7 Zuerst fesselte Scham die Davoneilenden. Dann, als sie sahen, dass die Fahnen gewandt, die Linie dem Feind wieder zugekehrt wurde, und der Feldherr bei seiner Auszeichnung durch so viele Triumphe auch durch sein Alter ehrwürdig, im Vordertreffen sich aussetzte, wo die meiste Anstrengung und Gefahr war, schalt jeder sich selbst und die anderen, und in mutigem Geschrei durchlief gegenseitige Ermunterung die ganze Linie.
8 Auch ließ es der andere Tribun an sich nicht fehlen, sondern von seinem Amtsgenossen, der die Linie des Fußvolkes wiederherstellte, zur Reiterei geschickt, ersuchte er, ohne sich auf Verweise einzulassen – denn hierzu hatte er sich durch seine Teilnahme an ihrer Schuld das Ansehen vergeben –, nein, ganz vom Befehlen zum Bitten herabgestimmt, sie einzeln und insgesamt, sie möchten ihn, da er das Schicksal des heutigen Tages zu verantworten habe, von diesem Vorwurf befreien. 9 Ohne Zustimmung, ja gegen die Abmahnung meines Amtsgenossen gab ich mich lieber der Unbesonnenheit aller zum Teilnehmer hin, als der Vorsicht des einen, dem Camillus bringt euer Glück und euer Unglück nichts als eigenen Ruhm, ich aber werde – und hierin bin ich gerade am schlimmsten daran –, wenn die Schlacht nicht wiederhergestellt wird, das Missgeschick mit allen, die Schande allein tragen.
10 Bei der schwankenden Haltung des Heeres hielten sie es für das Beste, die Pferde abzugeben und zu Fuß den Feind anzugreifen. Durch Waffen und Mut sich auszeichnend, schritten sie dahin, wo sie ihr Fußvolk am meisten bedrängt sahen. Führer und Soldaten machten sich den höchsten Wetteifer des Mutes zum unerlässlichen Ziele. 11 So wurde denn die Einwirkung der angestrengtesten Tapferkeit für den Ausgang entscheidend, und die Volsker, die in derselben Richtung, in der sie eben noch aus verstellter Furcht gewichen waren, jetzt als wirklich Fliehende fortstürzten, wurden größtenteils sowohl im Kampf als auch nachher auf der Flucht niedergehauen, die Übrigen dann im Lager, welches die Römer noch in demselben Angriff eroberten; doch wurden hier mehr gefangen als getötet.
(25) Als man hier bei der Musterung der Gefangenen mehrere Tuskulaner erkannte, wurden diese von den Übrigen abgesondert, vor die Tribunen geführt, und auf näheres Befragen gestanden sie, nicht ohne Staatsbeschluss gedient zu haben. 2 Camillus, gegen einen in dieser Nähe zu befürchtenden Krieg nicht gleichgültig, sagte, er wolle sogleich die Gefangenen nach Rom führen, damit den Vätern der Abfall der Tuskulaner vom Bündnis nicht unbekannt bliebe. Sein Amtsgenosse möge inzwischen, wenn er wollte, Lager und Heer übernehmen.
3 Diesen hatte jener eine Tag belehrt, sich mit seinen Maßregeln nicht über bessere hinwegzusetzen. Dennoch glaubte er selbst ebenso wenig wie irgendjemand im Heer, dass ihm Camillus jenen Missgriff, durch den er das Ganze an den Abgrund der Gefahr gebracht hatte, so völlig vergessen würde, 4 und im Heer wie in Rom galt es für eine ausgemachte Sache, dass bei dem wechselnden Erfolg der Schlacht im Volskischen die Schuld des unglücklichen Gefechtes und der Flucht den Lucius Furius treffe, alle Ehre des Sieges aber dem Marcus Furius gebühre. 5 Als die Väter, denen die Gefangenen im Senat vorgeführt wurden, für die Eröffnung des Krieges mit den Tuskulanern gestimmt und dem Camillus die Führung desselben übertragen hatten, bat er sie, ihm einen Gehilfen zu geben, und da ihm erlaubt wurde, von seinen Amtsgenossen zu wählen, wen er wolle, wählte er wider aller Erwarten den Lucius Furius. 6 Durch diese Selbstbeherrschung besänftigte er nicht allein die Schmach seines Amtsgenossen, sondern erwarb auch sich selbst allgemeinen Ruhm.
Mit den Tuskulanern kam es aber nicht zum Krieg. Durch beharrlichen Frieden erwehrten sie sich, was sie mit den Waffen nicht konnten, der römischen Übermacht. 7 Als ihnen die Römer ins Land rückten, flüchtete aus den dem Zug nahen Ortschaften niemand, und nirgends wurde der Feldbau eingestellt. Bei offenen Toren zogen sie in Friedenskleidung scharenweise aus der Stadt den Feldherren entgegen, und freundschaftlich lieferten sie aus der Stadt und von den Dörfern dem Heer Zufuhr ins Lager. 8 Als Camillus, der sein Lager vor den Toren aufgeschlagen hatte, um zu wissen, ob dieses Bild des Friedens, das man ihm im Land zur Schau stellte, auch in den Ringmauern heimisch sei, in die Stadt rückte, 9 die Haustüren offen sah, in offenen Buden alles vorn zum Verkauf ausgestellt war, die Handwerker alle, jeder mit seiner Arbeit, sich beschäftigten, die Schulen von den Stimmen der Lernenden ertönten, auf vollen Gassen unter anderem Pöbel Kinder und Frauen hier- und dorthin gingen, wohin jeden seine Geschäfte führten, und nirgends das geringste Zeichen von Bestürzung, ja nicht einmal von Verwunderung war, 10 suchte er allenthalben mit spähenden Blicken um sich her, wo denn der Krieg gewesen sein möchte, 11 so wenig war irgendwo eine Spur von etwas auf die Seite Gebrachtem oder nur für jetzt Herbeigeschafftem zu finden, sondern alles war in ungestörtem Frieden so ruhig, dass man hätte glauben sollen, hier habe man auch nicht einmal von einem Krieg gehört.
(26) So durch die Langmut der Feinde bezwungen, ließ er ihren Senat berufen und sprach: Bis jetzt habt ihr allein, Tuskulaner, die wahren Waffen und die rechten Mittel ausfindig gemacht, euer Eigentum vor dem Zorn der Römer zu schützen. 2 Geht nach Rom zum Senat; die Väter werden beurteilen, ob euer früheres Benehmen der Strafe, oder euer jetziges der Verzeihung würdiger sei. Ich bin nicht willens, den Dank für die Großmut des Staates mir im Voraus zuzueignen. Nur die Erlaubnis zur Abbitte nehmt von mir. Der Senat wird nach seinem Ermessen den Erfolg eurer Bitten bestimmen.
3 Als die Tuskulaner nach Rom kamen und die Senatoren dieser noch kurz zuvor so treuen Bundesgenossen sich in der Vorhalle des Rathauses in Trauer zeigten, ließen die Väter, auf die sogleich das Mitleid wirkte, sie schon jetzt mehr gastfreundschaftlich als feindlich vorladen. 4 Die Rede des tuskulanischen Diktators lautete so:
Ebenso gewaffnet und schlachtfertig, ihr versammelten Väter, wie ihr uns jetzt am Eingang eures Rathauses stehen seht, zogen wir, gegen die ihr den Krieg erklärtet und eröffnetet, euren Feldherren und Legionen entgegen. 5 So war unsere und unserer Bürger Haltung, und so wird sie immer sein, außer wenn wir die Waffen von euch und für euch in Empfang nehmen. Wir sagen euren Führern und euren Heeren Dank, dass sie lieber ihren Augen als ihren Ohren glaubten, und da, wo keine Feindseligkeit sich fand, auch selbst keine verübten. 6 Wir wollen uns von euch den Frieden erbitten, den wir gehalten haben, und flehen euch an, den Krieg dahin zu wenden, wo er sich findet. Sollen wir durch Leiden erfahren, was eure Waffen gegen uns vermögen, so wollen wir unbewaffnet diese Erfahrung machen. Dies ist unsere Gesinnung; mögen die unsterblichen Götter geben, dass sie uns ebenso erfreulich werde wie sie pflichtvoll ist. – 7 Was die Beschuldigungen betrifft, die euch zur Kriegserklärung gegen uns bewogen haben, so finden wir, obgleich es unnötig ist, durch Tatsachen widerlegte Angaben noch mit Worten zu widerlegen, dennoch für uns größere Sicherheit darin, falls sie wahr sein sollten, sie lieber einzugestehen, da unsere Reue so unverkennbar ist. Mag man sich gegen euch vergehen, wenn ihr die Männer seid, die eine solche Genugtuung verdienen.
So etwa lauteten die Worte der Tuskulaner. Sie erlangten für jetzt den Frieden und bald nachher sogar das Bürgerrecht. Die Legionen zogen von Tuskulum ab.
(27) Camillus, ausgezeichnet durch Umsicht und Tapferkeit im volskischen Krieg, durch Glück im Feldzug gegen Tuskulum, und in beiden durch seltene Nachsicht und Mäßigung gegen seinen Amtsgenossen, 2 legte sein Amt nieder, nachdem unter seinem Vorsitz zu Kriegstribunen auf das folgende Jahr die beiden Valerier, Lucius und Publius, Lucius zum fünften, Publius zum dritten Mal gewählt waren, auch Caius Sergius zum dritten, Lucius Menenius zum zweiten Mal, Spurius Papirius und Sergius Cornelius Maluginensis.
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