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Wichtig für den praktisch tätigen Zahnarzt ist die recht gut belegte Aussage, dass für die meisten zahnärztlichen Behandlungen bei gesunden Patienten keine Antibiotikaprophylaxe erforderlich ist 15. So wird eine Antibiotikaprophylaxe im Rahmen der Endodontie bzgl. des Behandlungsverlaufs bei gesunden Patienten als unnötig bewertet 16. Für die Frage der Antibiotikaprophylaxe in der „einfachen“ dentoalveolären Chirurgie bei gesunden Patienten finden sich zwar keine Daten, die Anwendung wird jedoch im Rahmen der älteren Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) ebenfalls nicht empfohlen. Im Gegensatz zur einfachen Zahnextraktion findet sich für die Frage der Antibiotikaprophylaxe im Rahmen der Weisheitszahnextraktion recht hochwertige Literatur, die in einem systematischen Review aufbereitet wurde 17. In dieser Arbeit werden eine Reihe randomisierter, teils sogar Doppelblindstudien zu dieser Fragestellung identifiziert. Auf der Basis von 12 Studien an über 2.000 Patienten, die Wundinfektion als Zielkriterium verwenden, kommen die Autoren zu dem Schluss, dass eine prophylaktische Antibiotikagabe zu empfehlen ist. Die Number-Needed-to-Treat (NNT), also die Zahl der Patienten, die behandelt werden muss, um eine Infektion zu vermeiden, beträgt dabei, je nach Definition der Komplikation, 10 bis 50. Die Autoren betonen aber auch die Nebenwirkungsrate in der Gruppe der Prophylaxe. Interessanterweise bestätigte sich die bekannte Situation, dass eine prolongierte Prophylaxe jenseits der einfachen Gabe (Single Shot) keinen zusätzlichen Effekt zeigte, wohl aber konnte der negative Effekt einer zu späten, ausschließlich postoperativen Gabe belegt werden 18. Somit ist die prophylaktische, einmalige Gabe eines Antibiotikums auch für gesunde Patienten zur Prophylaxe einer Wundinfektion bei besonderer Risikokonstellation zu empfehlen. Dabei spielt der Schwierigkeitsgrad der Zahnentfernung eine Rolle 19. Andere Studien sehen die Indikation für eine Antibiotikaprophylaxe z. B. bei Weisheitszahnosteotomien auch aufgrund der potenziellen gastrointestinalen Nebenwirkungen durchaus kritisch 20,21. Die S2k-Leitlinie zum Thema erklärt: „Obwohl die Datenlage in ihrer Gesamtheit die Wirksamkeit einer Antibiotikaprophylaxe gut belegt …, lassen sich … sowohl die Befürwortung als auch die Ablehnung einer antibiotischen Prophylaxe wissenschaftlich begründen“ 22.
Der Nutzen einer prä- und perioperativen antibiotischen Infektprophylaxe bei Implantationen wurde in zahlreichen klinischen Studien untersucht 23. Auch wenn der operative Umfang einer dentalen Implantation als gering eingestuft werden kann und die Gefahr einer postoperativen Infektion bei oralchirurgischen Eingriffen, welche gemeinhin in sauber kontaminiertem Wundgebiet erfolgen, mit einer Prävalenz perioperativer Wundinfektionen von ca. 8 % nicht allzu groß ist, muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es sich dennoch um eine Fremdkörperimplantation handelt. Insofern beruhen die älteren Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) zur Antibiotikaprophylaxe bei Implantationen auf allgemeinen Erkenntnissen über die Fremdkörperimplantation. In der Stellungnahme zur systemischen Antibiotikaprophylaxe bei Patienten ohne Systemerkrankungen zur Vermeidung postoperativer Wundinfektionen aus dem Jahr 2007 wird eine perioperative Antibiotikaprophylaxe bei Implantationen befürwortet 24. Wissenschaftliche Untersuchungen ergaben allerdings interessanterweise weniger einen Effekt auf die Rate postoperativer Infektionen als vielmehr eine deutliche Auswirkung auf das Implantatüberleben: Während eine perioperative Antibiotikaprophylaxe keine signifikante Reduktion von postoperativen Infektionen bewirkte, zeigte sich in einigen Studien eine signifikant höhere Implantatüberlebensrate im Gegensatz zu Kontrollgruppen ohne eine medikamentöse Infektprophylaxe 25,26. Dies lässt vermuten, dass subklinische Infektionen Auslöser für eine erhöhte Implantatverlustrate darstellen und durch eine suffiziente perioperative antibiotische Abdeckung signifikant reduziert werden können. Wichtig ist die Wahl des richtigen Zeitpunktes der Antibiotikagabe. Da der Zeitraum der operativen Intervention bei Implantationen in der Regel überschaubar ist, reicht gewöhnlich eine präoperative Single-Shot-Antibiose aus, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden.
Im Rahmen der „Consensus Reports“ 2015 der European Association for Osseointegration (EAO) wurde kein ausreichender Nutzen für die präoperative Antibiotikaprophylaxe im Fall einfacher Implantationen bei gesunden Patienten gesehen. Insbesondere im Hinblick auf das Problem der Antibiotikaresistenzentwicklung und das Vorkommen von unerwünschten Nebenwirkungen wird daher die Empfehlung zur perioperativen Antibiotikaprophylaxe kritisch betrachtet. Für kompliziertere Fälle konnte hingegen ein Nutzen der Prophylaxe zumindest nicht ausgeschlossen werden 27,28( Abb. 1). Eine prolongierte Antibiose über 3 bis 5 Tage kann bei Augmentationen erwogen werden, denn es hat sich gezeigt, dass unabhängig von der Art der Knochenentnahme eine bakterielle Kontamination des Augmentationsmaterials nahezu unvermeidbar ist ( Abb. 2). Auch bei der Verwendung von Knochenersatzmaterial sollte eine prolongierte Antibiose über einige Tage verordnet werden, da es sich primär um ein Fremdmaterial handelt ( Abb. 3).

Abb. 1 Die EAO empfiehlt im Fall einfacher Implantationen beim Gesunden keine Antibiotikaprophylaxe. Bei komplexen Implantationen wird ein Nutzen der Prophylaxe hingegen aktuell nicht ausgeschlossen (Bild aus 23).

Abb. 2 Die bakterielle Kontamination von Knochenaugmentaten kann bei intraoralen Eingriffen kaum vermieden werden. Ein ausreichender perioperativer Antibiotikaspiegel ist daher zur Infektionsprophylaxe ratsam (Bild aus 23).

Abb. 3 Da es sich bei Knochenersatzmaterial um einen Fremdkörper handelt, ist bei seiner Anwendung eine Infektionsprophylaxe angeraten (Bild aus 23).
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