1 ...8 9 10 12 13 14 ...18 Noch eine andere große Unannehmlichkeit hatte ich in Misda zu bestehen. Ich musste hier frische Kamele mieten, und da die Besitzer keine Konkurrenz zu fürchten hatten, forderten sie die unverschämtesten Preise. Es war, als ob sich alle gegen mich verschworen hätten. Glücklicherweise fand ich in dem Mudir (Ortsvorsteher) einen vernünftigen Mann, der seine Mitbürger endlich bewegte, auf den üblichen Preis von fünf Mahbub (ein Mahbub ist etwas mehr als ein Taler) herabzugehen. Nun erhoben sie aber wieder neue Einwände. Sie behaupteten, die Ladungen seien zu schwer, und ich konnte ihren Nörgeleien nur dadurch ein Ende machen, dass ich einiges von dem Gepäck auf meine eigenen Kamele überlud.
Am 2. Juni um fünf Uhr nachmittags verließen wir Misda, legten aber bis zum Abend nur noch zwei Stunden zurück und lagerten, in einer reichlich mit Kamelfutter bestandenen Gegend, mitten im Flussbett des Sufedjin. Ich musste nachts im Freien schlafen, denn der Lehmboden war, obschon bewachsen, von der Sonnenhitze so hart gebrannt, dass die eisernen Pfosten meines Zeltes sich nicht tief genug hineintreiben ließen.
Früh um fünf Uhr zogen wir weiter. Schon um neun Uhr vormittags nötigte uns die furchtbare Hitze, Rast zu machen; weder die Kamele noch die Treiber konnten der Sonnenglut länger widerstehen. Meinem weißen Araberhund, einem Spitz, mussten wegen des brennend heißen Erdbodens Sandalen angelegt werden: Eine ebenso schwierige wie gefahrvolle Operation, da er äußerst bissig war und sich von niemand berühren ließ; nur mit List gelang es endlich, ihm das Maul zuzubinden, worauf die Sandalen an seinen Beinen befestigt wurden. Später brachte ich ihn dahin, dass er während des Marsches auf dem Rücken eines Kamels Platz nahm. Er war außerordentlich wachsam, sowohl bei Tag wie bei Nacht, und deshalb unentbehrlich für unsere Karawane.
Bis halb drei Uhr »gielten« wir – ich bediene mich dieses undeutschen Ausdrucks und werde ihn noch öfters brauchen müssen, weil es für das arabische »geila«, d. h. während der heißesten Tageszeit lagern, kein Wort in unserer Sprache gibt –, dann wurde der Tagesmarsch in Richtung 200 Grad fortgesetzt. Beim Austritt aus dem Uadi Fessano gelangt man auf ein ausgedehntes Plateau mit derselben Vegetation wie in den Tälern. Hier wohnen die Uled Mschaschia, welche Schaf- und Kamelzucht treiben. Die Gegend ist reich an Gazellen, Hasen, Kaninchen, auch Schakalen und Hyänen, und im Gebirge Kaf-Masusa, das wir südöstlich in etwa fünfzehn Kilometer Entfernung erblickten, sollen noch viele Antilopen hausen. Wir kamen an einem großen Duar (Zeltdorf) der Uled Mschaschia vorbei und wurden von den Bewohnern gastfreundlich mit einem Trunk Kamelmilch gelabt. Ihre Zelte sind geräumiger und besser als die der anderen in Tripolitanien wohnenden Araber. Nun kreuzten wir die von Sintan im Norden nach Ghorian in Fesan führende Straße und betraten nach einer Stunde die Landschaft Brega, in der um halb sieben Uhr das Nachtlager aufgeschlagen wurde. Da hier im Gebiet der Mschaschia kein Raubüberfall zu befürchten war, hielt ich es nicht für nötig, des Nachts Wachen aufzustellen, auch wurden unseren Kamelen nicht die Fußeisen angelegt. Überhaupt ist das Reisen in Tripolis, ausgenommen an der tunesischen Grenze, von wo bisweilen räuberische Stämme auf tripolitanisches Gebiet herüberstreifen, im Allgemeinen sicher. Leute wie Bu-Cheil, dessen Bekanntschaft ich in Misda gemacht habe, und seine Bande gehen mehr auf den Raub von Viehherden aus, als dass sie sich an Karawanen vergreifen, zumal Letztere ihnen doch meist durch ihre Stärke und gute Bewaffnung imponieren.
5. Juni, Aufbruch um fünf Uhr morgens in Richtung 195 Grad. Über einen niedrigen, nach Westen und Nordwesten streichenden Höhenzug führt der Pass Chorm er-Reschade. Dicht vor demselben machten wir um dreiviertel elf halt, um zu ›gielen‹. Der Boden ringsum ist wie übersät mit fossilen Überresten, doch entdeckte ich wenige nur einigermaßen gut erhaltene Stücke; allerdings machte die erdrückende Sommermittagshitze am Rande der Sahara das Suchen und Einsammeln fast unmöglich. Um halb drei Uhr nachmittags passierten wir den Chorm er-Reschade und gelangten nach einstündiger Wanderung in die sandige, aber gut bewachsene Landschaft Areg-el-Leba. Einer der Kameltreiber hatte hier das Glück, eine Gazelle zu schießen, eine sehr erwünschte Zugabe zu unserer mehr als einförmigen Kost, die des Morgens aus Brot, Butter und Datteln, des Abends aus Basina (Weizenpolenta mit Ölsoße) bestand, welchen Gerichten ich durch Zusatz von Fleischextrakt etwas Geschmack und Kraft zu geben versuchte. Aus der Areg-el-Leba kamen wir an die mehr hammadaartige, doch von vielen kleinen kräuterreichen Oasen, Gra genannt, unterbrochene Gegend Gra-es-Ssoauin. In einer dieser kleinen Oasen wurde um halb sieben Uhr Rast gemacht, und bald waren meine Diener und Kameltreiber zu einem homerischen Mahl versammelt, indem sie neben einem großen Topf voll Basina die halbe Gazelle verzehrten. Endlich waren sie gesättigt, was bei diesen Leuten viel sagen will; denn es blieb noch ein Rest von der Basina übrig, der aber schon am anderen Morgen um zwei Uhr auch noch vertilgt wurde.
Karawane in der Sahara
Am 6. Juni befanden wir uns bereits morgens um drei Uhr wieder auf dem Marsch in derselben Richtung wie am Tag vorher. Um neun Uhr schlugen wir, um zu ›gielen‹, beim Aghadirel-Cheil (Pferdewasserplatz) unsere Zelte auf. Mit Futter für die Tiere war unser Zug genügend versehen, aber der Wasservorrat reichte nur noch für zwei Tage, während wir bis Derdj wenigstens noch fünf Tagesmärsche zurückzulegen hatten. Ich beschloss daher, einen des Landes genau kundigen Kameltreiber mit einigen meiner Diener, mit den übrigen Treibern und sämtlichen Kamelen nach dem Bir (Brunnen) el-Klab, der gerade nördlich vor uns liegen sollte, abzusenden, damit dort die Tiere getränkt und unsere Wasserschläuche frisch gefüllt würden. Die Expedition ging nachmittags ab und hatte Weisung, am folgenden Tag wieder auf dem Lagerplatz einzutreffen.
Wir Zurückbleibenden konnten zwar unterdes ruhen, doch war unser Lager in einer völlig baumlosen Ebene bei der glühenden Sonnenhitze kein beneidenswertes. Das Thermometer zeigte jetzt beständig nachmittags fünfunddreißig bis vierzig Grad im Schatten und sank selbst kurz vor Sonnenaufgang nie unter + 18 Grad. Dazu traten nun auch schon jene heftigen Windstöße, wie sie in der Sahara so häufig ganz plötzlich entstehen und ebenso plötzlich wieder verschwunden sind.
Bereits vormittags um halb zehn Uhr kehrte anderntags die Expedition zurück. Sie hatte genau mit Sonnenaufgang den Rückmarsch angetreten. In der Nähe des Bir el-Klab war man an einem Duar von Sintan-Leuten vorübergekommen; die Gegend ist also noch sporadisch bewohnt.
Es war Abend geworden, als wir unseren Halteplatz verließen. Wir zogen in der Richtung von 225 Grad den Uadi el-Cheil entlang aufwärts und drangen mit ihm in das steinige Gebirge ein, in dem er entspringt und durch zahlreiche Täler und Schluchten aus Süden und Norden Zuflüsse erhält. Die Wände dieser Täler, aus Sandstein und Kalk bestehend, erheben sich senkrecht zur durchschnittlichen Höhe von hundert bis einhundertfünfzig Fuß. In einer natürlichen Höhle am linken Felsenufer fand ich Figuren in die Wände gehauen, ziemlich roh ausgeführt, doch immerhin von einer gewissen Stufe der Kultur zeugend, welche die Menschen zu jener Zeit erreicht haben mussten. Die Figuren stellten Elefanten, Kamele, Antilopen und andere Tiere dar, aber auch eine weibliche Menschengestalt mit ausgeprägter Negerphysiognomie in sehr indezenter Stellung. Schriftzeichen konnte ich allerdings nicht entdecken; die eingegrabenen neuarabischen Namen wie Mohammed, Abdallah und die kurzen Koranverse stammen offenbar aus viel späterer Zeit.
Читать дальше