Wanderdünen in der Sahara
Die Moscheen, von denen es zwei große und mehrere kleine gibt, haben keinen architektonischen Wert, obgleich die darin verwendeten Säulen fast alle, wie es scheint, antiken Bauwerken entnommen sind. Das Innere der Wohnhäuser zeichnet sich durch Reinlichkeit und durch einen verhältnismäßigen Reichtum an Gerätschaften wie Truhen, Messinggeschirr, Spiegeln und dergleichen aus. Doch sind die Räume sehr beschränkt und entbehren daher gesunder Luft; nur einige außerhalb der eigentlichen Stadt in den Gärten stehende Häuser haben offene luftige Höfe. Von fern gesehen bietet die blendend weiße Häusermasse, aus einem dichten dunkelgrauen Palmenhain mitten in der vollkommen öden Sahara sich erhebend, einen überraschenden, höchst malerischen Anblick dar.
VIERTES KAPITEL
Meine Erlebnisse in Rhadames
Nicht ganz frohen Mutes hatte ich diesmal die Reise nach Rhadames unternommen. Einmal war die Jahreszeit, im Hochsommer, die möglichst ungünstigste für einen Aufenthalt am Rand der Sahara; sodann musste ich befürchten, die Einwohner möchten derweil in Erfahrung gebracht oder wenigstens Verdacht geschöpft haben, dass mein Renegatentum nur ein vorgebliches sei. Allein ich war entschlossen, allen Eventualitäten die Spitze zu bieten, konnte ich doch auf den Schutz der türkischen Regierung und auf die moralische Unterstützung der europäischen Konsuln zählen.
Wirklich stellten sich mir gleich am ersten Tag nach meiner Ankunft Widerwärtigkeiten entgegen. Als ich mich dem Pascha Kassem präsentierte, erklärte er, mein Bu-Djeruldi sei nur für Fesan gültig, verpflichte ihn mithin zu nichts. Nun hatte allerdings der Schreiber in Tripolis den Fehler begangen, Fesan besonders zu erwähnen, aber da der Pass auf ganz Tripolitanien lautete, musste er selbstverständlich auch für Rhadames, wenngleich dies nicht speziell genannt war, volle Gültigkeit haben. Das Haus in der Stadt, das Kassem Pascha für mich räumen ließ, war viel zu klein, um mir und meiner Dienerschaft bequeme Herberge zu gewähren. Freundlicheren Empfang fand ich beim Mkadem (Vorsteher) der Sauya des Mulei-Thaib von Uesan; in der Voraussetzung aber, der Pascha werde der Sitte gemäß für mein Abendessen sorgen, unterließ auch er es, mir ein solches zu schicken, und ich selbst hatte, auf die Gastlichkeit eines von beiden rechnend, nichts für uns zubereiten lassen. So kam es, dass ich samt meinen Dienern und Kamelen den Tag hungrig beschließen musste, denn als ich meinen Irrtum bemerkte, war es zu spät, um noch Lebensmittel einzukaufen.
Am folgenden Tag gestalteten sich meine Angelegenheiten günstiger. Der Pascha mochte doch wohl bedacht haben, dass sein ungastliches Benehmen üble Folgen für ihn haben könne; er schickte den Scheich el-bled (Bürgermeister) zu mir, der mich fragte, ob ich im Besitz eines Firmans von Konstantinopel sei. Ich übergab ihm das Dokument, damit er es dem Pascha zeigte, und bald kehrte er zurück mit der Botschaft, der Pascha lasse wegen des Missverständnisses um Entschuldigung bitten und habe befohlen, mir ein geräumigeres Wohnhaus vor dem Tor anzuweisen. Letzteres war eine große Wohltat für mich, denn es wäre schrecklich gewesen, hätte ich in der engen, dumpfen Stadt wohnen, am Tag durch die finsteren Straßen tappen müssen und nachts nicht einmal auf dem Dach des Hauses verweilen dürfen. Und die Umquartierung war umso dankenswerter, als außerhalb der Stadt nur wenige Häuser verfügbar sind. Meine neue Wohnung lag gerade der Sauya Mulei-Thaib gegenüber.
Abends sandte mir der Pascha denn auch das übliche Diner, oder Souper, wenn man will, heraus. Araber und Türken pflegen nämlich nur eine größere Tagesmahlzeit, und zwar gegen Abend, einzunehmen. Sobald die Rhadameser sahen, dass der Pascha mich mit Aufmerksamkeit behandelte, wurden sie ebenfalls willig und zuvorkommend gegen den fremden Gast.
Der Pascha, ein ältlicher Mann von ehrwürdigem Aussehen, ein echter Araber, war der Oheim jenes bekannten Rhuma, der die Türken so hartnäckig bekämpft und als einer der Letzten in der Verteidigung des heimatlichen Bodens gegen die Fremdherrschaft ausgehalten hatte, dann geächtet und von allen seinen Landsleuten den schmählichsten Tod erlitt – wenn der Tod fürs Vaterland jemals ein schmählicher sein kann –, jetzt aber von den Bergbewohnern in Liedern gefeiert und sicher ruhmgekrönt im Andenken der Nachwelt fortleben wird. Kassem Pascha hingegen hielt es stets mit den Türken; er eignete sich ihre Sprache an und beobachtete aufs Strengste ihre Sitten und Gebräuche. Im Ganzen schien mir der Mann ziemlich vorurteilsfrei zu sein, und wir wurden nach und nach recht gute Freunde.
Am schwersten mochte es ihm ankommen, dass er als türkischer Beamter gezwungen war, sich fast ganz europäisch zu kleiden, nämlich den offiziellen schwarzen Rock, graue enge Beinkleider und Glanzstiefel zu tragen. Denn nichts widerstrebt den fanatischen Arabern mehr als die Anlegung europäischer Tracht, welche sie ihrer Meinung nach entheiligt und ihnen einen anderen als den gewollten Charakter aufprägt.
Köcher der Tuareg
Ich richtete mich nun in meiner Wohnung häuslich ein. Das Gebäude enthielt ein Erdgeschoss, zu Küche, Magazinen und Ställen dienend, und im oberen Stock ein größeres und ein kleineres Zimmer mit davor liegendem plattem Dach. Das große Zimmer machte ich vollkommen dunkel, um die Fliegen daraus zu vertreiben, die in Rhadames, wie in allen Dattelbaum-Oasen, zur Qual und Folter des europäischen Reisenden in Unmasse vorhanden sind. Absolute Finsternis ist das einzige Mittel, sie von einem Wohnraum fernzuhalten. Meine Kamele wurden auf die Weide geschickt. Einen meiner Neger sandte ich nach Tripolis, damit er etwa für mich ankommende Briefe und Sendungen von dort abholte.
Das Thermometer stieg jetzt nachmittags auf + 50 Grad im Schatten und zeigte selbst morgens vor Sonnenaufgang immer schon über zwanzig Grad. Indes bewirkten der gleich des Morgens stattfindende ziemlich starke Luftzug, die leichte Kleidung und die beständige gelinde Transpiration der Haut, dass mir die Hitze nicht allzu lästig erschien. Die Nächte, die ich auf dem Dach meiner Wohnung verbrachte, waren in der Regel herrlich; doch musste dasselbe lange vorher tüchtig mit Wasser überschwemmt werden, so sehr war es durch die fast senkrecht herabschießenden Sonnenstrahlen erhitzt.
Dennoch bekam meine bereits stark angegriffene Gesundheit durch die erschlaffende Hitze, vielleicht auch durch den unvorsichtigen Genuss von Melonen einen neuen Stoß. Ich erkrankte ernstlich und schwebte einige Tage in wirklicher Lebensgefahr. Fortwährende heftige Blutentleerungen aus dem Darm schwächten mich derart, dass ich an meinem Aufkommen verzweifelte. An Essen durfte ich gar nicht mehr denken, ebenso wenig wagte ich es, meinen Durst zu stillen. Strengste Enthaltsamkeit und große Gaben von Opium brachten endlich zwar die entsetzliche Darmblutung zum Stillstand, aber durch die lange Gewöhnung an den Genuss von Opiaten war meinem Körper dieses Narkotikum unentbehrlich geworden. Versuchte ich, damit innezuhalten, so stellte sich sogleich wieder wässrige Diarrhö ein, und ich musste daher immer von Neuem mich in jenen halb taumeligen, keineswegs angenehmen Zustand versetzen. Einige Dutzend Flaschen Bordeauxwein, die mir mein Freund Botta von Tripolis zuschickte, hatten eine günstige Wirkung, wenn sie mich auch nicht gänzlich zu heilen vermochten.
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