams an Heiligabend mit 30:28. NFL Commissioner Bell bezeichnete sie danach als »bestes Team, das jemals Football gespielt hat«. Zwischen 1950 und 1955 standen die Browns dank »Automatic Otto« immer im Endspiel. Während sie die Finalspiele 1951, 1952 und 1953 verloren, konnten sie in den Spielzeiten 1954 und 1955 weitere Titel holen. Wenn man ihre AAFCZeit mit einrechnet, standen die Browns also in den ersten zehn Jahren ihres Bestehens immer im Finale. Beeindruckend!
Für die Baltimore Colts hingegen war nach der Saison 1950 schon wieder Schluss in der NFL. Sie konnten sportlich nicht mithalten (nur ein Sieg aus zwölf Spielen) und waren finanziell am Ende. Damit herrschte in den zwei NFL-Divisionen größenmäßig nun wieder Gleichstand. Beide beherbergten je sechs Teams. Aber nun wird’s kompliziert: Denn nach der Saison 1951 verabschiedete sich bereits die nächste Mannschaft: die New York Yanks. Die wurden 1944 während des Zweiten Weltkriegs als Boston Yanks gegründet und schlossen sich 1945 mit den Brooklyn Tigers zusammen, die wiederum bis 1943 Brooklyn Dodgers hießen und 1930 aus den Dayton Triangles entstanden waren, die 1920 zu den Gründungsmitgliedern der APFA, dem Vorläufer der NFL, gehörten. Alles klar?
Anstelle der New York Yanks, die sich übrigens zwischenzeitig nur in der Saison 1949 New York Bulldogs nannten, installierte die NFL in der Saison 1952 die neugegründeten Dallas Texans, die den gesamten Spielerkader der Yanks übernahmen. Problem: Die Texans waren sportlich unterirdisch, was zur Folge hatte, dass sich in Dallas und Texas fast niemand für sie interessierte. Das riesige Cotton Bowl Stadium mit Platz für 92.000 Zuschauer war oft menschenleer. Somit war auch für die Texans nach nur einer NFL-Saison wieder Schluss. Des einen Leid war des anderen Freud: Denn nun kamen tatsächlich die Baltimore Colts zurück. Im Jahr 1953. In völlig neuem Gewand. Massiv unterstützt von der Stadt Baltimore, deren Einwohner weiterhin nach Profi-Football lechzten, bekam eine Investorengruppe mit dem Geschäftsmann Carroll Rosenbloom an der Spitze den Zuschlag für ein neues NFL-Team. Diese Colts, die heute in Indianapolis zu Hause sind (mehr dazu in Kapitel #4), haben nichts mit den AAFC-Colts zu tun. Außer ihrem Namen.
Die Colts, bestehend aus vielen Yanks- bzw. Texans-Spielern, entwickelten sich nach einigen Startschwierigkeiten überraschend prächtig. Nach Jahren der Fluktuation hatte die NFL endlich mal ein festes Teamgerüst. Das war wichtig, um nach außen Seriosität und vernünftiges Wirtschaften auszustrahlen. Das Ansehen der Liga wuchs. Was auch an Johnny Unitas (*1933, †2002) lag. Mit Unitas (mehr zu ihm in Kapitel #5) erreichten die Baltimore Colts 1958 das NFL-Finale gegen die New York Giants. Dieses Spiel ist für viele bis heute »the greatest Game ever played« (das großartigste Spiel, das je gespielt wurde). Es war die erste NFL-Partie, die von der NBC in den gesamten USA live im Fernsehen übertragen wurde. 45 Millionen Menschen saßen gebannt vor den Bildschirmen. Das Spiel im Yankee Stadium war ein echter Thriller, an Dramatik kaum zu überbieten. Nach den regulären 60 Minuten stand es 17:17. Nun griffen erstmals die neuen Overtime-Regeln. Das Team, das in den kommenden 15 Minuten zuerst Punkte erzielt, sollte gewinnen. Die Colts hatten das bessere Ende auf ihrer Seite. Bei noch 6:45 Minuten Restspielzeit lief Running Back Alan Ameche (*1933, †1988) aus einem Yard Entfernung in die Endzone. Ende. Aus. Vorbei. Baltimore gewann mit 23:17. Dieses Spiel war ein Meilenstein für die NFL. Nun hatte sich Profifootball in den USA endgültig durchgesetzt und war so populär wie nie. Die Colts konnten ihren Titel im Jahr 1959 erfolgreich verteidigen. Wieder gegen die Giants. Diesmal 31:16. Die Colts waren zurück in der Liga und plötzlich sogar eine große Nummer. Wer hätte das gedacht?
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