(10) Caesar und Crassus, die sonst nicht gerade Ciceros Freunde waren, blieben, da sie sahen, dass er auf jeden Fall zurückkehren würde, für ihn nicht untätig; auch in seiner Abwesenheit hatte Caesar ihm Beweise seines guten Willens gegeben, aber sie ernteten keinen Dank von ihm. 2 Denn Cicero wusste, dass sie es nicht aus lauterer Absicht getan hatten, und glaubte, dass sie die Hauptschuld an seiner Verbannung trügen. Er erkühnte sich aber öffentlich nicht, wider sie zu reden, da er noch jüngst die Früchte seines zu ungezügelten Freimuts geschmeckt hatte, sondern schrieb eine geheime Geschichte, die eine Rechtfertigung seiner Ratschläge sein sollte, 3 worin er viele nachteilige Aufschlüsse über sie und andere Männer gab. 128Damit sie aber nicht noch zu seinen Lebzeiten bekannt würde, übergab er sie versiegelt seinem Freigelassenen mit dem Auftrag, sie vor seinem Tod weder zu lesen noch herauszugeben.
(11) So kam Cicero wieder empor, und er erhielt nicht nur sein übriges Vermögen, sondern auch die Baustelle seines Hauses zurück, obschon sie von Clodius der Göttin der Freiheit geweiht und ihre Entheiligung mit einem Fluch belegt worden war. 2 Denn Cicero stieß, indem er das Curiatsgesetz, nach welchem Clodius von den Patriziern zum Volk übergetreten war, deshalb als gesetzwidrig verwarf, weil es nicht zu der nach den Satzungen der Väter bestimmten Zeit vorgebracht war, das ganze Tribunat des Clodius, unter welchem der Beschluss wegen seines Hauses gefallen war, um und erklärte jede Verfügung unter dessen Tribunat für ungültig, da dessen Übertritt zum Volk auf ungesetzlichem Weg stattgefunden habe. 3 Durch diese Gründe überzeugte er die Oberpriester, ihm seine Hausstelle, als weder dem Staat noch den Göttern verfallen, zurückzugeben. So bekam er nicht nur diese, sondern auch Geld zum Wiederaufbau seines Hauses und als Vergütung sonstiger etwaiger Verluste.
(12) Hierauf kam es wegen König Ptolemaios zu neuen Unruhen. Er hatte nämlich an mehrere Römer teils aus eigenen Mitteln, teils mit geborgten Summen von hohem Betrag verschwendet, um die Bestätigung seiner Herrschaft und den Titel eines Freundes und Bundesgenossen zu erhalten. Dieses Geld hatte er von den Ägyptern mit Gewalt eingetrieben. 2 Sowohl hierdurch als auch durch seine Weigerung, ihrem Verlangen gemäß Zypern von den Römern zurückzufordern oder seine Freundschaft abzusagen, war er bei seinen Untertanen sehr verhasst. Als er keine Söldner hatte und daher nicht imstande war, sie durch Güte oder mit Gewalt zu beschwichtigen, 3 entwich er aus Ägypten nach Rom, klagte seine Untertanen an, als hätten sie ihn aus dem Reich vertrieben, und bewirkte, dass Spinther, dem Kilikien als Provinz zugefallen war, ihn zurückführen sollte.
(13) Inzwischen hatten die Alexandrier, welche nicht wussten, dass der sich nach Italien begeben hatte, oder glaubten, er sei tot, seine Tochter Berenike auf den Thron gesetzt; dann aber, als sie die Wahrheit erfuhren, sandten sie hundert Männer nach Rom ab, um sich wegen seiner Beschuldigungen zu rechtfertigen und ihn seiner Bedrückungen wegen anzuklagen. 2 Auf die Kunde davon ließ der König, der noch in Rom war, den Gesandten vor ihrer Ankunft an verschiedenen Punkten auflauern und die meisten unterwegs, von den Übrigen einige in der Stadt selbst, ermorden, die anderen aber schüchterte er ein oder bestach sie, dass sie vor den Behörden in Rom weder mit ihrer Sendung erschienen, noch auch die Ermordung ihrer Gefährten in Erwähnung bringen konnten.
(14) Dessen ungeachtet wurde die Sache so ruchbar, dass der Senat in heftigen Unwillen geriet, besonders auf die Vorstellung des Marcus Favonius, dass schon viele Abgesandte der Bundesgenossen gewaltsam ermordet worden seien und noch jetzt viele Römer sich bestechen ließen. 2 Sie beschieden also den noch überlebenden Dio, als Haupt der Gesandtschaft, vor sich, um von ihm den wahren Verlauf der Sache zu erfahren. Allein die Bestechungsmaßnahmen des Königs waren so allmächtig, dass Dio weder vor dem Senat erschien noch auch, solange er in Rom war, der Ermordeten weitere Erwähnung geschah. 3 Ja als selbst Dio nachher meuchlings ermordet worden war, zog man den Ptolemaios doch nicht zur Verantwortung, wozu unter anderem nicht wenig beitrug, dass Pompeius ihn zu sich ins Haus aufgenommen und mit seinem ganzen Einfluss unterstützte. 4 Zwar wurden in der Folge mehrere deshalb angeklagt, aber nur wenige schuldig gefunden. Denn der Bestochenen waren sehr viele, und aus Furcht wegen der eigenen Schuld suchte immer einer dem anderen durchzuhelfen.
(15) Dies und dergleichen nun taten die Menschen aus Habsucht. Dass aber die Gottheit gleich zu Anfang des Jahres das Standbild Iupiters auf dem Albaner Berg mit dem Blitzstrahl traf, verzögerte die Rückführung des Ptolemaios noch einige Zeit. 2 Denn als man die Sibyllinischen Bücher befragte, fanden sich folgende Worte: »Komme Ägyptens König einer Hilfe bedürftig, so versagt ihm Freundschaft nicht, steht ihm aber nicht bei mit Heeresmacht, sofern ihr nicht Mühen und Gefahren haben wollt!« 3 Man staunte über die Übereinstimmung dieser Worte mit dem vorliegenden Fall und nahm auf den Vorschlag des Volkstribuns Gaius Cato alle vorgefassten Beschlüsse zurück. So lautete der Orakelspruch, und er wurde, obgleich sonst ohne ausdrücklichen Beschluss des Senats keine Sibyllinische Weisung kundwerden durfte, von Cato unter das Volk gebracht. 4 Denn sobald der Inhalt des Sibyllenspruchs zur Kenntnis des Senats gekommen war, fürchtete Cato, man möchte ihn verheimlichen, und führte die Priester vor das Volk, wo er sie nötigte, ohne vorherige Zustimmung des Senats, die Sache vor diesem zu bezeugen. Denn je mehr sie sich sträubten, desto heftiger drang das Volk in sie.
(16) Das Orakel lautete, wie schon erwähnt, und wurde in latinischer Sprache dem Volk vorgetragen. Als die Sache zur Abstimmung kam, wollten einige die Rückführung des Ptolemaios Spinther ohne ein Heer übertragen, andere verlangten, Pompeius sollte ihn mit zwei Liktoren zurückführen. 2 Um das Letztere hatte Ptolemaios, als er den Orakelspruch erfuhr, selbst nachgesucht, und der Volkstribun Aulus Plautius las sein Schreiben der Versammlung vor. Die Senatoren aber befürchteten, Pompeius möchte dadurch noch mächtiger werden und fanden es angeblich mit seinen zeitigen Getreidegeschäften unverträglich. 3 Dies geschah unter den Konsuln Lucius Philippus und Gnaeus Marcellinus. Auf diese Nachricht gab Ptolemaios alle Hoffnung zur Rückkehr auf, begab sich nach Ephesos und lebte im Tempel der Göttin Diana (Artemis).
(17) Im vorigen Jahr hatte sich eine zwar nur einen Einzelnen betreffende, aber doch für den Zweck meiner Erzählung bedeutende Geschichte zugetragen. Es war ausdrücklich im Gesetz verboten, dass zwei Männer aus derselben Verwandtschaft ein und dasselbe Priesteramt bekleideten; Konsul Spinther aber, welcher seinen Sohn Cornelius Spinther gern unter den Auguren gehabt hätte, 2 aber den Faustus, Sullas Sohn, einen Cornelier, schon vorher unter dieselben eingeschrieben sah, ließ ihn in die Familie des Manlius Torquatus adoptieren. So wurde das Gesetz zwar buchstäblich beachtet, de facto aber umgangen.
(18) Clodius aber war unter den Konsuln Philippus und Marcellinus nicht kaum zur Ädilität gelangt, wozu er sich, um der gerichtlichen Untersuchung zu entgehen, durch Parteiumtriebe hatte wählen lassen, so klagte er Milo wegen Aufstellung der Gladiatoren an; indem er so desselben Verbrechens, dessen er selbst schuldig und angeklagt worden war, diesen beschuldigte. 2 Zwar konnte er nicht hoffen, gegen Milo etwas auszurichten, da derselbe unter seinen Beschützern so mächtige Männer wie Cicero und Pompeius zählte, aber seine Absicht war, Milo Händel zu machen und jenem einen Schimpf anzuhängen.
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