Weit vorn waren die Rams auch bei der TV-Präsenz. Weil ihr spektakulärer Offensiv-Football Mitte des letzten Jahrhunderts für beste Unterhaltung sorgte, wurden sie 1950 das erste Profifootball-Team, dessen Saisonspiele allesamt live im Fernsehen gezeigt wurden. Die erste TV-Live-Übertragung eines NFL-Spiels gab es hingegen bereits 1939. Das war damals ein weiterer wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der Liga. Und der Beginn einer großen Liebschaft zwischen ihr und dem Fernsehen. Am 22. Oktober 1939 übertrug NBC das Duell der Brooklyn Dodgers und der Philadelphia Eagles in ganzer Länge in der New Yorker Metropol-Region. Das fanden zunächst nicht alle NFL-Funktionäre gut. Sie hatten Vorbehalte. Warum sollten die Menschen denn jetzt noch ins Stadion gehen und auch noch Eintritt dafür bezahlen, wenn sie die Partie doch genauso gut umsonst gemütlich auf dem eigenen Sofa schauen können? Das Absurde an dieser Diskussion: Zu dieser Zeit besaßen in New York gerade mal etwa tausend Menschen überhaupt einen Fernseher …
Ligaboss Joseph Carr bekam dieses historische Ereignis nicht mehr mit. Er verstarb im Mai 1939, nachdem er erst drei Monate zuvor einstimmig für weitere zehn Jahre in seinem Amt wiedergewählt wurde. Er erlitt einen Herzinfarkt. Als sein Nachfolger wurde Carl Storck (*1892, †1950) bestimmt. Der gehörte neben Ralph Hay, George Halas & Co. als Besitzer der Dayton Triangles zu den Mitgründern der NFL. Aus den Triangles wurden 1930 die Brooklyn Dodgers. Storck erlebte, wie mit dem Spiel der Green Bay Packers gegen die New York Giants am 10. Dezember 1939 erstmals die 1-Million-Zuschauermarke während einer NFL-Saison geknackt wurde und wie die Chicago Bears am 8. Dezember 1940 die Washington Redskins im Saisonendspiel mit 73:0 vom Platz fegten. Das ist bis heute der höchste Sieg in der NFL. Im Amt bleiben durfte Storck aber nur bis Anfang 1941. In diesem Jahr entschieden die Teambesitzer, den Posten des Liga-Geschäftsführers künftig als NFL Commissioner zu bezeichnen. Diesen neugeschaffenen Posten sollte Elmer Francis Layden (*1903, †1973) bekleiden. Storck war erbost, fühlte sich ungerecht behandelt und wollte seinen Platz nicht freiwillig räumen. Wenige Wochen später tat er das dann aber doch. Layden übernahm den Laden bis 1946. Er verlegte die NFL-Zentrale aus Oklahoma nach Chicago.
Im Jahr 1941 gab’s eine weitere Neuerung. Weil die Packers und Bears in dieser Saison die NFL West mit jeweils zehn Siegen und einer Niederlage anführten, musste ermittelt werden, welches dieser Teams ins Finale einziehen darf. Das war die Geburtsstunde des ersten Divisional-Playoff-Spiels. Die Bears behielten am 14. Dezember mit 33:14 die Oberhand und gewannen eine Woche später auch das Finale gegen die New York Giants (37:9). In der Folge litt die NFL unter den Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs. Nach dem Angriff der Japaner 1941 auf Pearl Harbor steckte auch die USA tief mit drin. Im Jahr 1943 war fast die Hälfte aller damaligen NFL-Akteure in die Armee berufen worden. Die Anzahl der Teams und der Saisonspiele sank rapide. Trotzdem beschloss die NFL-Zentrale noch neue, wichtige Regeln. Darunter die einheitliche Einführung eines Spielplans mit jeweils zehn Partien für jede Mannschaft – und die Helmpflicht. Das Tragen eines Kopfschutzes war bis dahin im NFL-Football nämlich noch nicht vorgeschrieben.
#2
PLÖTZLICH KONKURRENZ.
WIE DIE NFL DIE AAFC
UND AFL SCHLUCKTE
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs musste sich auch die NFL erst mal wieder organisieren und aufräumen. Das machte sie mit Bert Bell an der Spitze. Der Mann, der 1933 die Philadelphia Eagles in dieser Liga installierte und gemeinsam mit seinem Freund Art Rooney später auch das Überleben der Pittsburgh Steelers sicherte (siehe Kapitel #1). Die Eagles gehörten ihm längst nicht mehr und seine Anteile an den Steelers hatte er jüngst auch wieder verkauft. Am 11. Januar 1946 trat Bell als Nachfolger von Elmer Layden seinen neuen Job als NFL Commissioner an. Er verlegte die Ligazentrale von Chicago nach Philadelphia und unterschrieb zunächst einen Dreijahresvertrag mit einem Jahresgehalt in Höhe von je 20.000 Dollar. Bereits wenige Monate später wurde dieser dann sogar in einen Fünfjahreskontrakt mit je 30.000 Dollar Jahressalär umgewandelt. Die Teambesitzer vertrauten ihm. Sie sahen in Bell genau den richtigen Mann, um die NFL auf die nächste Stufe zu heben. Schließlich bewahrte er die Liga Mitte der 1930er Jahre mit seiner Idee, einen jährlichen Draft durchzuführen, vorm finanziellen Ruin. Damit unterband er, dass sich die Teams beim bis dahin gängigen Wettbieten um die besten College-Talente irgendwann gegenseitig in den Bankrott trieben.
Auch während seiner Amtszeit als NFL Commissioner bis 1959 stellte Bell viele wichtige Weichen. Er machte die Ligaduelle spannender, indem er unter anderem die aktuellen Topteams regelmäßiger gegeneinander spielen ließ, und führte eine »Sudden Death«-Verlängerung ein, wenn ein Spiel nach der regulären Zeit unentschieden endete. Er verfolgte eine strikte und hart sanktionierte Anti-Glücksspiel-Politik, die es NFL- und Team-Angestellten verbot, auf den Ausgang von Spielen zu wetten. Die Schiedsrichter für alle Partien setzte er fortan selbst an und behielt die Namen so lange wie möglich für sich. Niemand sollte auf die Ergebnisse seiner Liga Einfluss nehmen können und die Chance haben, sie zu eigenen Gunsten zu manipulieren. Ihm war es extrem wichtig, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Bloß keine Skandale! Die kann die NFL nicht gebrauchen. Bell wollte mit der NFL ja zum Höhen- und nicht zum Sturzflug ansetzen. Des Weiteren prägte Bell den noch heute bekannten Ausdruck »Any Given Sunday« (jede gute Marke braucht ja bekanntlich einen guten Spruch) und handelte den ersten nationalen TV-Vertrag aus. Mit seinen Entscheidungen bereitete Bell der NFL eine stetig wachsende Bühne im Bewusstsein aller Amerikaner. Da wollte Bell hin, in die Köpfe der Menschen. Zunächst musste er sich aber mit lästiger Konkurrenz rumschlagen.
Bereits 1944 hatte sich die All-America Football Conference (AAFC) zusammengerottet. Eine Ansammlung von vermögenden Geschäftsleuten, die frustriert waren, weil ihnen der Erwerb einer NFL-Team-Lizenz in der Vergangenheit untersagt wurde. An ihrer Spitze stand Arch Ward (*1896, †1955), ein Sportjournalist der »Chicago Tribune«. Ein Machertyp. Ein Sport-Verrückter. Er hatte unter anderem bereits die öffentlichkeitswirksamen »All Star Games« der Major League Baseball (MLB) und im College Football ins Leben gerufen. Er wäre auch gern NFL Commissioner geworden. Zweimal war er bereits für diesen Job im Rennen. Beide Male fiel er durch. Trotzdem wollte er allen zeigen, dass er der richtige Mann dafür ist, Profifootball in den USA zum Durchbruch zu verhelfen und in jeder Großstadt anzubieten. Er erhob also das »Kriegsbeil«. Unterstützung erhielt Ward von Robert McCormick (*1880, †1955), dem einflussreichen Herausgeber der »Chicago Tribune«. Zudem hatte er mit der Fluggesellschaft United Airlines einen weiteren starken Partner an der Seite, der dafür sorgte, dass die AAFCTeams trotz zum Teil großer Distanzen mühelos und schnell von A nach B kamen. Und finanzkräftige Investoren hatte er auch an der Hand. Ward konnte jede Menge reiche Industrielle für sein Vorhaben begeistern. Darunter Taxi-Großunternehmer Mickey McPride (*1888, †1972), Holz-Magnat Tony Morabito (*1910, †1957), Schauspieler Bob Hope (*1903, †2003), Sänger Bing Crosby (*1903, †1977) und Medienmogul Louis B. Mayer (*1884, †1957), ein Mitgründer der MGM Filmstudios. Die starken Männer der AAFC waren vorwiegend vermögender als ihre NFL-Konkurrenten, deren Kapital hauptsächlich aus dem Besitz eines NFL-Franchise bestand.
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