(48) Aber mehr als alle Leiden der Belagerung und des Krieges drückte beide Heere die Hungersnot; 2 die Gallier auch eine Seuche, weil sie auf einem zwischen Hügeln gelegenen Boden ihr Lager hatten, der noch dazu durch die Feuersbrünste ausgedörrt und voll Dampf war, und sowie sich ein Wind erhob, nicht allein Staub, sondern auch Asche verbreitete. 3 Dies kann das Volk am allerwenigsten ertragen, das an Feuchtigkeit und Kälte gewöhnt ist, und durch die Hitze und die Beklemmung gequält, starben sie, wie wenn unter dem Vieh eine Seuche sich verbreitet; aber aus Faulheit, die Einzelnen zu begraben, verbrannten sie die ohne Unterschied aufgestapelten Haufen von Menschen, und dadurch wurde die Stelle durch den Namen der Gallischen Brandstätten berühmt.
4 Darauf schlossen sie mit den Römern einen Waffenstillstand, und mit Bewilligung der Feldherren knüpfte man Unterhandlungen an; und da die Gallier in diesen den Römern mehrmals den Hunger vorhielten, der sie zwinge, sich auf die Übergabe einzulassen, so warf man, wie erzählt wird, um diesen Verdacht von sich abzuwenden, an mehreren Orten vom Kapitol Brot unter die feindlichen Posten.
5 Nun aber ließ sich die Hungersnot ebenso wenig länger verbergen als ertragen. Während also der Diktator in Ardea die Werbung für sich hielt, den Magister Equitum Lucius Valerius das Heer von Veji abführen ließ und alle Verfügungen und Vorkehrungen traf, 6 um dem Feind beim Angriff gewachsen zu sein, sah das Kapitolinische Heer, das vom Postenstehen und Wachen erschöpft dennoch allen menschlichen Leiden Trotz bot, dem aber die Natur selbst die Besiegung des Hungers versagte, von einem Tag zum andern danach aus, ob sich gar keine Hilfe vom Diktator zeigen wolle; 7 und da endlich mit den Lebensmitteln auch die Hoffnung schwand, und bei dem beständigen Fortgang des Postendienstes fast die Waffen allein den entkräfteten Körper zu Boden drückten, da verlangte es Übergabe oder Loskaufung unter jeder Bedingung, denn die Gallier hatten sich nicht undeutlich verlauten lassen, sie würden sich für einen nicht hohen Preis zur Aufhebung der Belagerung geneigt finden lassen. 8 Der Senat wurde berufen und den Kriegstribunen der Auftrag gegeben, einen Vergleich einzugehen. Der Kriegstribun Quintus Sulpicius und der Fürst der Gallier, Brennus, brachten die Sache in einer Unterredung zustande, und der Preis des Volkes, welches demnächst die Welt beherrschen sollte, wurde zu tausend Pfund Gold67 bestimmt. 9 Die darin liegende Schande wurde noch durch eine Unwürdigkeit erhöht. Die Gallier brachten falsche Gewichtsstücke mit, und da sie der Tribun nicht gelten lassen wollte, warf der übermütige Gallier noch sein Schwert zu den Gewichten und ließ den einem römischen Ohr unerträglichen Ausruf hören: Wehe den Besiegten !
(49) Doch Götter und Menschen wandten es ab, dass die Römer nicht als Erkaufte leben sollten. Es musste sich so fügen, ehe noch der schändliche Kauf zustande kam, weil über den Wortwechsel noch nicht alles Gold abgewogen war, dass der Diktator dazu kam und befahl, das Gold wegzunehmen und die Gallier wegzuweisen. 2 Als diese sich sträubend den Vertrag vorschützten, sagte er, der Vergleich sei ungültig, weil er nach seiner Ernennung zum Diktator ohne sein Geheiß von einer untergeordneten Obrigkeit geschlossen sei, und kündigte den Galliern an, sich zur Schlacht bereitzuhalten. 3 Seine Krieger aber hieß er ihr Gepäck auf einen Haufen werfen, die Waffen anlegen und das Vaterland mit dem Schwert, nicht mit Gold wiedererwerben, da sie jetzt die Heiligtümer der Götter, ihre Gattinnen und Kinder, den durch die Leiden des Krieges verunstalteten Boden ihrer Vaterstadt und lauter Dinge vor Augen hätten, deren Verteidigung, Wiedereroberung und Rache die Pflicht gebiete. 4 Darauf stellte er sein Heer, so gut es die Beschaffenheit des Platzes gestattete, auf dem Boden einer halb zerstörten Stadt, der an sich selbst schon uneben war, und was durch Kriegskunst den Seinigen zum Vorteil gewählt und vorbereitet werden konnte, das besorgte er alles. 5 Die Gallier, über den unerwarteten Auftritt bestürzt, griffen zu den Waffen und rannten mehr mit Leidenschaft als mit Überlegung auf die Römer ein.
Schon hatte sich das Glück gewandt, schon begünstigte der Beistand der Götter, mit der menschlichen Leitung in Verbindung, die Sache Roms. Also wurden die Gallier im ersten Zusammentreffen ebenso leicht besiegt, wie sie an der Allia gesiegt hatten. 6 In einer zweiten, ordentlichen Schlacht wurden sie am achten Meilenstein auf dem Wege nach Gabii, wohin sich ihre Flucht gewandt hatte, unter der glücklichen Anführung desselben Camillus abermals geschlagen. Hier war das Gemetzel allgemein; ihr Lager wurde erobert, und nicht einmal ein Bote ihres Unglückes entrann.
7 Der Diktator, der sein Vaterland den Feinden abgewonnen hatte, zog triumphierend in die Stadt, und die Soldaten nannten ihn in den Freudenliedern, die sie in kunstlosen Versen ertönen lassen, mit nicht unverdientem Lob einen Romulus, einen Vater des Vaterlandes und zweiten Gründer der Stadt. 8 Und später erhielt er die im Krieg gerettete Vaterstadt unstreitig zum zweiten Mal im Frieden dadurch, dass er die Auswanderung nach Veji vereitelte, obgleich die Tribunen nach Einäscherung der Stadt diesen Vorschlag noch eifriger betrieben, und die Bürger von selbst zu dem Entschluss weit geneigter waren. 9 Dies war auch der Grund, warum er nach dem Triumph die Diktatur nicht niederlegte, denn der Senat bat ihn, den Staat nicht in dieser unsicheren Lage zu verlassen.
(50) Vor allen Dingen brachte er, wie er selbst ein sehr gewissenhafter Beobachter der Gottesverehrung war, die in Hinsicht auf die unsterblichen Götter nötigen Verfügungen zum Vortrag und bewirkte den Senatsbeschluss, 2 dass alle heiligen Stätten, weil sie der Feind besetzt gehabt habe, wiederhergestellt, abgegrenzt und gesühnt und über die Art ihrer Reinigung die Heiligen Bücher von den Zweimännern befragt werden sollten. 3 Mit den Einwohnern von Caere sollte der Staat den Bund des Gastrechtes eingehen, weil sie die Heiligtümer des römischen Volkes und seine Priester aufgenommen hätten und man die Weiterführung der den unsterblichen Göttern gebührenden Verehrung der Wohltat dieses Volkes zu verdanken habe. 4 Ferner sollten Kapitolinische Spiele dem allmächtigen Jupiter zu Ehren gefeiert werden, weil er seinen Sitz und die Burg des römischen Volkes in der Not geschützt habe; und der Diktator Marcus Furius sollte hierzu einen Ausschuss von Männern ernennen, die auf dem Kapitol und der Burg wohnten. 5 Auch wurde in Erinnerung gebracht, dass man die nächtliche Stimme, die sich vor dem Gallischen Krieg als Künderin des Unglückes habe hören lassen und nicht beachtet sei, zu versöhnen habe, und der Befehl gegeben, am Neuen Weg dem Aius Locutius einen Tempel zu bauen. 6 Sowohl das den Galliern abgenommene als auch das übrige Gold, das man aus anderen Tempeln in der Eile in Jupiters Allerheiligstes gebracht hatte, wurde auf Befehl, weil man sich nicht entsinnen konnte, in welche Tempel es zurückzuliefern sei, zusammen für Tempelgut erklärt und unter Jupiters Thronsessel niedergelegt. 7 Die Frömmigkeit der Bürger hatte sich schon früher dadurch zu erkennen gegeben, dass man, weil im Schatze nicht Gold genug vorrätig war, um die Summe des den Galliern versprochenen Kaufgeldes vollzumachen, bloß in der Absicht, sich an dem heiligen Golde nicht zu vergreifen, die Frauen das ihrige hergeben ließ. Dafür wurde den Frauen Dank gesagt und außerdem die Ehre zugestanden, dass ihnen, wie den Männern, nach dem Tod eine Lobrede zukommen sollte.
8 Nachdem er so alles, was die Götter betraf und durch den Senat besorgt werden konnte, ausgerichtet hatte, trat er nun auch, weil die Volkstribunen in ihren fortgesetzten Versammlungen bei dem Volke darauf drangen, dass es mit Hinterlassung der Trümmer in die bereit stehende Stadt Veji hinüberziehen möchte, im Gefolge des ganzen Senates vor der Versammlung auf und hielt folgende Rede:
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