9 Durch solche Reden begeistert, gehörten die Herzen des Volkes schon dem einen Mann, der nun nach einem für die beabsichtigte Umwälzung des Ganzen noch wirksameren Plan einen neuen Angriff folgen ließ. 10 Er unterwarf sein Haupterbgut, ein im vejentischen Gebiet gelegenes Grundstück, dem Ausgebot zur Versteigerung, mit der Angabe: Nein, ich kann es nicht geschehen lassen, ihr Quiriten, dass einer von euch, solange von meinem Vermögen noch das Geringste übrig ist, als Verurteilter oder in die Sklaverei Hingegebener weggeführt werde. Dies vollends entflammte die Gemüter so, dass sie bereit schienen, dem Retter ihrer Freiheit zu jeder erlaubten und unerlaubten Tat zu folgen.
11 Außerdem hielt er in seinem Haufe, wo er wie zu einer Versammlung sprach, Vorträge, voll von Beschuldigungen gegen die Väter; und da er hier manches vorbrachte, ohne dass es ihm auf Wahrheit oder Unwahrheit ankam, äußerte er auch, dass die Väter den Schatz des gallischen Goldes versteckt hielten. Schon sei ihnen der Besitz der Staatsländereien nicht genügend, wenn sie nicht auch öffentliche Gelder unterschlügen. Wenn dies an den Tag käme, könne der Bürgerstand aus allen Schulden kommen. 12 Bei dieser vorgespiegelten Hoffnung fanden es die Leute vollends unwürdig, dass sie damals, als zur Loskaufung des Staates von den Galliern das Gold habe aufgebracht werden müssen, dies durch auferlegte Steuer zusammengeschossen hätten, und dass nun ebendies den Feinden wieder abgenommene Gold einigen Wenigen zur Beute geworden sei. 13 Also drangen sie mit Fragen in ihn, wo denn ein so wichtiger Unterschleif verheimlicht werde. Und da er auswich und es seinerzeit anzuzeigen versprach, beschäftigten sich aller Gedanken, mit Hintansetzung alles Übrigen, nur hiermit; und offenbar versprach ihm die Wahrheit seiner Aussage nicht geringe Liebe, war sie aber falsch, nicht weniger Feinde.
(15) Bei diesen schwebenden Verhältnissen kam der vom Heer abgerufene Diktator in die Stadt. Nachdem er in einer am folgenden Tag gehaltenen Senatsversammlung die Gesinnungen gehörig geprüft und dem Senat befohlen hatte, ihm nicht von der Seite zu gehen, ließ er, gedeckt von dieser Schar, seinen Richterstuhl auf dem Vorplatz aufstellen und schickte einen Gerichtsboten an Marcus Manlius. 2 Auf den Befehl des Diktators zu erscheinen, gab dieser seiner Partei das Zeichen, des Kampfes gewärtig zu sein, und kam mit einem zahlreichen Gefolge vor den Richterstuhl. 3 Dort hatte sich der Senat, hier das Volk wie in Schlachtordnung aufgestellt, und hier und dort wandte jeder den Blick auf seinen Führer. 4 Nach gebotener Stille sprach der Diktator:
Möchten ich und die Väter Roms in allen übrigen Stücken ebenso mit den Bürgern übereinstimmen, wie mir nach meiner festen Überzeugung in Bezug auf dich und auf den Punkt einverstanden sein werden, über den ich dich jetzt zu vernehmen habe. 5 Es ist erwiesen, dass du der Bürgerschaft Hoffnung gemacht hast, die Schulden könnten ohne Nachteil für den Kredit von dem gallischen Schatz, den die Vornehmsten der Väter versteckt halten sollen, bezahlt werden. Dies zu verhindern bin ich weit entfernt, fordere dich vielmehr auf, Marcus Manlius, die Bürger Roms von dem Zinsendruck zu befreien und die Ungeheuer, die auf diesem dem Staat gehörigen Schatz brüten, aus dem Besitz der verborgenen Beute zu vertreiben. 6 Tust du das nicht, so werde ich dich, entweder als Selbstteilnehmer am Raub oder deiner falschen Angabe wegen, ins Gefängnis führen lassen und nicht länger zugeben, dass die Menge von dir durch trügliche Hoffnungen aufgewiegelt werde.
7 Hierauf erwiderte Manlius, es sei ihm nicht entgangen, dass der Diktator nicht gegen die Volsker ernannt sei, die so oft Feinde sein müssten, als es den Vätern zuträglich sei, auch nicht gegen die Latiner und Herniker, welche man durch falsche Beschuldigungen zum Krieg treibe, sondern gegen ihn und den römischen Bürgerstand. 8 Schon wende man mit Beiseitesetzung eines Krieges, den man nur vorgegeben habe, sich gegen ihn, schon bekenne sich der Diktator zum Beschützer der Wucherer gegen die Bürger; schon suche man in der Liebe des Volkes zu ihm ein Verbrechen und sein Verderben. 9 Ist dir , fuhr er fort, Aulus Cornelius, und euch, ihr versammelten Väter, die meine Person umgebende Menge anstößig? Warum leitet ihr sie nicht durch eure Wohltaten von mir ab, wenn ihr für sie als Vermittler aufträtet, eure Mitbürger aus der Haft befreitet, es verhindertet, dass sie verurteilt und als Sklaven abgeführt werden, und von dem, was euren Reichtümern zuströmt, die Bedürfnisse eures Nächsten decktet? 10 Doch was ermahne ich euch, etwas von dem Eurigen aufzuwenden? Setzt endlich einmal die Schuldsumme fest, zieht, was an Zinsen abbezahlt ist, vom Kapital ab, und meine Umgebung wird sich vor der eines jeden anderen nicht auszeichnen. Wie aber? 11 Warum trage denn ich allein diese Sorge für meine Mitbürger? Hierauf wüsste ich ebenso wenig etwas zu antworten, als wenn mich jemand fragte, warum ich denn allein Kapitol und Burg gerettet hätte. Damals ließ ich Hilfe, soweit sie in meinen Kräften stand, allen angedeihen, und jetzt will ich sie den Einzelnen angedeihen lassen. 12 Was nun die gallischen Gelder anbetrifft, so macht bloß eure Frage die an sich leichte Sache schwierig. Denn warum fragt ihr nach etwas, das ihr wisst? Warum verlangt ihr, statt selbst die Sache darzulegen, dass wir euch die Falte, in der ihr sie versteckt haltet, ausschütteln sollen, wenn nicht ein Betrug dahinter steckt? 13 Je mehr ihr darauf dringt, dass man euch eure Taschenspielerkniffe angeben soll, je mehr fürchte ich, dass ihr euren Beobachtungen sogar die Augen weggezaubert habt. Folglich muss nicht ich dazu gezwungen werden, euren Raub euch nachzuweisen, wohl aber ihr dazu, ihn herauszugeben.
(16) Als er auf die Weisung des Diktators, diese Winkelzüge zu lassen, und auf die Nötigung, entweder die Wahrheit seiner Aussage darzulegen oder sich des Vergehens schuldig zu erklären, den Senat fälschlich verleumdet und ihm einen erlogenen Diebstahl aufgebürdet zu haben, zur Antwort gab, er lasse sich von seinen Feinden nicht vorschreiben, was er reden solle, befahl der Diktator, ihn ins Gefängnis zu führen. 2 Vom Gerichtsdiener ergriffen, rief er: Allmächtiger Jupiter, Königin Juno, du, Minerva, und ihr Götter und Göttinnen alle, die ihr das Kapitol und die Burg bewohnt, so lasst ihr euren Streiter und Beschützer so von seinen Feinden misshandelt werden? Diese Rechte, mit der ich die Gallier von euren Tempeln zurückgeschlagen habe, soll von jetzt an in Ketten und Banden sein?
3 Jedes Auge und Ohr fühlte sich durch den empörenden Auftritt beleidigt. Allein die Bürgerschaft, gewohnt einer gerechten Regierung sich mit größter Willigkeit zu fügen, hatte gewisse Staatsämter selbst gegen ihren Eingriff gesichert, und so wagten gegen die diktatorische Gewalt weder die Volkstribunen noch die Bürger selbst einen dreisten Blick oder ein lautes Wort.
4 Als Manlius ins Gefängnis geworfen war, legte ein großer Teil des Bürgerstandes, nach sicheren Nachrichten, Trauerkleider an; eine Menge Menschen ließ Bart und Haare wachsen,72 und Betrübte gingen scharenweise vor dem Eingang des Kerkers auf und ab. 5 Der Diktator triumphierte über die Volsker, und sein Triumph gereichte ihm mehr zum Vorwurf als zum Ruhm. Denn man rief laut, er habe ihn in Rom, nicht im Feld erworben, über einen Mitbürger und nicht über den Feind gehalten. Das Eine habe seinem Übermut noch gefehlt, dass Marcus Manlius nicht vor dem Wagen voraufgeführt sei. 6 Und schon war man einem Aufruhr nahe, als der Senat, ihn durch ein gelindes Mittel abzuwenden, ohne dass es jemand forderte, unerwartet den freiwilligen Geber machte. Er gab den Befehl, 2000 römische Bürger als Ansiedler nach Satricum zu führen, mit der Anweisung auf dreieinhalb Morgen Land für jeden. 7 Da man dies aber als eine Kleinigkeit, als ein nur Wenigen erteiltes Geschenk und als einen Preis betrachtete, um welchen man Manlius fallen lassen sollte, so wurde das Gegenmittel ein Sporn zum Aufruhr. 8 Teils machten die Anhänger des Manlius, in der Trauer ihres Aufzuges und Blickes den Angeklagten gleich, diese Auszeichnung immer auffallender, teils gestattete die nach dem Triumph durch Niederlegung der Diktatur geschwundene Furcht den Leuten freiere Sprache und freieren Mut.
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